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Krenek-Konzert und Philharmonisches

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Im Zyklus „Neue Musik“, den die Konzerthaus- gesellschaft veranstaltet, dirigierte Ernst Krenek zwei eigene Werke und Michael Gielen Kompositionen von Britten und Blacher. — Nach einmaligem Anhören zweier so schwieriger und neuartiger Werke, wie Kreneks „Lamantatio Jeremiae Proph.etae" für gemischten Chor a cappella und der „Sestina“ für Sopran und Kammerorchester, möchte der Referent sich aufs Referieren beschränken und sein kritisches Urteil für spätere Aufführungen verschieben. Aus der umfangreichen Chorkomposition, die Krenek bereits 1941 begann, wurden nur zwei Teile (Anfang und Schluß) von insgesamt etwa 10 Minuten Dauer vorgetragen. Aber dieser/Fragnaente genüge ,rum den strengen Stil und die-ikoMphfeierte' Technik 'eiries’tespėktible-n Werkes' erkennen-zu las3en,--dn-ddm'-Ztvölftoiitechmk. und modale Reihen im Geist mittelalterlicher Polyphonie miteinander verquickt sind. Die vom Wiener Kammerchgr nicht immer ganz gemeisterten Intonationsschwierigkeiten (bei oft vielfach geteilten Stimmen) sind enorm.

Noch esoterischer wirkt Kreneks neuestes Werk, die „Sestina“, von 1957. In sechs Strophen zu je sechs Zeilen mit immer wiederkehrenden Reimworten (Strom — Maß — Zufall — Gestalt — Zeit — Zahl) drückt der Komponist in (selbstverfaßten) Versen aus, was er musikalisch zu realisieren bestrebt war und kurz vorher in einem Vortrag theoretisch erläutert hatte. Er stellt sich selbst die Frage: „Ist es vermessen, solches Maß von Maß dem Leben aufzuzwingen, der Gestalt?“ Und er antwortet: „Der Zwang zerrinnt, erzeugt den neuen Zufall.“ — Das Abstrakte und Konstruierte der Komposition wird kompensiert, zumindest gemildert durch die reizvoll-farbige Instrumentation (ein kleines Ensemble, bestehend aus Geige, Flöte, Klarinette, Trompete, Gitarre, zwei Vibraphone, Klavier und Schlagwerk). Den ungewöhnlich schwierigen Sopranpart sang mit bewunderungswürdiger Treffsicherheit Ilona Steingruber.

Daß man auch anders musizieren kann, zeigte Benjamin Britten in seiner „Serenade für Tenor, Horn und Streicher“, op. 31, aus dem Jahr 1943. Aber diese Demonstration war kein Beweis. Zwar: angenehm und lieblich klangen die romantischen Lieder (nach Texten von Tennyson, Blake, Jonson, Keats u. a.), und bis zu „Dirge“ (auf anonyme Verse aus dem 15. Jahrhundert) folgte man der Musik auch mit mäßigem Wohlwollen. Aber dann, wenn man sich an die Vertonung der gleichen Texte durch Strawinsky in seiner „Cantata" erinnerte, wurde es kritisch, und man erkannte die unverbindlich-oberflächliche Art, in der Britten, dieser höchtalefttierte Vielschreiber, mit seinem Material umgeht. (Helmut Krebs, Tenor, und Niko Schynol, Horn, waren die Solisten.)

Von Boris Blachers neuester Komposition, „Eine Amsel, dreizehnmal gesehen“, die durch das Kammerorchester und Helmut Krebs uraufgeführt wurde, sind das hübscheste die Idee, der Titel und die nach japanischem Vorbild stilisierten Miniaturgedichte von Wallace Stevens, Etwa so: „Als die Amsel außer Sicht flog, zog sie die Tangente an einen von vielen Kreisen.“ Die sangbare Solostimme wird - allersparsamst - von punktuellen Figuren und einzelnen Tönen der Streicher, meist im Pizzicato, untermalt: ein fast Nichts an Musik.

Das 4. Philharmonische Abonnementkonzert wurde von Rafael K u b e 1 i k geleitet. Ein fast unbekanntes und ein — zu Unrecht — sehr selten gespieltes Werk standen auf dem Programm. Für die 27 Symphonischen Variationen nebst fugiertem Allegrofinale von Anton Dvorak paßt vielleicht am besten die Charakteristik „blühend": ein kurzes, volkstümlich- böhmisches Thema wird nicht nur harmonisch und rhythmisch, sondern auch melodisch in 'immer wechselndem, aber stets buntem, zuweilen knalligem Klanggewand vorgeführt. Da die ganze Variationen-

reihe nur insgesamt etwa 20 Minuten dauert, ist das ganz unterhaltend. — Eine wahrhaft blühende Erfindung und viele klangprächtige Details, von unseren Philharmonikern unvergleichlich dargeboten, gab es auch in Bruckners Sechster zu bewundern, zu der Rafael Kubellk ein sehr unmittelbares Verhältnis hat. Nach dem etwas unruhig begonnenen ersten Satz (Maestoso!) geriet alles Folgende aufs schönste. Auch die komplizierten zwei-, drei- und vierzeitigen Rhythmen, auf die der gelehrte Bruckner-Herausgeber und -Kommentator, Professor Nowak, aufmerksam macht, kamen klar und präzis. Viel Beifall für Werk und Wiedergabe.

Helmut A. Fiechtner

Es ist schon öfter die Ansicht vertreten worden, daß eine pausenlose Aufführung des Oratoriums „Das Buch mit sieben Siegeln“ von Franz Schmidt der musikalischen Steigerung und der stimmungsmäßigen Geschlossenheit nur dienen kann. Auf der anderen Seite hatte 4er Dirigent Heinz W all b erg an der Spitze der Wiener Sym-

phoniker und des von Dr. Reinhold Schmid höchst differenziert einstudierten Chors des Singvereins zu bedenken, daß eine pausenlose Aufführung große physische Reserven voraussetzt, sofern man sich nicht zu einer Kürzung des Werkes entschließen kann. An diese heikle Aufgabe hat man sich gewagt und das Werk auf die Dauer von 90 Minuten konzentriert, wobei die großen musikalischen Schönheiten gewahrt blieben. Wallberg weiß zu dramatisieren, wie überhaupt das rein Oratorische zurücktrat gegenüber dem Theatralischen, so daß man ebenso auch nach dem (vom Chor übrigens großartig gesungenen) „Halleluja“ hätte schließen können. Nicht berechtigt erschienen uns die Einschränkungen im Orgelsatz, um so mehr als die Orgel für Schmidt besondere Bedeutung hat. Das kunstvolle Spiel vot) Josef Nebois hätte die barocke Gestaltung des Orgelparts gegenüber kräftigen und tiefen modernen Farben zurücktreten lassen müssen. Die einzelnen Solisten (Julius Patzak, Walter Berry, Wilma Lipp, Christa Ludwig, Fritz Wunderlich und Stefan Kosso) wirkten stilistisch etwas ungleich. Als

Einzelpersönlichkeit ragte besonders Wilma Lipp hervor.

Im Großen Sendesaal des Wiener Rundfunks kam der bei uns fast unbekannte Virgilio M o r t a r i mit einem Arioso und einer Toccata, : „La strage degli innocenti" (Das Gemetzel der Unschuldigen), zu Worte. Ein "effektvolles, vollklingendes, dreigliedriges Fünfzehnminutenwerk. Mor- tari, Jahrgang 1902, aus der Nähe Mailands gebürtig, hat, als Gefährte der Alfano und Pizetti, das Bestreben, barocke und moderne Elemente mit den Naturlauten der Landschaften zu vermählen. Das Klavierkonzert in Es von Beethoven war in den Tempi nicht immer glücklich. Dem Solisten Hans Kann lag die Brillanz näher als der Ausdruck. Die Wiener Symphoniker unter Hans Sw arto wslcy zeigten erst bei Ravels „Rhapsodie espagnole“ (die freilich teilweise etwas zu rasch taktiert wurde) und besonders bei den Orchestervariationen op. 26 von Boris Blacher ihr oft gerühmtes Können bei der Darstellung durchsichtigen Satzes.

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