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Krone und Stern

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Die verfeindeten .Brüder haben sich versöhnt. Der Kommandant Achille Lauro und der Professor Alfredo Covelli, der eine bisher Führer der „Volksmonarchisten”, der andere der ..nationalen Monarchisten”, haben den Akt der Wiedervereinigung vollzogen. Die jahrelang geschwungene Streitaxt wurde endlich begraben. Zwei eigenwillige Männer, die ihr Ziel der Alleinherrschaft innerhalb der Partei doch nicht erreichten, zogen den Schlußstrich unter ihre vergeblich hervorwuchernden Ambitionen und resignierten. So hatte es auch der in der Verbannung in Portugal lebende letzte König von Italien gewollt. Wenn auch selbst politisch einflußlos, einte er die Hüter glorreicher Vergangenheit und verankerte die Erinnerung neu in den Herzen der Getreuen.

Eine gewisse Feierlichkeit umgab den Akt der Wiederversöhnung der beiden durch persönliche Willkürakte ihrer führenden Männer auseinandergerissenen Zwergparteien. Ein Trinkspruch wurde zwischen den Exponenten Lauro und Covelli getauscht. Der perlende Sekt entstammte dem edlen Wachstum „Riserva Principe di Piemonte”, galt also den einstigen Thronfolgern. Der Aeltere, Achille Lauro, tat ein übriges, um das Sinnbildliche der Handlung hervorzukehren: er netzte die Stirn seines einstigen Gegners mit dem Savoyersekt, um den neuen Weg friedlicher und werbender Zusammenarbeit öffentlich kundzutun. Covelli schien ehrlich gerührt und umarmte lange den Kommandanten.

Der Vorgang wie überhaupt das endliche Sichwiederfinden zweier doch für das gleiche Ziel politisch fechtender Gruppen erscheint auf den ersten Blick unerheblich. Denn die einst schon vor der nur knapp 50 Prozent überschreitenden Stimmen für die Beseitigung der Monarchie abgehaltene Volksbefragung (1946) hatte über ihr Los entschieden. Die italienische Bevölkerung gewöhnte sich bald an ihre neue Staatsform und schien weder Muße noch Neigung zu besitzen, um die Rückkehr der Savoyer zu wünschen. Zudem: dem langlebigen Vater des letzten Königs, Victor Emanuel III., glaubte sie Faschismus, Krieg, Niederlage und Rückkehr Italiens zum ehemaligen „geographischen Begriff” zu verdanken, aus dem sie nur Selbstvertrauen und Anspannung aller Kräfte zu retten vermochte.

Wozu also eine monarchistische Partei, wozu gar, durch persönliches Machtstreben der beiden Exponenten hervorgerufen, zwei sich bekämpfende Gruppen, die das ehrliche Streben ihrer Anhänger ins Lächerliche zu ziehen drohte? Diesem Bruderzwist verdankte der bei vielen Italienern zu Staatsauffassung, ja Gesinnung verdichtete, gleichsam unpolitische Monarchismus den Abfall mancher Wähler bei den Maiwahlen 195 8„ der die beiden Gruppen auf 13 und 11 Kammerdeputierte zurückfallen ließ. Heute sind es also 24 Abgeordnete.

Wesentlicher aber ist ein anderes: Das politische Ziel, nämlich mit dem Wahlzettel für eine mächtige, die Rückkehr der Savoyer auf den Thron Italiens erstrebende Partei zu kämpfen, stark genug, um die notwendige

Erster Mai — einst und heute

„Die Soldaten sind in Bereitschaft, die Tore der Häuser werden geschlossen, in den Wohnungen wird Proviant vorbereitet wie vor einer Belagerung, die Geschäfte sind verödet, Frauen und Kinder wagen sich nicht auf die Gasse, auf allen Gemütern lastet der Druck einer schweren Sorge. Das ist die Physiognomie unserer Stadt am Festtag der Arbeiter.” So schilderte das größte bürgerliche Blatt, die „Neue Freie Presse”, am Morgen des 1. Mai 1890 die Weltuntergangsstimmung des Wiener Bürgertums. Der ungeheure Machtapparat des Staates verharrte an diesem Tag angsterstarrt in Bereitschaft. Doch der mit so viel Angst und Spannung erwartete 1. Mai des Jahres 1890 verlief in Ruhe und ohne die geringste Störung. Diszipliniert demonstrierten die österreichischen Arbeiter und Angestellten für ihre Forderungen nach dem Achtstundentag und nach dem allgemeinen Wahlrecht und bestanden damit erfolgreich ihre erste große Kraftprobe. Von diesem Maitag im Jahre 1890 führt ein direkter Weg zu den Maitagen des Jahres 1907, an denen die ersten Wahlen zum österreichischen Volksparlament stattfanden.

Durch ihren Zusammenschluß in den gewerkschaftlichen Organisationen und nachdem sie das allgemeine Wahlrecht durchgesetzt hatten, haben die arbeitenden Menschen den Staat zu freiheitlichem und fortschrittlichem Willen durchdrungen. Sie haben ihn aus der Rolle, nur Polizei- und Ordnungsstaat zu sein, herausgeführt und ihm neue gesellschaftliche Aufgaben zugewiesen: für die wirtschaftliche und soziale Sicherheit aller Staatsbürger zu sorgen und allen Begabten unseres Volkes die Wege zur Bildung zu erschließen.

Heute wehen, wenn der 1. Mai gefeiert wird, in den meisten Ländern neben den Fahnen der Gewerkschaftsbewegung die Flaggen des Staates. In vielen Ländern — auch in Oesterreich — ist der 1. Mai Staatsfeiertag geworden. Er ist nicht mehr bloß Demonstrationstag der Arbeiter, sondern ein Feiertag des Volkes!

Verfassungsänderung auf friedlichem Wege zu erreichen, ist nunmehr offenkundig in den Hintergrund gedrängt. An die Stelle mehr als zwölfjähriger Wirklichkeitsfremdheit ist politischer Kampfwille getreten, welcher der Partei mit ihren 24 Abgeordneten und 8 Senatoren den Charakter einer auf dem Boden der Verfassung stehenden demokratischen Rech t s- partei verleiht. Künftig wird diese neue Gruppe dicht neben der kleinen Liberalen Partei sitzen und den bis gestern unbedeutenden, ja fehlenden Rechtsflügel bilden, der in jedem Bereich, besonders dem sozialen, mit den anderen demokratischen Parteien, an der Spitze der Christlich-demokratischen, zum allgemeinen Nutzen wetteifern will. In der Namensgebung der umgegründeten Partei, die sich von nun an Partito Democratico nennen und deren Herkunft und Sinngebung nur noch im jetzigen Symbol des Sterns Italiens und der Krone der Savoyer („Stella e Corona”) zum Ausdruck kommen wird, ist die neue politisch aktive Tendenz gekennzeichnet.

Der Alterspräsident Achille Lauro fand für die neugewonnene Ausrichtung der Partei die folgenden Worte: „Die neue demokratische Rechte ist ins Leben getreten. Mit diesem Entschluß erfüllen wir ein Erfordernis der parteipolitischen Gliederung Italiens … Ich kann darüber nur meine volle Befriedigung aus- drücken. Diese Genugtuung wird alle ergreifen und uns die Vergangenheit vergessen lassen. Kämpfen wir nunmehr, angesichts der besseren Möglichkeiten, vereint im Partito Democratico Italiano!”

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