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Krieg und Musik — eine irritierende Beziehung

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SAls Krzysztof Penderecki für ein Orchesterwerk einen griffigen Titel suchte, kam er - der Kompositionstalent mit Publikumswirksamkeit verband -auf „Threnos, gewidmet den Opfern von Hiroshima”. Selten, daß die Musik für Frieden warb - auch wenn es „Rock gegen Rechts” und „Pop for Peace” gibt und Pete Seeger „Where have all the flowers gone” ersann.

Auch wenn Hanns Eisler musikalisch gegen Krieg und Faschismus agitierte - „Friedenstage” in der Musik wie jene gleichnamige 1938 von Richard Strauss komponierte Oper - müßten sich den Vorwurf der Unglaub-würdigkeit gefallen lassen. Zwar gibt es die pianistische Trauerklage Leos Janäceks „1. 12.1905”, das „Concerto funebre” des Karl Amadeus Hartmann, 1940 uraufgeführt, die La-menti und Trauergesänge - aber das Thema Musik als Friedenskunst ist eher mit dem Wolf im Schafspelz zu vergleichen.

Musik ist weder ein „Beitrag zum

Frieden” (Yehudi Menuhin) noch dürfen sich jene „Friedenskämpfer nennen, die über Musik reden” (Wolf Biermann). Es mußte nicht erst Baidur von Schirach kommen, um in „Mozarts Namen die Jungen zum Krieg zu rufen”, und es brauchte kein autoritäres Begime, um die Musik als strategisches Hilfsmittel zu mißbrauchen.

Krieg auf der Bühne ist ein wirksames Mittel der Dramaturgie, fast möchte man sagen, ein unverzichtbares: In „Cosi fan tutte” ist der Krieg der Vorwand für die beiden Brüder, die Treue ihrer Verlobten zu erproben. „Aida” bietet im Triumphmarsch den effektvollsten Aufzug von erfolgreichen Kriegern im Öpernrepertoire, ohne den Krieg gegen die Juden gäbe es keinen „Gefangenenchor” in Verdis „Nabucco”, der Klang von Kanonenkugeln ist Glanzpunkt in Johann Strauß' „Explosionspolka”, Kriegsmusik ist Haydns „Militärsymphonie”, die Hoch- und Deutschmeister, ursprünglich eine Begimentskapelle, gehören zu den unverzichtbaren Bestandteilen jedes Kurkonzerts, Carl Michael Ziehrer träumte den „Traum eines österreichischen Beservisten”

und Franz Liszt „Die Hunnenschlacht”. Beethoven in „Wellingtons Sieg” und Tschaikowsky in der „Ouvertüre 1812” zeigen, daß sich die Musik gern auf die Seite der Sieger schlägt oder doch zumindest heldenhaft - De-bussys „Beceuse heroique” - sein will. Die „Eroica” hat Beethoven letztlich einem Helden, wenn schon nicht Napoleon, gewidmet.

Krieg ist musikalisch fruchtbar

Auch die Sprache der Musik kommt nicht ohne kriegerische Begriffe aus: Die musikalische Avantgarde kämpft mit „Pauken und Trompeten” eine Komponistenvorhut voran, mit Tschinellen und Fanfaren, die Tonika beherrscht die Dominante, schwächere Klänge müssen sich den stärkeren unterordnen, Arnold Schönberg monierte die Vorherrschaft der deutschen Musik für die nächsten 100 Jahre.

Krieg ist musikalisch fruchtbar: Dmitri Schostakowitsch reagierte auf den Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion mit der

Siebenten Symphonie und nannte ihn eine „Blütezeit”.

Die Wiener Musikhochschule wurde 1812 gegründet, gerade als Österreich von den Franzosen „gedemütigt, geschlagen, besetzt, gelähmt” war (Ernst Tittel) und „das heiße Vaterlandsgefühl ließ nicht nur einen Liederfrühling erstehen”, sondern führte zur Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, die wiederum ein Konservatorium, heute Musikhochschule initiierten. Ihre Geschichte beginnt mit „Der Gewalt der Musik - das Alexanderfest” von Georg Friedrich Händel.

Wodurch wird der Krieg zum Thema für die Musik? Sind es nur die Menschen, die die göttlichste der Künste für kriegerische Zwecke benützen?

In einem emphatischen Brief an Alma Mahler aus dem Jahr 1914 schreibt Arnold Schönberg über die Musik der Montenegriner: „Diese Musik War eine Kriegserklärung, ein Überfall auf Deutschland. Jetzt kommt die Abrechnung - sie sollen den deutschen Geist verehren und den deutschen Gott anbeten lernen.”

Seit Wagners Walkürenritt, seitdem Beethovens Neunte Symphonie Kriegsgesang der Japaner im Zweiten Weltkrieg wurde, scheint der Kriegsgott ein deutscher zu sein, sein Opfer ist die deutsche symphonische Musik, sein Priester der deutsche Dirigent: „Im Kapellmeister sind die Mächte verkörpert, vor denen kein Volk sich neigt wie das deutsche: Musik und Befehlsgewalt. Aber nur in Deutschland wird aus Vertretern eines Metiers eine Kaste von Auserwählten gemacht”, schreibt Klaus Pringsheim, der Schwager von Thomas Mann, 1930 in der Berliner „Weltbühne”.

So ist die Friedlichkeit der Komponisten in der Gegenwart, die den Fetisch der deutschen symphonischen Musik nicht mehr anbeten, glaubhafter als früher: Mauricio Kagel, deutsch-argentinischer Komponist, machte „Zehn Märsche, um den Krieg zu verlieren”, Otto M. Zykan reimte „Akts-Tackts-Habts-Packts-musik”, Bernd Alois Zimmermann stellte in seinem gleichnamigen Werk Soldaten auf die Opernbühne, die nichts mehr von Geordnetheit und Diszipliniertheit an sich haben.

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