Kurze Texte Für Lange Sommer

Werbung
Werbung
Werbung

Ich weiß schon: Der Sommer ist für viele gerade jene Zeit, in der man sich mit Mehrerehundertseitenschmökern an den Strand oder Pool legen will und kann, um sich endlich, endlich aus der Welt hinauszulesen. Bis dahin dauert es aber doch noch eine lange Weile, und manche mögen vielleicht dicke Schmöker auch im Sommer nicht, sondern erfreuen sich lieber an kurzen Texten.

Es gibt aber kurze Texte, die längere Lesezeit beanspruchen als dicke Schmöker, zum Beispiel weil sie einem wie jene von Kafka oder Beckett vermeintlich sicheren Boden unter den Füßen wegziehen, sowohl den der Sprache als auch den der Realität. Zu einem Denkkauen laden David Albaharis Kürzesttexte ein. So sehr die Texte kurz sind, so sehr ist der Titel seines in diesem Frühjahr erschienenen Buches lang: "Die Kuh ist ein einsames Tier. Kurze Geschichten und dauerhafte Wahrheiten über Liebe, Traurigkeit und den ganzen Rest".

Reizvoll sind die darin auffindbaren Kleinode schon deswegen, weil man sie kaum nacherzählen kann bzw. weil jede Nacherzählung hier besonders augenscheinlich zur Miterzählung wird. Denn wenn irgendwo Lesende so richtig zu ihrem Recht als Autoren kommen, dann hier, mit diesen Texten über das Schweigen und Schreiben, über den Satz und die Erzählung, über Angst, Einsamkeit und Langeweile. Der Leser wird zum Autor, die Leserin zur Autorin: Das gilt selbst und gerade wenn die Texte nur aus ein paar Sätzen bestehen. Oder nur aus einem, wie etwa in der Prosaminiatur "Einsamkeit":"Manchmal, beim Gehen, begleiten einen viele Tiere."

Mystisch und postmodern

Der in Kanada lebende serbische Schriftsteller David Albahari ist jüdischer Herkunft, und man meint das seinen ebenso mystischen wie postmodernen Texten auch anzumerken. Als absurd und bizarr wurden seine Geschichten bezeichnet und Ilma Rakusa nannte ihn zu Recht einen subtilen Verfremdungs-und Überraschungskünstler.

Jeder einzelne Text spricht eine Einladung aus, Sprache und Gedanken wirken zu lassen. Und dann zu sehen und zu staunen, was damit passiert. Probieren Sie selbst, wie die Lektüre wirkt, zum Beispiel mit der Miniatur "Leser":

"Der Leser, der sich an einer Stelle im Buch verliert, findet sich, allerdings verändert, an einer anderen wieder. Er betrachtet sich lange in einem kleinen Spiegel, betastet den Schnurrbart, den er früher nicht hatte, streicht über das schulterlange Haar. Keine Frage, auch jetzt, außerhalb des Buches, fühlt er sich wohl. Das Buch liegt aufgeschlagen auf dem Tisch. Der Leser geht hin und klappt es zu. Als er dann wieder in den Spiegel schaut, sieht er darin nichts."

BOOKLET erscheint am 1. September 2011 Das nächste als Beilage in der FURCHE Nr. 35/11

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung