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Künstler sind stets in Frage gestellt

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Spannungen atmend zu verarbeiten, sei wichtig für Künstler, so Professor Damisch in einem Gespräch über Kunst und Kunstausbildung.

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Spannungen atmend zu verarbeiten, sei wichtig für Künstler, so Professor Damisch in einem Gespräch über Kunst und Kunstausbildung.

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DIEFIIRCHE: Interessieren einen Künstler noch die Werke, die er vor zehn Jahren gemacht hat'

Gunter Damisch: Natürlich, es ist wie mit Kindern, man will wissen, ob es den Werken noch gut geht, ob sie noch Verbindung mit einem haben ... Sammler helfen einem dabei, denn sie übernehmen etwas von der Fürsorge für die Kunstwerke. Frühere Werke sagen wie eine abgestreifte Schlangenhaut etwas über den Künstler aus, auch darüber wie er heute ist.

Diefürche: Wie sind Sie zur bildenden Kunst, zur Malerei gekommen' DAMISCH: In meiner Familie wurde Musik gehört, Literatur gelesen und irgendwann habe ich selbst versucht, meine Gedanken und Empfindungen künstlerisch auszudrücken, zunächst musikalisch oder verbal. So ab 14, 15 Jahren habe ich mich dann vor allem mit der bildenden Kunst beschäftigt. Dieser Peil meines Lebens wurde immer wichtiger, und so war es ganz organisch, mich für ein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu entscheiden.

Diefürche: Hatten Ihre Eltern Einwände dagegen?

Damisch: Meine Eltern schätzten künstlerische Leistungen sehr. Gleichzeitig waren sie, beide Dentisten, voll der bürgerlichen Skepsis gegenüber den Berufsaussichten eines bildenden Künstlers. Für mich war die Übersiedlung nach Linz mit 14 Jahren sehr einschneidend. Ich habe dort Konzerte, Theater, Kinos besucht und viele interessante Ausstellungen gesehen. Mit dem Studium in Wien setzte ich mein „Verstädterungsprogramm” fort. An der Akademie habe ich die Graphikklasse von Maximilian Melcher besucht, damals habe ich vor allem mit Lithographie, Holzschnitt, Zeichnung, Badierung gearbeitet.

Diefürche: War Professor Melcher der richtige Lehrer für Sie? damisch: Ja, sehr sogar, bei ihm gab es keine Verschulung, sondern eher ein anarchisches System: Man mußte selbst Fragen stellen, dann bekam man auch Antworten - aber die Fragen mußte man selbst stellen. Und dieses System schützt davor, sich nur hinter erlernbaren Techniken zu verstecken. So würde man nur ein guter Handwerker, aber kein Künstler. Als Künstler muß man zuerst seine Fragen haben, dann findet man auch die adäquaten Mittel, sie auszudrücken.

Diefürche: Was bedeutet ßr Sie die Farbe?

Damisch: Durch die Farben erhält ein Kuntwerk noch ganz andere Dimensionen, es entsteht eine zusätzliche Dynamik. Ich habe auch immer mit Farbe gearbeitet. Als ich an der Akademie war, hatte ich das Glück, daß die Malerei damals wieder aktueller wurde, eine emotionellere, „erdigere” Phase in der Kunst. Es geht darum, nie das Kind in sich zu verlieren. Spannungen zwischen zwei Polen setzen künstlerische Kräfte frei und man braucht eine gewisse Naivität, um sich in solch unentschiedenen Situationen nicht ganz verloren vorzukommen. Aber es bringt größere Lebendigkeit,wenn man diese Spannungskräfte atmend verarbeitet.

DiefÜRCHE: Wie kamen die ersten Ausstellungen?

Damisch: Ich hatte schon während des Studiums Kontakte mit Galerien und habe zunächst auch Jobs bei Galerien angenommen, in Filmen mitgearbeitet. Diese praktischen Erfahrungen fördere ich auch bei meinen Studenten. Meine Arbeiten konnten sich bald verkaufen. Durch Ausstellungen in Italien, Deutschland, der Schweiz, Frankreich habe ich internationale Kontakte, die bis heute halten. Das verschafft eine gewisse Unabhängigkeit. Wichtig ist, was über einen Künstler und seine Arbeit gedacht wird. Das Lob eines älteren Kollegen oder eines klugen Sammlers vermögen viel auszurichten.

Diefürche: Geben Sie das auch an die Studenten weiter?

Damisch: Natürlich. Wichtig ist mir, daß ich meine Studenten als Menschen mit ihren individuellen Möglichkeiten wahrnehme und daß ich als Professor einen Ort, ein Budget, ein Potential of fenhalte, das von den Studierenden genutzt werden kann. Sie sollen Raum und Zeit für ihre Entwicklung haben und zu ihren Fragen kommen. Wenn es mir möglich ist, gebe ich Antworten oder verweise auf andere, die vielleicht bessere Antworten haben.

Diefürche: Nach dem gleichzeitigen Abgang der Professoren Hundertwasser, Brauer, Mikl, Hollegha, Lehmden ist an der Akademie eine neue Professorengeneration angetreten. Was macht ein Schüler Arik Brauers bei einem sehr anders ausgerichteten neuen Lehrer? damisch: Zum Künstlersein gehört, dauernd in Frage gestellt zu sein. Die Studenten müssen auf solche Veränderungen reagieren - entweder nehmen sie die Herausforderung an oder sie erleben Einbrüche. Mißlingen, Katastrophen haben große Künstler oft erst zu dem gemacht, was sie waren. Wenn ich heuer bei den Aufnahmeprüfungen besonders viele Kandidaten abgelehnt habe, macht mir das überhaupt keinen Spaß, aber jemanden nur aus Menschenfreundlichkeit aufzunehmen, ist ja erst recht gemein. Für die acht verschiedenen Klassen sind an die 300 Bewerber angetreten, 50 davon wurden aufgenommen.

Diefurche: Sind Sie skeptisch, was die Zukunft dieser Jungen betriff? damisch: Wenn sie Wandel und Veränderung in Kauf nehmen, wenn sie geistige Beweglichkeit, Empfindsamkeit und die Fähigkeit zu arbeiten entwickeln, dann sehe ich für sie keine schlechte Zukunft.

Diefurche: Begrüßen Sie den Generationenwechsel an der Akademie? Damisch: Natürlich müssen die Veränderungen erst verdaut werden. Wieder wurde auch das System der Meisterschulen diskutiert, ebenso die Berufung von Künstlern als Professoren auf Lebenszeit.

DiefURCHE: Wie sehen Sie das? damisch: Bis 68 zu unterrichten, kann ganz schön aushöhlen - aber man kann ja auch früher zurücktreten. Das System der Gastprofessoren ist für die Wahrnehmung der Verantwortung, für das Klima insgesamt nicht so günstig. Ich wäre für eine Vertragsdauer von zehn oder zwölf Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit. Das Meisterschulprinzip ist dann gut, wenn die „Meister” für eine Vielfalt stehen und nicht Klone ihrer eigenen Auffassungen hervorbringen wollen. Auch ein Meister kann heute nur mehr „primus inter pares” sein, Assistenten und Studierende sind ja auch Künstler. Eine stärkere Verschulung des Akademiestudiums halte ich hingegen für ungünstig.

DiefüRCHE: Das Meisterschulprinzip ist ja auch durch manche Lehrenden in Verruf gekommen ... Damisch: Daß Hundertwasser den Großteil des Jahres in Neuseeland verbringen wird, hat man vorher allseits gewußt, und wenn er seinen Studenten Kassetten zugeschickt hat mit seinen Ausführungen, dann können nur diese selbst beurteilen, ob das für sie weiterführend war oder nicht

DiefURCHE: Woran arbeiten Sie derzeit damisch: Es sind immer mehrere Projekte gleichzeitig in Arbeit, die nächsten Ausstellungen werden in Luxem-bourg, Paris und Born sein. Eben habe ich für die Münzgrabenkirche in Graz eine Serie von sieben großen Glasfenstern gemacht - das war sehr spannend, denn durch eine neue Technik wirken die Fenster auch nach außen, als Elemente innerhalb der Fassade. Es sind keine religiösen Darstellungen im engeren Sinn, aber der Sakralraum ermöglicht eine bestimmte Art von Konzentration und Kontemplation. Weiters entwerfe ich für das Stift Herzogenburg gerade eine Wandgemälde aus Glas, das für eine moderne Kapelle bestimmt ist. In den letzten Jahren habe ich auch viel plastisch gearbeitet.

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