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Die Versuche, in Büchern Österreich zu erklären, reichen von bemühten Schmähs und der Tradierung altbekannter Klischees bis zu banalen, aber realen Fakten, warum Österreich für eine neue Generation von "Piefkes" so attraktiv ist.

Unabhängig davon, wie sein Team bei der "Euro 08" abschneidet, hat Österreich schon gewonnen. Die Europameisterschaft im Fußballspielen beschert den Gastgebern internationale Aufmerksamkeit, und die ist Gold wert in Zeiten, da Nationen sich als Marken verstehen und ihr Image nach außen kommunizieren müssen. Im Vergleich zur Breitenwirkung eines sportlichen Massenspektakels nimmt sich die Reichweite eines Sachbuches bescheiden aus. Dabei wird die landeskundliche Literatur über Österreich gerade im "verfreundeten" Ausland gern gelesen, vor allem wenn sie mit dem notorischen "Schmäh" unterfüttert ist. Wir wollen daher den Fußballbewerb zum Anlass nehmen für einen Streifzug durch aktuellere Publikationen zum Thema "Erklär mir Österreich" - so hieß ein Titel von Robert Menasse aus dem Jahr 2000 - und erkunden, welches Image sie transportieren.

Einem Pilz begegnen

Ein Schnitzel mit den Konturen Österreichs, in dem ein rotweißrotes Fähnchen steckt: Mit diesem scheinbar originellen Bild auf dem Cover werben gleich zwei Neuerscheinungen um Leser. Aber nur eine davon, Heinrich Steinfests "Gebrauchsanweisung für Österreich", löst das kulinarische Versprechen auch ein. Nicht nur weil ihr Autor "das erfreulichste Kapitel überhaupt" den Süßigkeiten widmet, von Schwedenbomben bis Powidltatschkerl, und den Wiener AIDA-Konditoreien ein seltenes Loblied singt, sondern weil sein Buch "wie selbstverständlich der Form des Strudels" folgt, jener Mehlspeise also, "die dank ihrer Machart perfekt für ein österreichisches Phänomen steht". Der in Australien geborene, in Stuttgart lebende österreichische Autor von Kriminalromanen hat einen langgezogenen, in sich verwickelten Text fabriziert, durchscheinend wie ein Strudelteig und gefüllt mit allerlei aphoristischen Leckerbissen von der Art: "Nach einem Pilz sollte man ohnehin nie suchen, sondern vielmehr ihm begegnen."

Welchem giftigen Schwammerl der bekennende Österreich-Flüchtling Walter Lendl in den Wäldern seiner Heimat begegnet ist, kann man indes nur raten. "Darum nerven Österreicher" heißt das ebenfalls schnitzelgedeckte Buch, dessen Sprache so plattgeklopft ist, wie der Titel befürchten lässt. "Auf den Wellen der Mobilfunkverbindungen reiten die Ösis in eine erfolgreiche Zukunft", mokiert Lendl sich über den wirtschaftlichen Aufschwung in seiner Heimat. Der im Grunde gar nicht sein dürfte, denn "der Österreicher" ist chronisch "entscheidungsschwach", es fehlt ihm an "Karrierestreben" und außerdem trägt er schwer am fatalen Erbe Habsburgs: "Das Versorgungsdenken hat noch eine weitere Wurzel: den Untertanengeist. Es fehlt an Eigeninitiative, denn diese war nie gefragt", diagnostiziert Lendl. Ein paar Seiten später folgt die Erklärung des vermeintlichen Widerspruchs: "Im Marketing sind sie verdammt gut, die Österreicher."

Der Kübel Hohn und Spott, den Lendl über Österreich ausgießt, ergibt eine Lacke, die dem Neusiedler See ähnlich sieht: lang und breit, aber nicht sehr tief und von Austrocknung bedroht. In der sportlichen Disziplin der Nestbeschmutzung - seit jeher eine österreichische Domäne - kann es halt nicht nur Spitzenathleten geben.

Überhaupt festigt sich nach dieser Lektüre ein Verdacht, der schon bei Andrea Maria Dusls "Die österreichische Oberfläche" (vgl. Furche Nr. 2/2008) aufkam: Dass der Schmäh österreichischer Autoren für eine zünftige Heimatschmähung nicht mehr ausreicht. Oder liegt es daran, dass ihre Heimat fast zwanzig Jahre nach 1989 und knapp fünfzehn nach dem EU-Beitritt nicht mehr genug Reibungsfläche bietet? Die "Insel der Glücklichen" blieb eben doch eine Insel: Brutstätte eigenartiger Spezies und mitunter ein Gefängnis.

Kurz und bündig

Nach alldem ist man richtig dankbar für ein unprätentiöses Buch wie das von Edgar M. Posch. Die 144 Texte von je einer Seite Umfang hat der Autor ursprünglich für einen Deutschkurs für Zuwanderer geschrieben. In einfacher, klarer Sprache vermitteln sie alles, was der gelernte Österreicher wissen muss, von der Geografie ("Land der Äcker") über die Geschichte ("Das Wunderteam") bis zur Verfassung ("Die Sozialpartnerschaft"). Auch die Bundesländer, mit den Schwerpunkten Wien und Niederösterreich, werden in ihren Besonderheiten vorgestellt.

Tipps fürs Land der Arbeit

Der wertvollste Beitrag zur Erklärung des gegenwärtigen Österreich stammt jedoch von einer Deutschen. Martina Meier ist vor einigen Jahren mit ihrer Familie nach Vorarlberg gezogen, weil ihr Mann, ein Maschinenbauer, dort eine neue Stelle gefunden hatte. Jetzt hat Frau Meier einen Ratgeber für andere verfasst, die es ihr nachtun wollen.

Sprachlich mag die Broschüre (Buch wäre zuviel gesagt) etwas unbeholfen wirken: Phrasen wie "in den 1990er Jahren des vergangenen Jahrhunderts" oder "die Zahlen gehen aus einer Berechnung des Verkehrsclubs hervor, der sie aufgrund von Eurostat-Daten errechnet hat" sind kein Aushängeschild für eine studierte Germanistin und frühere Leiterin einer Lokalredaktion im westfälischen Sauerland. Aber ihr Büchlein ist ein authentisches Zeugnis dafür, warum Österreich für eine neue Generation von "Piefkes" so attraktiv ist: aus denselben Gründen, die "Preußen" in Scharen nach München locken. Dort gibt es Arbeit inmitten erholsamer Umgebung, nur dass die Lebenshaltungskosten in Österreich derzeit noch niedriger sind als in der bayerischen Landeshauptstadt. Vor dem Hintergrund solch banaler, aber sehr realer Fakten erinnern die bemühten Schmähs der "Erklär mir Österreich"-Traktate an die byzantinische Literatur mit ihrer endlosen Variation derselben Topoi und Figuren.

Wer aber meint, dass Österreich sowieso nicht real ist, der sollte gleich zu Reinhard Pohankas alternativer Geschichte Österreichs greifen. In gut österreichischer Tradition - man denke an Musils Möglichkeitssinn - spielt Pohanka durch, wie es auch hätte sein können. Wenn Rudolf von Habsburg König Ottokar nicht besiegt hätte. Wenn Suleiman der Prächtige Wien erobert hätte. Wenn Gavrilo Princip danebengeschossen hätte. Wenn, wenn. Denn in Österreich ist vieles möglich. Nicht nur in der Vergangenheit: auch am 16. Juni 2008, im Ernst-Happel-Stadion.

Gebrauchsanweisung fÜr Österreich

Von Heinrich Steinfest

Piper Verlag, München 2008

178 Seiten, geb., € 13,30

Darum nerven Österreicher

Von Walter Lendl

Eichborn Verlag, Frankfurt 2007

220 Seiten, geb., € 13,40

Alles, was Sie über Österreich wissen müssen

Von Erich M. Posch

Ueberreuter Verlag, Wien 2008

173 Seiten, geb., € 14,95

Leben und Arbeiten in Österreich

Nützliche Tipps und wertvolle Informationen zu Aufenthaltsgenehmigung, Alltagsleben, Bildung, Arbeitssuche und Firmengründung, Immobilien (Miete / Kauf), Banken / Versicherung, und vieles mehr

Von Martina Meier

GD Gentlemen's Digest, Berlin 2007

186 Seiten, kart., € 29,80

Kein Denkmal für Maria Theresia

Eine alternative Geschichte Österreichs

Von Reinhard Pohanka

Leykam, Graz 2007

200 Seiten, geb., € 19,40

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