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Kulinarisches fur Brecht-Experten

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Die Entstehungszeit des Lustspiels „Mann ist. Mann“ fällt zusammen mit der ernstlichen Hinwendung Bertolt Brechts zum Marxismus. Das Werk gilt als frühes Lehrstück gegen den Kollektivismus: der Packer Galy Gay, der ausging, um einen Fisch zu kaufen, wird Zug um Zug vom Kleinbürger in eine „menschliche Kampfmaschine“ verwandelt. Das ist eindeutig gegen das Kollektiv gerichtet, in dem der Packer schließlich aufgeht. Und dennoch zeigt dieses Stück bereits die Gespaltenheit zwischen Ideologie und natürlicher Sittlichkeit, in der Brechts Leben verllet und an der er litt. Denn bald nach der Entstehung des Lustspiels schreibt der Autor (1927) in seiner Vorrede, der Packer Galy Gay, Opfer einer ungeheuren Manipu-pulation, sei gar kein Schwächling, „im Gegenteil, er ist der Stärkste..., er wird erst in der Masse stark“. Und ein paar Jahre später (1931) läßt Brecht bei der Berliner Aufführung die beiden Schlußszenen weg, die den ummontierten Galy Gay als menschliche Kampfmaschine, in abschrek-kender Weise für den Imperalismus kämpfend, zeigen. So ist das ursprünglich als Warnstück gedachte Werk beinahe zu einem Loblied auf das Kollektiv geworden. Brecht erweist sich damit einmal mehr als ein Mensch, dessen Wesen Antinomie war, wie F. Th. Csokor vor Jahren einmal in der „Furche“ schrieb.

Heute wirkt die grimmige Satire auf die Manipulierbarkeit des Menschen, als welche „Mann ist Mann“ gerne gesehen wird, keineswegs emotional packend. Die Tendenz würde zweifer'os deutlicher, hätte der Regisseur Hermann Treusch (Hannover) eine „Konkretisierung“ der Fabel angestrebt. 'Das wäre nicht schwer gewesen, zumal sich außer Hitler- und Ulbricht-Deutschland noch eine Reihe aktueller Konkre-tisierungsnVglichkeiten anbieten. Treusch scheute offensichtlich — und mit Recht — vor plumpen Holzhammermethoden zurück. Er gab bei dieser österreichischen Erstaufführung im Grazer Schauspielhaus bewußt eine sehr exakte, von Sachkenntnis zeugende Demonstration dessen, was man unter Brechts epischem Stil zu bezeichnen pflegt. Von der vorbildlich kühlen und klaren Dekoration Joachim Sreubels angefangen über das gestische Ritual, die Verfremdung des Sprechtons, der die Textschichten bloßzulegen hat, die aus Stummfilm und Zirkus bezogene clownhafte Komik, in der selbst vage Reminiszenzen an Karl Valentin nicht fehlen durften, bis zur stilechit exekutierten Technik der Songs war so ziemlich alles da, was das „Kleine Orangon“ und andere theoretische Schriften des Meisters vorschreiben. Der Kenner saß gebannt und auch belustigt im Parkett und ließ diese Führung durch das Theatermuseum — kulinarisch genießend — gerne über sich ergehen. Rudolf Buczolich (Galy Gay) und Harald Harth (Uria) sind exzellente Brecht-Spieler, einige andere Darsteller kamen gut, manche wieder nur mühselig mit.

Von der Neuinszenierung der Oper „Hoffmanns Erzählungen“ durch Hans Jaray als Gast hatte man sich viel erwartet. Nun — die Inszenierung vermied zumindest recht geschickt die üblichen Klischees. Aber man wurde das Gefühl nicht los, daß hier ein Regisseur so ziemlich alles, was ihm in vielen Jahren zum Thema „Hoffmanns Erzählungen“ eingefallen war, in drei Stunden an den Mann bringen wollte. Es gab effektvolle Aktschlüsse und auch sonst eine Reihe guter Einfälle, aber es war eben von allem zuviel, und das Viele war nicht immer geschmackvoll. Dagegen begeisterte der musikalische Anteil durchwegs (Dirigent Bruno Amaducci): Temperament, Feuer und Präzision vom Anfang bis zum Schluß, und — was kaum zu erhoffen war — ein Hoffmann mit prächtigem Tenorglanz und eindringlichem Spiel (Jose M. Perez). Von den Dekorationen Skalickis gefiel am besten das blaugrüne Gespinst aus Markusplatz-Gotik im Venedig-Akt und am wenigsten die staubige Friedhofsszenerie bei Crespels.

Im Studio-Keller der „Spielvögel“ gab es wieder einen interessanten, aber viel zu langen Abend. — Fünf Stücke, davon eine Uraufführung, zwei österreichische und eine deutschsprachige Erstaufführung: fünf Grotesken mit zeitkritischem Drall. In Rene de Obaldias „Pfeffer aus Cayenne“ findet sich absurder Witz bester Provenienz, der sich aus dem Kabarettstil manchmal zu rarer Poesie steigert und zu dem Resultat kommt, daß außerhalb Cayennes — rundherum — das riesige Zuchthaus „Welt“ liegt. Eine Szene von dem austriazisierten Tschechen Jon Rys mit einem überlangen Titel bringt in wehmütiger, fast tragischer Groteske die innere Leere und den ganzen Jammer kaugummikauender Jugend auf die kleine Bühne; „Ars longa vita brems“ von John Arden und M. d'Arcy nimmt militärische Spinnerei und verzopfte Pädagogik in erheiternder, aber weitschweifiger Weise aufs Korn. Kafkas „Bericht für eine Akademie“ gibt dem jungen Werner Steinmaßl Gelegenheit, mimische Gewandtheit und Intelligenz als Affendarsteller zu beweisen; aus Dänemark kommt eine langatmige Clownszene „Jawohl, Herr Direktor“ von Finn Methliwsr, die etwa in der Art Priestleys, nur bedeutend schwächer, gegen die Kommerz- und Managerwelt zu Felde zieht. Viel bemühte Leistung und gute Regiearbeit (von Ingo Wampera und Herbert Platzer).

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