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Lautlose Revolution

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„RÜCKKEHR ZUM MENSCHEN.“ Vom mechanistischen zum humanen WeltveKftäfidnis. V,o Flayi; w-Matron. Übersetzt von Älmnth Wülbefn. -Walker-Vertag; ■Ölten und Freiburg im Breisgau, 1969, 320 Seiten, DM 29.—.

„Schein des Himmelslichts“ wird mephistophelisch im „Faust“ die menschliche Vernunft genannt und es bleibt uns überlassen, die Ambi-guität des Ausdrucks nach Belieben aufzulösen. Doch, mögen wir auch zweifeln und verzweifeln an ihrer Vernünftigkeit, sie ist und sie bleibt das Licht der Welt. Und wie das Licht hat die Vernunft Wellennatur und Korpuskelnatur zugleich. Auf dem Wellenrücken der Ideen sich entfaltend, korrigiert sie sich doch immer wieder auch an der Wirklichkeit. Wir können nicht aufhören, dies zu hoffen und zu glauben. Den Glauben zu unterstützen, könnte man sagen,, sei das- Buch geeh*ieben wor-,: den, dessen Autor „Freund der Wissenschaften“, Philologe ist. “Off ftrM für Unbelesene! Das ist kein Fehler in unserer Zeit, in der es allmählich schwerfallen sollte, sich nicht an Intellektuelle zu wenden. Eineinhalbtausend Jahre war die Vernunft verschollen. Dann entdeckte sie sich selbst wieder am Ende des Mittelalters. Ihrer großen Erfolge in den Naturwissenschaften wegen, hielt sie sich wesensgleich mit der göttlichen Vernunft und imstande, schließlich die Welt im ganzen zu begreifen wie im Detail. Man brauchte, wie es schien, nur die von Descartes verkündete „Methode“ weiter anzuwenden und das kosmische Chaos würde sich immer mehr in die verständliche Riesenwerkstatt des göttlichen Handwerkers verwandeln. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis auch der menschliche Mechanismus sich zu Ende determinieren ließ. Mitleidigen Auges schildert der nach-moderne Wissenschaftler Mat-son Glanz und Elend des szientisti-schen Zeitalters. Schnörkel um Schnörkel bildet er den gewaltigen Goldrahmen der klassischen Epoche nach, und in seiner Mitte das großartige Selbstporträt des Menschen: Das Bild einer „großen Maschine“, beweglich, aber nicht lebendig. Eine Katastrophe, die niemand leugnen kann! Sie hat sich zuerst den Physikern angekündigt, noch tief im 19. Jahrhundert, mit Maxwells elektromagnetischer Theorie. Das war, als Darwin letzte Hand an das bereits vollendete Gebäude des Determinismus zu legen schien. Und sie wurde zur Gewißheit, als man strahlendes Material entdeckte. Freilich nur mit weltzeitlicher Langsamkeit drang ihre Kunde selbst in die Gehirne der Wissenschaftler vor. Matson will kein Pendant zu Spenglers „Untergang“ schreiben. Die Katastrophe der Wissenschaft ist gut. Weil es gut ist, wenn der zum Objekt erstarrte Mensch sich wieder auflöst um wieder „aus solchem Zeug wie ein Traum“ zu werden. Nun kann der Versuch, ihn als Subjekt zu begreifen, neu beginnen. Un-schärferelationen! Entropiefeindliches Leben! Komplementaritätsprinzip! — Das sind die von den modernen Physikern ausgegebenen Parolen, die die Katastrophe zu er-kären vermögen. Man muß sie entweder verstehen oder an sie glauben. Nur sie nicht beachten ist nicht möglich. An ihrer Wahrheit wird alles zu Schanden, was drei Jahrhunderte aufgerichtet. Der Weg, den Hobbes zu gehen begonnen und den sie ihm alle gefolgt sind: die Mathematiker, die Philosophen, die Politiker, die Soziologen, die Biologen, die Biha-vioristen, die Physiologen und Psychologen, er war ein Irrweg: Die Natur ist kein Uhrwerk und schon gar nicht der Mensch. Newtons Gleichungen haben bei beiden keine Geltung ie Materie* selbst, die so söKäe 'zu seih scheint, ist nur ein nWtfkmbs'' 'Kraftfeld. 'ÖieWcrfte* hatten recht gehabt und Goethe irrte nicht: Nicht von außen stieß Gott das All im Kreise, er bewegte sie vielmehr im Innern. Man braucht nur im Anhang das ein viertelhundert Seiten lange Literaturverzeichnis und das Namensregister zu lesen um zu wissen, daß bei aller Verständlichkeit und Klarheit seines Inhalts, dieses Buch ein wissenschaftliches und kein populärwissenschaftliches ist. Daher kämpft es auch nicht mit demagogischen Mitteln gegen das mechanistische für das humane Weltverständnis. Es verweist nur auf Tatsachen. Auf eine Tatsache: Der Materialismus ist tot!

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