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Konzerte mit neuer Musik

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Das deutschen Komponisten gewidmete Austauschkonzert der Oesterreichlichen Gesellschaft für zeitgenössische Mu- s i k brachte, von zwei Duetten aus dem „Plöner Musiktag" von Hindemith abgesehen, wenig Repräsentatives und auch wenig Profiliertes der deutschen Musik von heute. Heinz Friedrich H a r t i g s Sonate für Klarinette und Klavier blieb trotz aller harten Motorik (vielleicht sogar ihretwegen) ohne persönliches Gesicht und erschien uns ohne innere Nötigung. Besser, wenn auch keineswegs weicher oder entgegenkommender hörte sich Max Baumanns Sonate für Klavier an, die zwar auch das wirklich Originelle vermissen ließ, aber durch knappere Formulierungen überzeugender wirkte. Dagegen zog sich die Sonate für Violoncello und Klavier von Konräd Friedrich Nöetel sehr in die Länge, ohne diese Länge durch Fülle der Einfälle zu rechtfertigen. Die durchweg harte und abweisende Tonsprache dieser Komponisten (Hindemith wirkte dagegen fast mozattisch verbindlich) blieb Im Grunde eine Sprache ohne Mitteilung. Leider fehlten die führenden deutschen, Namen, denn Hindemiths Opus war das kürzeste des Abends.

Eine Reihe junger heimischer Komponisten wurde in dem Konzert der „Arbeitsgemeinschaft junger Komponisten" in Werken verschiedener Reife und Qualität präsentiert, die aber im ganzen profilierter waren als die oben besprochenen aus dem Nachbarland. Natürlich ist hier noch alles im Fluß, jugendliches Ungestüm, Sturm und Drang, Unausgegorenes gibt sich hier in allem Bemühen und Wollen; so wenig jeweils das meist erkennbare Ziel erreicht wird, so sehr fällt der kompromißlose Ernst auf, der es anstrebt und bei allem innerlich Fragmentarischen zur Anerkennung zwingt. (Als Mangel wurde in beiden Konzerten das Fehlen jeder biographischen Notiz empfunden. Wer sich vorstellt, sollte auch ein weniges von sich sagen.) Am weitesten auf dem Wege zu eigenem Stil und Gestalten erwies sich Karl M. Brandstetter in seinem „Maria- nischen Triptychon" nach Worten von Romana Guardini. Er schreibt einen etwas spröden, aber durchaus eigenwilligen Chorsatz, der weder die Stimmen vergewaltigt noch äußerlich paradiert, vielmehr den sakralen Text zu einer klanglichen Logik zu gestalten weiß, die vielleicht ein Zuviel an Askese, nicht aber- an Pathos mit sich trägt. Weniger dem Text entsprechend und auch ärmer an innerer Gebundenheit schien uns Walter Nußgrub e t s, „Et incarnatus est". Friedrich T r unke n p o 1 z’ „Crossing The Bar" ist ein gut klingender Chor, weniger persönlich profiliert als stilistisch ausgeglichen. Unmittelbar wirksam zwei kleine Chorlieder von Rudolf J. Po 1 z er, die einzigen, die Humor und Lächeln nicht nur im Text, sondern auch in der Musik hatten. Drei Lieder von Gerhard Lampersberger sind von einer seltsam statischen, gleichsam gehämmerten Musik, die noch zu sehr in den Anfängen ihrer Eigenart steckt, um anders als erwartend aufgenommen zu werden. Von den Instrumentalwerken möchten wir dem Rondo für Streichquartett und Klavier von Christian Prem den Vorzug geben, ohne zu verschweigen, daß dem hübschen Kopfthema keine gleichwertigen Seitenthemen erwachsen, wodurch das Stück überlängt erscheint. Am wenigsten anzufangen wußte man mit der „Integration" (Tonmosaik) 'von Anestis Logothetis, dem wenig Aufbauendes zugrunde liegt, das aber nur vom Klanglichen allein her bloß ärmlich wirkt und zerfallend. Eine Suite für zwei Violinen von Walter V r t i c k a und eine Klaviersuite von Lampersberger vervollständigten das Programm, dessen chorischen Teil die Wiener Sängerknaben als hervorragende Leistung exekutierten.

Hans Kann spielte „Tänzerische Klaviermusik", also Musik, durch den Tanz angeregt oder selbst als Tanz gestaltet. Es war eine tänzerische Musikgeschichte von J. S. Bach bis George Gershwin, und dieses „Programm" des Programms, das von einem ungewohnten Standpunkt chronisierte, wirkte neben der knappen, aber ausgezeichneten Einführung als erfreulich belebender Faktor, in der seriösen und gediegenen Ausführung des Künstlers auch „erlebend". Im interessanteren zweiten Teil des Abends hörten wir Werke dieser Art .von Bartok, Schosta- kowitsch, Strawinsky, Milhaud und Gershwin, besonders die letzteren vom Jazz her angeregt und befruchtet, was, vom durchweg Studienhaften dieser Musik abgesehen, zu eigenartig charakteristischen Klängen und Rhythmen, aber auch zu neuartigen Eindrücken führte.

Prof. Franz Krieg

In einem öffentlichen Rot-Weiß-Rot-Konzert führte Karl Ranki mit den Wiener Symphonikern Gustav Mahlers IV. Symphonie auf, und man kann sich gut vorstellen, daß der Dirigent eine besondere Neigung für dieses Werk hat. Fröhliches Geklingel und ein herrliches Adagio geleiten den Hörer in einen Kinderhimmel, aus dem — sehr wohllautend, aber ein wenig fremdartig — die Stimme von Sena J u r i n a C ertönte. Man spürte, wie der Mahler-Verehrer am Pult ganz ih seinem Element war. Die Vorliebe für Dukas’ schon ein wenig abgespielten Orchester reißer „Der Zauberlehrling" ist uns weniger verständlich.

Das Kölner Streichquartett war unseres Wissens zum ersten Male in Wien, aber wir wünschen sehr, daß es nicht das letzte Mal gewesen sein möge. Denn dieses Ensemble wird in seiner besonderen Art heute kaum von einem anderen Quartett übertroffen, und die Spieler machen sich auch über ihr Programm Gedanken. Ein selten aufgeführtes Streichquartett von P r o- kofieff (op. 92) zeigt in jedem seiner drei konzisen Sätze die dreiteilige Liedform und bedient sich einer recht einfachen, aber energischen, zuweilen etwas groben Sprache (die man einem Quartett selten zumutet). — Ravels einziges Streichquartett, dieses Meisterwerk des großen Klangkünstlers, bedarf keiner besonderen Kennzeichnung mehr. Obwohl im Vortrag der vier ausgezeichneten Musiker nichts improvisiert war, behielt das Stück jenes Schwebende, Irisierende in der Bewegung seiner farbigen Flächen, und wie bei den großen französischen Pleinairmalern wurde man gewahr, daß die Kunst des Impressionismus nicht nur zauberhafte Lichteffekte und -reflexe, sondern auch unheimliche Schattenspiele hervorzubringen vermag.

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