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Land und Schicksal einer Dichterin

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Schicksalsland. Der gesammelten Gedichte zweiter Teil. Von Paula von PreradovlL Herausgegeben von Ernst Molden auf Grund der noch von der Dichterin selbst vorgenommenen Planung und Reihung, österreichische Verlagsanstalt, Innsbruck 1952. 132 Seiten

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Schicksalsland. Der gesammelten Gedichte zweiter Teil. Von Paula von PreradovlL Herausgegeben von Ernst Molden auf Grund der noch von der Dichterin selbst vorgenommenen Planung und Reihung, österreichische Verlagsanstalt, Innsbruck 1952. 132 Seiten

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„Verlorene Heimat“ nannte die Dalmatinerin Paula von Preradovid den ersten Band der gesammelten Gedichte, „Shicksalsland" (sie meinte damit nah dem Untergang des großen Österreich das kleinere) den nunmehr nah ihrem Tode vorliegenden zweiten Band.

Und dies ist der Weg von der einen zum ändern. Am Anfang stehen „Die Sankt- Pöltner Sonette“, Erinnerungen an die Rindlheits- und Schulzeit bei den Englischen Fräulein, erfüllt von Dankbarkeit, Heimweh und erster seliger Ahnung der Sendung („An ein Mohnfeld aus Kinderzeit“). „Neue Heimat folgt, ein Eindringen und Hinein- wachsen in das Land und das Schicksal, mit Preiisliedem auf Mondsee und Bad Hall, Mürztal und den „Park von Mirabellen“, auf Melk und den Leopoldsberg, auf die „Heimat ohne Meer" und das „Land der Berge, Land am Strome". Ein Intermezzo in den Tiroler Bergen, „Lob Gottes im Gebirge“ (Kühtai 1934—1936), ist dem Meer der verlorenen Heimat am fernsten gerückt, aber es findet dafür in Gott und seiner Schöpfung, seinem Getier und seinem Blühen Rast und Geborgenheit:

„Liebevoll Waltender, Liebe Erweckender, Eier und Nester, Laich, Wurzel und Stein Brüderlich Schützender, wärmend Bedeckender,

Herr alles Lebens, wie gut mußt du sein." Hier stehen die herbschönen Lieder auf Zirbe und Wacholder, Wiese und Bexgsee und die „letzten Adler", und jener großartige, an „Mahomet erinnernde Zwiegesang des ruhenden Berges mit dem drängenden, tosenden Wasserfall, diesem ergreifenden Gleichnis für die selig-unselige Unrast der Dichterin selber:

„In das frühgeahnte, große Stürmen stimm ih stürzend ein:

Denn mir wird im Gottesschoße Ewigliches Leben sein."

Nur ein Herz, von solcher Gottnähe erfüllt, war dafür gerüstet, was der nächste Lebensabschnitt für die Dichterin und ihre Familie an Not und tausend Toden bereit hielt. „Gesang von der Zeit enthält das graue Großstadt- und Kriegserlebnis, gipfelnd in den düsteren Balladen der „Wiener Reimhromik" (1945), von denen „Der Dom", der in der Frühlingsshlaht fiel, shon heute zum österteihiishen Volkslied geworden ist. Doch endet, nah einem Wort Stefan

Georges, nacht mit dem Fluh der Sang. Die (sieben) „Elegien" sind wieder Aufschwung und Mahnung, ja die letzte, an die Jugend von Alpbah, spricht das tröstende Wort, das unserer von Angst und Schrecken erfüllten Zeit aus dem Munde seiner Dichter je geschenkt worden ist:

„Shlage das Herz euh getrost. Es ward euh das Erdreich zu eigen,

Wenn ihr das Gute nur suht, ihr Friedlichen, fürchtet euh nicht."

Nahezu 40 Jahre (von 1910 bis 1948) umfassen die Verse des „Shicksalsland“. Vor uns Erben breitet sich ein Leben der Sehnsucht und der Heimsuchung, ein barmherziges

Umfassen alles Leidenden und ein tiefes Deuten und Verstehen alles Lebenden — ein reiches Werk, das sieh in kühnem Bogen vom Volkslied zur Ballade, von der Hymne zur Elegie, vom Romantischen zum Klassischen spannt —, ein voller, warmer Ton, der in der österreichischen Lyrik der Gegenwart kaum seinesgleichen hat. Dr. Roman H e r 1 e •

Andrai und der Fisch. Roman aus der Zeit Jesu. Von Wilhelm Speyer. Kiepenheuer & Wdt6ch, Köln-Berlin, 316 Seiten.

Jeder Rezensent freut ßih, wenn er eine Neuerscheinung günstig besprechen und empfehlen kann. Diese Freude ist hier leider niht vergönnt. Die kaum mißverständliche Tendenz des Buhes, die Gestalt Je6U als kindisch und lächerlich, primitiv, ja dumm und sentimental hinzustellen und eie zu vermythologisieren: die unverkennbare Vorliebe für primitive, ja niht selten triviale und da und dort geradezu pornographische und perverse Schilderungen; eine zwar lebhafte Phantasie, die aber unfähig ist, die vielerlei Einfälle zu einem harmonischen Ganzen zu einen; die niht wenigen Anachronismen, in denen Gedankengänge, wie 6ie erst später möglih waren, und gewisse Ausdrücke in die Zeit Jesu zurückdatiert werden; eine unausgeglichene Sprahe, die zwar da und dort eine gewisse stilistische Begabung verrät, dann aber immer wieder ausshweift in ein bald intellektualisierendes, bald romantisierendes Pathos: eine letzte

Unverbindlihkeit, die eich auf eine endgültige Stellungnahme niht einläßt, als wäre jene Zeit ihrer niht wert: all dies — um von geringeren Einwänden zu schweigen — läßt von der Lektüre dieses Buches nur abraten.

Dr. Georg J. Strangfeld S. J.

Wenn die Erde bebt. Roman. Von Heinz Risse. Paul-List-Verlag. 376 Seiten.

Dieser Roman 6pielt in einer ungewissen Zukunft, die aber nicht utopisch dargestedlt wird, sondern genau so, als ob es unsere Zeit wäre. Nur eines: Es ist eine Epohe furhtbarer Erdbeben, Jahrzehnte hindurch. Daraus ergibt 6ih eine Lebensatmosphäre seelischer Spannung, die zur Entladung zwingt. Gedanken, Gefühle und Ängste, die in unserer Zeit shon da 6ind, aber für gewöhnlich stumm bleiben, brehen in Worte aus, was sonst gewissermaßen im „Unterbewußten" gärt und ringt, steht in jener Zukunft der täglichen Todesgefahr offen zur Diskussion: die Angst vor dem Leben, vor dem Tod, vor der Welt und vor Gott,

Der Form nah sind es Aufzeichnungen, und zwar von einem Mörder oder von einem Irrsinnigen verfaßt, der sih — je nachdem — in Untersuchungshaft befindet oder im Irrenhaus. Jedenfalls erwartet er 6einen Prozeß. Er hat 6eine Frau mit der Axt ermordet, ob wirklich oder nur in Gedanken, das erfährt man niht. Moralisch gesehen, ist es seine Tat. Nun schreibt er diesen Bericht, auf Veranlassung des „Professors", der seinen Geisteszustand überprüfen soll. Viele Jahre war er in einem großen Unternehmen in leitender Stellung tätig, er mähte zunähst Karriere, wurde aber später immer mehr in den Hintergrund gedrängt, weil er sih als Außenseiter erwies, der niht „mittat“. Zwar stand ihm der Direktor eher wohlwollend gegenüber, aber der Prokurist — 6ein Gegenspieler — legte ihn nah und nah lahm. Man erkennt die Verwandtschaft mit Franz Kafkas Roman „Der Prozeß". Die Analogie wird stellenweise so deutlich, daß anzunehmen ist, der Autor habe vom Anfang an den Plan verfolgt, ein Gegenstück zu jenem berühmten Werk zu gestalten. Risse arbeitet stilistisch auf einer anderen Ebene, im einzelnen niht ohne Sprachschnitzer, im ganzen aber gut. Sein Roman ist ein geshlossenes Werk, spannend und zum Nahdenken anregend

Edwin Hartl

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