6755125-1967_43_12.jpg
Digital In Arbeit

Krieg um Israel—Reportage und Essay

Werbung
Werbung
Werbung

DAVID UND GOLIATH. Von Ernst Trost. Molden-Verlar. 56 Selten. S 98 - - ANATOMIE EINES SIEGES. Von György Sebestyen. Zsolnay-Verlag. 06 Selten. S 79.-.

Die fast täglichen Zwischenfälle am Suezkanal und in Jordanien beweisen es: der Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn ist noch lange nicht zu Ende, der Kampf um eine endgültige Regelung hat sich nur vom Schlachtfeld aufs diplomatische Parkett verlagert. Und doch gehört der „Blitzkrieg" von fünf Tagen schon fast der Geschichte an. Die hochgehenden Wogen der Emotionen pro und kontra Israel sind verebbt, zurück bleibt die Frage, wie es Israel gelungen ist, diesen überlegenen Sieg über Ägypten, Syrien und Jordanien zu erringen, wie die zweieinhalb Millionen Israelis in der kurzen Geschichte ihres Staates nach 1948 und 1956 die Kraft zu einem dritten Waffengang aufbrachten. Zwei renommierte österreichische Verlage brachten fast gleichzeitig Bücher zum Thema Israel heraus; zwei Berichterstatter waren im Frühsommer nach Tel Aviv geflogen, um an Ort und Stelle das Geschehen, die Vorbereitungen und den Verlauf des Krieges zu schildern; zwei grundverschiedene Bücher zum selben Thema waren das Resultat des verlegerischen Wettrennens.

Ernst Trost, der Anfang Mai im Auftrag der „Kronen-Zeitung" in den Nahen Osten aufgebrochen war, wurde im Panzerkrieg auf Sinai verwundet, als er inmitten einer israelischen Kolonne auf eine Mine auffuhr. Noch im Spital begann er sein Buch „David und Goliath" zu schreiben. Nach einem kurzen Rückblick auf die Staatsgründung des vom ersten Tag an von den Arabern bekämpften Staates und einer Charakteristik der Hauptakteure des Konflikts gibt Trost einen eindringlichen Stimmungsbericht aus der Hauptstadt, in der die Unruhe und Spannung angesichts der sich steigernden Kriegspropaganda der Araber und des zähen, aber vergeblichen Verhandeins der Diplomaten Tag für Tag wächst. Den größten Teil des Buches nimmt jedoch die Darstellung der eigentlichen „Schlacht um Israel" ein — der Luftkampf mit der blitzartigen Zerstörung der ägyptischen Luftwaffe, die Durchbruchsschlacht auf Sinai bis zum Suezkanal, die Eroberung der Altstadt Jerusalems, das Vordringen zum Jordan sowie die Kämpfe an der syrischen Front. Aus Gesprächen mit Fallschirmjägern, Panzerfahrern, Offizieren, aus eigenen Erlebnissen und Kriegslageberichten formt Trost eine spannend geschriebene Kriegsreportage, voller technischer Details und strategischtaktischer Informationen. Immer wieder wird dabei deutlich, worin die Überlegenheit der israelischen Armee bestand — in der hochentwickelten Technisierung, der dadurch nötigen spezialisierten Ausbildung, vor allem aber im schonungslosen Einsatz und der Entschlossenheit, das eigene Land um jeden Preis zu verteidigen. Um Objektivität bemüht, macht Trost dennoch zu jedem Zeitpunkt deutlich, wem seine Sympathien gehören. Sein Buch ist

eine spannend geschriebene Kriegsreportage, Stenogramm eines aufregenden Kapitels Weltgeschichte, das ein gutes Drehbuch für einen Dokumentarfilm über den Fünftagekrieg abgäbe.

Auf ganz anderer Ebene behandelt György Sebestyen dasselbe Thema. Der aus Ungarn gebürtige Schriftsteller drängt den reinen Kriegsbericht, die Schilderung des militärischen Geschehens auf wenige Seiten zusammen. Der Stil des Kriegsberichterstatters, der überall den „heißen Atemzug der Weltgeschichte" spürt, liegt ihm nicht. Kühnen Metaphern und Allegorien geht er aus dem Weg, die nüchterne Beschreibung einer Elendshütte im Flüchtlingslager sagt mehr über das Flüchtlingsproblem als lange Abhandlungen über die völkerrechtlichen Aspekte der Frage. Sebestyeh spürt dem „jüdischen Traum" von der Rückkehr ins Land der Väter in der Geschichte nach, seiner langsamen Verwandlung von der Utopie zur Realität, einer Realität, die für die arabische Umwelt zum „Trauma" geworden ist: das „europäische" Israel mit seiner urbanisierten, industrialisierten, demokratisierten Gesellschaft inmitten einer agrarischen, feudal-patriarchalischen Sozialstruktur, in der das „pseudomarxistische" Vokabular der politischen Führung künstlich aufgepfropft wirkt. Diese historisch-soziologischen, ethnisch-psychologischen Überlegungen gehen weit über die

Vordergründigkeit von Schlachtenschilderungen hinaus, sie entlarven die gängigen Klischees von den „tüchtigen" Israelis und den „feigen, faulen" Arabern und reduzieren die militärisch-strategischen Fragestellungen auf die tieferliegende Problematik eines Staates, der zwar die organische Entwicklung einer jahrhundertealten Idee darstellt, dessen Realität jedoch inmitten einer andersstrukturierten Gesellschaft künstlich bleibt. Die Überlegenheit Israels liegt nach Sebestyen nicht im größeren Militärpotential, sondern in der technisierten, industrialisierten Lebensform des jungen Staates und der Entschlossenheit der Israelis, ihren Staat, der kein Produkt der Geschichte, sondern das Resultat eines bewußten Willensaktes ist, zu verteidigen. Für Israel ergibt sich daraus das Dilemma, sich entweder seiner Umgebung in einem Prozeß der langsamen „Levantinisierung" anzupassen oder weiterhin als „quasi-exterritoriales" Gebilde ein Fremdkörper, im besten Fall ein die umgebenden Staaten zur Entwicklung stimulierender Fremdkörper im Nahen Osten zu bleiben.

Das Buch Sebestyens, das sich nicht nur in den Fragestellungen, sondern auch im Stil von der Reportage Trosts abhebt, ist somit weniger die „Anatomie eines Sieges" als die zum Nachdenken anregende Analyse der Hintergründe eines Konflikts, der, wie die Dinge liegen, noch lange zu den politischen Unruheherden dieser Weltgegend gehören wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung