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Kultur ist eine verwundbare Quelle

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Francesca Habsburg über ihre Projekte zur Rettung von gefährdetem Kulturgut in Ost- und Mitteleuropa und die Restaurationen in Dubrovnik.

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Francesca Habsburg über ihre Projekte zur Rettung von gefährdetem Kulturgut in Ost- und Mitteleuropa und die Restaurationen in Dubrovnik.

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dieFurche: Sie werden von den Medien ununterbrochen mit Society in Vtr-bindung gebracht Wie sehen Sie das?

Francesca Habsburg: Ich weiß nicht, was das heißt. Ich habe Projekte, die Leute zusammenbringen. Und diese haben meistens mit Kunst und Kultur zu tun. Ich denke, die Leute sind daran interessiert, was ich mache. Ich sehe aber nicht ein, weshalb mich das zu einer Society-Lady macht. Ich bringe Society-Ladies nicht mit einem Beruf zusammen. Aber ich denke die Zeitungen müssen etwas schreiben.

dieFurche: Sie haben die „Arch-Foundation " (siehe Kasten) gegründet und mit zahlreichen Ausstellungen große Erfolge erzielt Wxs war eigentlich der Anlaß für Sie, diese Foundation zu gründen?

Habsburg: Ich war mit meinem Vater in der Sowjetunion. Ich lernte das enorme Interesse der Bevölkerung an ihrer Kultur kennen. Die Menschen sind dort mit ihrer Kultur vielmehr verbunden als im Westen. Es gibt dort nicht die Mittel, Kunstschätze zu bewahren oder instandzuhatten. Dort war man ja während des Kalten Krieges ziemlich abgeschnitten. Restaurierungstechniken fehlten. Das ist eine Wissenschaft. Nicht daß man das dort nicht will, aber es ist eine Frage der Mittel.

Und Kultur ist selbst eine Quelle, aber sie ist sehr verwundbar, sie verschwindet sehr schnell. Mir wurde sehr schnell bewußt, was Kultur für die Menschen dort bedeutet, für die einfachen Leute. Ihre Kirche, in die sie wieder gehen können.

dieFurche: Ist das Bewahren von Kunstschätzen vielleicht auch so etwas wie die Bewahrung der Identität eines Volkes?

Habsburg: Absolut. Das ist auch ein Grund, weshalb ich die Foundation gegründet habe. Als der Krieg in Jugoslawien begann, wollten die Kroaten ihre Unabhängigkeit. Ich verstand sofort, obwohl ich vorher nie in Jugoslawien war, was für eine enorme Identität die Kroaten haben. Und diese ist keine Italienische, keine des Balkans, nicht Slawisch, sie ist Kroatisch. Ich glaube es war meine Pflicht, mich um ihr kulturelles Erbe zu kümmern.

dieFurche: Sie waren in Dubrovnik Weshalb sind Sie dorthin gegangen?

Habsburg: Ich traf einen Kroaten in Lugano, der erzählte mir, daß die Kirchen bombadiert werden. Aufgrund meiner Erfahrung wußte ich, was das für die Menschen dort bedeutet. Ich konnte es nicht glauben. All die Nachrichten waren so konfus. Ich wollte es selbst sehen. Ich trat in Kontakt mit dem Kulturministerium und die sagten mir: Helfen Sie, helfen Sie. Ich wollte es wirklich sehen.

dieFurche: Hatten Sie keine Angst, als sie selbst dort waren?

Habsburg : Nie.

dieFurche: Ich hätte mich das nicht getraut War es nicht sehr gefährlich?

Habsburg: Ich glaube am gefährlichsten war es in der ersten Zeit, als die Serben im Land waren. Di'e waren sehr unberechenbar. Niemand wußte wie der Krieg weitergehen würde. ( Nach einiger Zeit reduzierte sich das Kampfgeschehen auf die Front. Aber das war am Anfang des Krieges nicht der Fall. Daß wir auch an die Front gingen war wieder eine andere Frage.

dieFurche: Wie war es eigentlich möglich, Gemälde in dieser Stadt zu restaurieren?

Habsburg: Wir installierten ein Studio im Franziskaner-Kloster, richteten es nach dem neuesten Stand der Technik ein und begannen das Projekt. Mit den besten Restauratoren und fünf Leuten aus Kroatien. Wir wurden nur zweimal evakuiert.

dieFurche: Hätten die Gemälde nicht auch anderswo restauriert werden können?

Habsburg: Die Gemälde konnten nicht transportiert werden, sie waren zu zerbrechlich.

dieFurche: Weshalb wurden Ihrer Meinung nach ausgerechnet Kirchen, Denkmäler und Kulturgüter zerstört?

Habsburg: Ethnische Säuberung. Kulturelles Erbe ist der Beweis, daß da einmal jemand gelebt hat. Man kann keine ethnische Säuberung durchführen ohne die Kultur zu zerstören, weil sie die Spuren des Volkes zeigt.

dieFurche: Wie waren die Reaktionen darauf?

Habsrurg: Im Westen sagte man, ich hätte mich besser um die AVaisen kümmern sollen. Kunst wurde eher als Luxus angesehen, wenn man nichts zu essen hat oder kein Dach über den Kopf. Man fragte mich, wie ich der Kunst den Vorzug geben konnte. Doch die Menschen in Kroatien haben der Kultur den Vorzug gegeben. Die Menschen dort suchen ihre Identität, und umso mehr ihre katholischen Städte.

dieFurche: Gibt es bereits Pläne für weitere Projekte?

Habsburg: Wir haben noch immer ein sehr erfolgreiches Projekt in Dubrovnik laufen. Aber wir brauchen noch immer Geld. Wir planen auch noch ein Projekt in Hildesheim bei Hannover, wawir einen Pavillon für Restaurationsarbeiten installieren.

dieFurche: Weshalb ausgerechnet in Hildesheim?

Habsburg: Weil Wirtschaft in unserem Leben so ein wichtiger Faktor geworden ist und das Thema der Expo 2000 ist. Ich respektiere das, glaube aber, daß es sehr wichtig ist, Kulturgut zu bewahren. Ich erzähle ihnen eine kleine Anekdote: Stellen sie sich die Indianer im Regenwald vor, die nie ein Gebäude gesehen haben. Die können sich nicht denken, daß ihre Bäume irgendwo aufhören. Und eines Tages kommen die Bulldozer und zerstören die Bäume. Als die Serben Dubrovnik zu zerstören begannen, fühlte ich wie ein Indianer. Ich bin ein Kulturmensch, ich gehe in Museen, viel ins Theater, in die Oper. Ich bin mir immer bewußt, wie reich diese Welt ist. Aber wenn man über diese Grenzen hinausblickt, sieht man daß etwas anderes passiert. Ich fühlte, daß meine europäische Kultur zerstört wurde. Mein Land, in dem ich lebe, und das ist Europa - nicht nur Österreich - wurde zerstört. Sehen sie die Parallele?

dieFurche: Ja, aber was hat das mit der Expo zu tun?

Habsburg: Ich glaube die Expo ist ein Ort, wo man zeigen kann, daß Kultur nicht nur ein Zusatz ist, an dem sich jeder erfreuen kann, sondern etwas, das nicht immer da sein wird, wenn wir uns nicht darum kümmern. Ich will nicht, daß Kultur etwas für Eliten ist. Man muß darin investieren, sonst wird sie verschwinden. Die meisten von uns haben kulturelle Bilder im Kopf, und da unterscheiden wir auch die verschiedenen Völker. Auch ohne Kunstsammler zu sein.

dieFurche: Könnten Sic sich vielleicht vorstellen, so etwas wie Filialen in verschiedenen Ländern einzurichten?

Habsburg: Nein, ich will keine Büros. Je mehr Leute man hat, desto mehr Bürokratie braucht man und umso mehr glauben die Leute, daß man das Geld für sich selbst verwendet.

dieFurche: Und wie soll ihr Projekt in Hildesheim dann aussehen?

Habsburg: Es soll zeitgenössische Kunst mit Bestauration kombinieren. Georg Baselitz zum Beispiel möchte etwas für Sarajewo machen, Immen-dorf für China. Man braucht Champions. Es ist Teil unseres Projekts, sie für unsere Restaurationsprojekte zu gewinnen.

dieFurche: Es muß doch ziemlich schwierig sein, so wichtige Künstler für so umfangreiche Projekte zu gewinnen Wie gehen Sie dabei vor?

Habsbubg: Es ist wie bei einem Heiratsinstitut, man braucht nur die richtigen Leute zusammenzubringen. Ich kann das sehr gut. So können wir Fortschritte machen.

Das Gespräch führte Susanne Zobl.

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