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Künstlerschicksale — Künstlerleben

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...MIT Y. Von Wilhelm Thöuy. Leykam-Verlag, Graz, 195 Seiten, 20 Illustrationen. Preis 114 S. — AMADEO MODIGLIANI. Von Andre Salmon. Diogenes-Verlag, Zürich. 191 Seiten, illustriert. Preis 19.90 sFr. — MALER DES EWIGEN. Band II. Von Walter N i g g. Artemis-Verlag, Zürich. 490 Seiten, 46 Abb. Preis 26.50 sFr. - MEIN VATER AUGUSTE RENOIR. Von Jean Renoir. Piper-Verlag, München. 413 Seiten, 32 Abb. Preis 19.80 DM. — GOYA. Eine Bildbiograpkie. Von Vyvyan Holland. Kindler-Verlag, München. 143 Seiten, 128 Abb. Preis 15.80 DM. — GRÜNEWALD. Von Arpad Weixlgärtner. Schroll-Verlag, Wien. 140 Seiten, 114 Bilder, davon 6 farbige. Preis 145 S.

Wilhelm Thönys „... mit y“ sind die leicht dahin geplauderten Lebenserinnerungen und Essays des bekannten Grazer Malers, dessen Hauptwerke in New York beim Brand eines Lagerhauses so tragisch vernichtet wurden. Hier zeichnet er mit ebenso graziler Hand wie mit der Tuschfeder Stationen seines Lebensweges — die Grazer Jugend, München und Schwabing, Paris und New York — nach und schildert jene Begegnungen, die vor allem auch au* der Welt des Theaters, des Varietes stark auf ihn wirkten: Crock. Karl Valentin, Sacha Guitry. Manchmal verdichten sich die Erinnerungen zu gelungenen kleinen Essays, die dann am stärksten werden, wenn er einem künstlerisch bereits geformten Ereignis, einer Künstlerpersönlichkeit entgegentritt. Ein leichter Hauch von Wehmut und Ironie hüllt diese Plaudereien ein und gibt ihnen den Charme jener verlorenen, unwiederbringlich dahingegangenen Zeit, in der Wilhelm Thöny Urban und mit einem starken Anflug von Weltbürgertum leben konnte.

Das romantische Schicksal des Livorne-ter Malers Amadeo Modigliani, der in Paris lebte und starb, hat bereits öfter Anlaß zu romanhaften Biographien und in jüngster Zeit sogar zu dem höchsten Ruhm, den ein Künstler heute ernten kann, einen Film, gegeben. Seine Schönheit und seine Malerei faszinierten die Zeitgenossen gleichermaßen. Andre Salmon setzt ihm in dieser, in der Sammlung „Atelier“ des Diogenes-Verlages erschienenen Publikation emeut ein etwas überschwengliches Denkmal. Die Lord-Byron-Gestalt des sich selbst zerstörenden Künstlers, dessen Werk noch einer gerechten Einschätzung harrt, seine Ausschweifungen, seine Krankheit und der Selbstmord seiner Geliebten bieten dazu genügend Anlaß. Wertvoll wird das sehr eindrucksvolle Buch erst durch einen Aufsatz der Tochter des Künstlers Uber die Familie des Malers, seine lugend in Italien, durch die Briefe und Gedichte Modiglianis und die große Anzahl von zeitgenössischen Photos und Dokumenten, die eine wilde, fruchtbare und schöne Zeit des Montmartre illustrieren.

Walter N i g g. der protestantische Schriftsteller, bekannt geworden durch seine Bücher, „Große Heilige“, „Vom Geheimnis der Mönche“ und das „Buch der Ketzer“, die über die Grenzen der Konfession hinaus die Suche nach dem Göttlichen zum Gegenstand hatten, legt nach dem ersten Band der „Maler des Ewigen“, der mit einem gewissen Recht Grunewald, Michelangelo, El Greco und

Rembrandt gewidmet war, den zweiten vor. Der Autor, ein sehr gemäßigter Freund der Moderne und gewohnt, das Künstlerische vom Literarischen her zu betrachten, gerät dabei in die Fallstricke seiner eigenen Interpretation des „Ewigen“ und der „geoffenbarten“ Schönheit.

Wie anders wäre es sonst zu erklären, daß dieses Buch in unglaublicher Naivität eine Gestalt wie van Gogh neben immerhin noch Rouault, Barlach und Chagall stellt, aber auch neben Käthe Kollwitz, und schließlich künstlerisch so unbekannte und unbedeutende, ja dilettantische Maler, wie Heinrich Altherr, Albert Servaes und Willy Fries? Hier zeigen sich nicht nur geschmackliche und künstlerische, sondern auch geistige Diskrepanzen, die den Wunsch aufkommen lassen, daß bei allem guten Willen dieser Band nie geschrieben worden wäre. Dieses Buch setzt eher der Lauterkeit der Gesinnung als dem Kunstverstand seines Autors ein Denkmal.

Ein bezauberndes und großartiges Denkmal ist hingegen Jean Renoir, dem berühmten französischen Filmregisseur, in den Erinnerungen an seinen noch berühmteren Vater, dem Maler Auguste Renoir, gelungen. Ein an und für sich undramatisches Leben — bis auf die letzten Jahre der schweren, bitteren Krankheit — wird hier in Anekdoten, Gesprächen und Berichten als die Manifestation einer großen und reichen künstlerischen Persönlichkeit lebendig, die durch die Kunst und für die Kunst lebte. Dies ist mehr als das Bild eines großen Mannes; es ist das Porträt eines kraftvollen Menschen, der in die Gnade des Schöpferischen eingeboren war. Heiter, bewegend und ergreifend atmet es den Geist eines Genius, für den es nur eine schicksalshafte Erfüllung, gab: bis zum letzten Atemzug zu malen.

Der faszinierenden Erscheinung Francisco Goyas, den man mit gewissen Vorbehalten einen Beethoven der Malerei nennen könnte, so merkwürdige Parallelen sind vorhanden, einem Genie, das voll in der Dramatik und Spannung seiner Zeit lebte und sie in leuchtenden und düsterdämonischen Bildern mit der ganzen Zerrissenheit seiner bereits modernen Seele verklärte, ist die Bildbibliographie des Kindler-Verlages gewidmet. Vyvyan Holland, der Sohn Oscar Wildes, erzählt unpathetisch und sachlich an Hand der Illustrationen das Leben des Malers, der einem dunklen Kometen gleich den Himmel des 19. Jahrhunderts durchfurchte, als düsterer Prophet von Dingen, die kommen sollten, und als unvergängliche Spur menschlichen Ingeniums.

Arpad Weixlgärtners Grünewald-Buch ist ein bedeutendes Denkmal des 1961 in hohem Alter verstorbenen Wiener Kunsthistorikers, der die beste Tradition der einst in dieser Stadt bestehenden Schule der Kunstwissenschaft fortführte. Persönlichkeiten, wie Alois Riegl, Julius von Schlosser, Max Dvorak und Hans Tietze, umgaben zeitlich den Gelehrten. In ihm vereinigte sich das Beste von ihrer Sachlichkeit, Gelehrsamkeit, Einfühlung und unpathetischer Haltung. Um die Gestalt des Meisters Mathis Neithardt, später Gorhardt von Aschaffenburg, genannt „Grünewald“, geht seit gar nicht allzu

langer Zeit einer der liebenswürdigsten und doch beharrlichsten Streite der deutschen Gelehrtenwelt. Entdeckt wurde dieser Maler so recht eigentlich durch Huysmans, den Franzosen flämischer Abkunft, der in „La Bas“ und in seinen Essays vor der Jahrhundertwende dem wilden, mystischen Expressionismus des Künstlers huldigte. In Deutschland, in dem gleichsam Dürer als Maler herrschte, folgte man erst viel später nach. Steht heute die nationale Bedeutung Grünewalds außer Frage, so ist seine Weltgeltung noch keineswegs geklärt. Weixlgärtners Werk ist durch seine Unbestechlichkeit und Nüchternheit die hervorragendste Deutung, die die neuesten Zuschreibungen ebenso kritisch sichtet wie den verbürgten Bestand. Es ist ein Markstein der traditionellen Kunstwissenschaft, die vom Rand her heute immer mehr und mehr in subjektive und willkürliche lyrische Interpretationen aufgelöst wird.

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