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I ch geh' nach Rom und mit Sicherheit werde ich Papst. Also beeile dich ... und sobald du die Nachricht vernimmst, komm' nach Rom, ohne weitere Anweisungen oder eine Berufung abzuwarten." So zitiert Giorgio Vasari den Kardinal del Monte auf dem Weg zum Konklave im Jahr 1550.

Die Vorhersage erfüllte sich: Der Kardinal ging aus dem Konklave als Papst Julius III. hervor, und Vasari eilte alsbald nach Rom, um dem neuen Papst die Füße zu küssen und lukrative Aufträge zu ergattern.

Vasari ist ein klassisches Beispiel, wie Fremd- und Eigenwahrnehmung einer Person oft gewaltig auseinanderklaffen. Seit fast 500 Jahren gilt der 1511 geborene Aretiner als erster Kunsthistoriker des Abendlandes, eine Quelle des Wissens (und der Anekdoten) über die italienischen Renaissancekünstler, von denen er 159 in seinen berühmten "Vite" ("Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten") dargestellt hat, angefangen von Giotto bis zu Vasaris großem Vorbild Michelangelo. Sich selbst hat er auch eine Vita gewidmet. Sie ist jetzt in einer neuen deutschen Übersetzung samt ausführlichem Kommentar (289 Fußnoten, die sich allesamt spannend lesen!) erschienen.

Im 16. Jahrhundert eine Autobiografie zu schreiben, war ein Tabubruch; außer dem großen Benvenuto Cellini hatte bis dahin niemand gewagt, das christliche Demuts- und Bescheidenheitsideal durch eine literarische Selbstdarstellung zu unterlaufen. Möglicherweise war Cellini sogar für Vasaris Erinnerungen ausschlaggebend: Cellini hatte sich über seinen Konkurrenten Vasari negativ geäußert und auf homoerotische Neigungen des Künstlers angespielt. Also schritt dieser zur Selbstverteidigung. Und da entsteht das Bild eines unermüdlich strebenden, hart arbeitenden Malers - der heute wenig geschätzt wird. Wie viele Geburten Christi, Anbetungen der Könige, büßende Heilige er gemalt hat, davon zeugen die Illustrationen in der neuen Ausgabe seiner Lebensgeschichte, ebenso wie historische und Schlachtenszenen: Auftraggeber waren Kirche und Fürsten.

Der Mäzen Papst Julius III. allerdings erwies sich als launenhaft: In einem fort habe er neue Einfälle bei seiner Bauwut, klagte Vasari: "Ich erkannte schließlich, dass man sich von ihm nur wenig erhoffen durfte und man sich vergeblich bemühte, ihm zu dienen." Besser erging es Vasari am Hofe Herzog Cosimos in Florenz. Diese bau- und dekorationssüchtige Fürst erkannte seine Stärke als Architekt: Die Uffizien sind Vasaris Meisterstück. Er malte nicht nur viel, er reiste auch in ganz Italien, nannte viele Große seine Freunde und nahm sie als Modelle in seinen figurenwimmelnden Bildern. Wer seine Bilder kennen lernen möchte, kann dies in seinem Haus in Arezzo tun, das heute ein Museum ist, weiters im Palazzo Vecchio in Florenz und in der Cancelleria in Rom.

Vasari konnte nicht ahnen, dass er den heiß ersehnten Ruhm nicht durch seine Malerei, sondern durch seine Künstlerbiografien erlangen würde. Von der Entstehung dieses großen Werkes berichtet er in seiner "Vita" nur kurz und ein wenig schummelnd: Am Hof des Kardinal Farnese sei er zusammen mit anderen Künstlern und Gelehrten beim Abendessen gesessen. Da habe der Kardinal die Idee an ihn herangetragen, alle großen italienischen Künstler und ihre Werke aufzulisten. Die übrigen Anwesenden hätten ihn auch dazu ermuntert. Von denen, die er da namentlich nennt, waren einige gar nicht am Schauplatz, in Rom, und einer lag schon tot unter der Erde. Vasari - ein Lügner? Es ist bekannt, dass er "Daten und Fakten" über italienische Künstler schon seit seiner Jugend sammelte. Aber es machte sich zweifellos gut zu schildern, wie im gebildeten Humanistenkreis große Ideen geboren werden.

Von seinem Privatleben schreibt er übrigens fast gar nichts. Nur ein Schmankerl: Ein Kardinal habe ihn, als er schon 39 Jahre alt war, zum Heiraten überredet. Die 13-jährige Braut war eine weitläufige Verwandte des Kardinals, der später besagter Papst Julius III. wurde ...

Mein Leben

Von Giorgio Vasari

Neu übersetzt von Victoria Lorini

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2005

192 Seiten, brosch. mit Abb., e 14,30

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