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Kunst muß unter die Leute
In der gesamten Wiener Galerie-Szene herrscht Ungewißheit und Unbehagen seit die Wiener Galerie Würthle kürzlich ihre Schließung publik machte. Kunstfreunde sprechen von einem Ausverkauf der Kunst! Soll die innere Stadt zur kunstfreien Zone erklärt werden? Ernst Hilger, Präsident des Galeristenverbandes: „Es ist schlimm, was hier passiert. Jede Galerie, die die Bolläden dicht machen muß, ist um eine zuviel. Dennoch hat die Misere ein Gutes: Endlich wird offen darüber gesprochen! Kollegen, die seit Beginn der neunziger Jahre mit Problemen zu kämpfen hatten, sind nun plötzlich durch das neue Mietrecht in einer Situation, die nicht zu lösen ist.
Früher hatte eine Galerie eben strategische Partner, hat beispielsweise einen stillen Finanzier hereingenommen. In dem Moment, in dem dies heute eine Galerie versucht, hat der Hausinhaber das Recht, die Miete zu erhöhen. Damit sind dem Galeriebesitzer die Hände gebunden! Ich persönlich bin aber dagegen, daß wir nun Mietzuschüsse für Galerien fordern. Meiner Meinung nach ist das neue Mietrecht absurd. Ich bin dafür, daß man neu verhandeln müßte, daß gewisse Obergrenzen geschaffen werden sollten, die sich nach dem Firmenumsatz richten müßten. Umsatzmieten sind ja auch in der Shopping City Süd gang und gäbe.
Außerdem wäre es sinnvoll, eine Liste der Dinge zu erstellen, die für eine Stadt lebensnotwendig sind. Dazu gehört eben nicht nur die Greißlerei sondern auch die Kulturlandschaft.
Touristen kommen nicht wegen der großen Einkaufszentren nach Wien, sondern wollen in den Boutiquen stöbern, sich in den Antiquitätengeschäften, Buchläden, Souvenirshops und Galerien umsehen. All diese Einrichtungen müssen bleiben, sonst stirbt die Stadt aus. Wien ist doch bekannt für seine kleinen Gassen, die winzigen Geschäfte, das pulsierende Leben. Dazu gehört auch die zeitgenössische Kunst. Dafür sind geeignete Räumlichkeiten vonnöten; unter hundert Quadratmetern ist dies so gut wie unmöglich.
Natürlich ist daher gerade für Hausherren die Auflösung von Galerien äußerst interessant, denn aus diesen Räumen kann man große Büros machen und ordentlich daran verdienen! Wir dürfen uns nicht in die Außenbezirke verdrängen lassen, denn dort wären wir endgültig zum Sterben verurteilt. Hier in der Wiener
City ist genau der richtige Platz. Kunst ist etwa Zentrales, der Kunsthandel bietet Treffpunkte.
Ich erlebe es tagtäglich: Leute kommen, sehen sich um, informieren sich und kommunizieren. Kunst findet nicht im luftleeren Raum statt, und ich habe - und meinen Kollegen wird es nicht anders gehen - jährlich rund vier- bis fünfhundert Künstler, die bei mir ausstellen wollen. Wo sollen die denn hingehen, wenn es uns nicht mehr gibt? Kunst muß unter die Leu-1 te gebracht werden, und unter Sicherung der Vielfalt ist es eben der individuelle Galerist, der das tut. Nur der Galerist vertritt seine Künstler partnerschaftlich.
Auch Museen brauchen Galerien, die sie immer wieder auf Künstler aufmerksam machen. Mit dem neuen Mietrecht wir sind auf dem besten Wege, die Stadtkultur in Osterreich zu zerstören.
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