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Kühe haben ausgedient

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Osterreichs EU-Landwirte sind frustriert. Ihr Milchgeld ist 'längst sauer - und ihre Kühe sind auch beleidigt, weil 40 Prozent der Kinder meinen, sie hätten ein lila Fell. Zenz und Mirli blicken betrübt muhend in eine ungewisse Zukunft. Doch sage niemand, daß der innovative Geist des Alpenvolks nicht auf Ausweg sinnt. Es müssen nicht bloß Bio-Erdäpfel für den Feinkostladen Europas sein. Auch das Vieh ist nicht mehr das Vieh von gestern.

Das Vieh-Abenteuer hat viel exotischere Dimensionen. Ausgerechnet im Nationalpark Hohe Tauern, wo die erhaltenswerte Natur so viel behördlichen Schutz genießt, haben die Schützer der alpinen Optik nicht daran gedacht, daß auch das Vieh die gewohnten Blicke verfremden kann. Statt der Kühe weiden nämlich in Bramberg riesige Laufvögel. Es sind Strauße aus Namibia, die sich im 4.000 Quadratmeter weitläufigen Gehege recht behaglich das Pinzgauer Gras schmecken lassen. Und damit den afrikanischen Gastvögeln die alpine Umwelt nicht gar zifun-gewohnt oder langweilig wird, gesellen sich zu ihnen auch noch ein paar Zebras, Lamas und Alpakas.

Ökonomisch sind diese Tiere keineswegs landwirtschaftliche Vogel-Strauß-Politik. Ein Strauß ist, wie ihr Besitzer Johann Leo weiß, ein gutes Geschäft. Ein besseres jedenfalls als die Binderhaltung. Ein zuchtreifer Strauß wird um 60.000 bis 80.000 Schilling gehandelt, ein junger Strauß kostet 14.000 bis 35.000 Schilling. Feinschmecker schätzen das fettarme Fleisch des Biesen-vogels, der bis zu 160 Kilogramm schwer wird und 35 Kilogramm Gustostückerln abwirft.

In ihrem familiären Verhalten entsprechen die Strauße durchaus den emanzipatorischen Modellen moderner Gesellschaftspolitik. Der Mann - der Hahn - nämlich sorgt für Brutpflege und Aufzucht der Jungen. Er hat dafür jedoch zwei Hennen im Verband, die ihm die erwähnten kostbaren Eier legen.

An Neugier und Geselligkeit nehmen es die Strauße leicht mit den Kühen auf. Außer in der Brunftzeit, in der sie unleidlich oder gar gefährlich sein können, sind sie ihrem Farmer und auch zudringlichen Besuchern recht zahm und untertan. Den Sand, in dem sie bei Gefahr ihren Kopf vergraben, vermissen sie im Pinzgau nicht, denn Feinde haben sie hier nicht zu fürchten. Das Klima des Nationalparks behagt ihnen sichtlich. Im Winter haben sie einen Stall mit Auslauf.

An den Anblick eines Vogels Strauß, der statt durch Wüstensand und Steppe durch den Schnee stapft, werden sich Bewohner und Gäste von Bramberg noch zu gewöhnen haben.

Es sind ja keineswegs nur Tier- und Safariparks, in denen in Österreich

der gefiederte Kuh-Ersatz sonst noch stolziert. Von bisher 80 Straußen-Züchtern in Österreich weiß der Nationalpark-Farmer. Dem EU-Beitritt vorauseilend hat sich die landwirtschaftliche Innovation schon seit 1992 verbreitet. Auch bis vor die Tore der Bundeshauptstadt, in der es bereits einen spezialisierten Schlachthof für diese Tiere gibt. Das Wiener Straußenschnitzel bereichert die Tafel der Feinspitze. Freilich ist zu befürchten, daß bei weiterer Entwicklung des Straußen-Booms die Preise verfallen könnten.

Wenn erst die Sennerinnen die Kuhglocken den Straußen umhängen, wird der Almabtrieb in Österreich ein völlig neues Bild zeigen. So ohne weiters sollten die Großvögel aber nicht von der Süßwarenindustrie lila eingefärbt werden, auch wenn der Bramberger Bauer zufällig Leo heißt. Denn Milch geben die Tiere keine. Die kommt weiterhin aus der Molkerei. Und die importiert sie dann vermutlich aus Afrika. Womit das globale Dorf sich über die Energiestraßen wesentlich erweitert.

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