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Gernot Friedel hat Egon Friedells Biografie literarisiert.

Egon Friedell ist eine schillernde, bis heute von Mythen und nachwirkenden (Selbst)Stilisierungen umrankte Gestalt und der biografische Roman ein schwieriges Genre. Der Leser fühlt sich den historischen Figuren allzu nahe, die Grenze zwischen recherchierter Historie und romanhafter Interpretation verschwimmt.

Der Regisseur und Filmemacher Gernot Friedel begegnet dieser Problematik mit einer filmischen Erzählweise. Die Perspektiven wechseln ebenso schnittartig wie Ort und Zeit der Handlung. Geschildert werden die sieben Tage vor Egon Friedells Sprung aus dem Fenster seiner Wohnung, mit dem er sich am 16. März 1938 der drohenden Verhaftung durch die SA entzog. Eingewoben sind Rückblenden auf Friedells Leben und die politischen Ereignisse, die zum Untergang der Ersten Republik führten. Viele der Begebenheiten sind Dorothea Zeemanns Erinnerungsband "Einübung in Katastrophen" entnommen und werden direkt aus ihrer Perspektive erzählt.

Er "sah aus wie ein mit der Elephantiasis behafteter Gymnasiast", so beschreibt Jakob Wassermann Egon Friedell alias Egyd Frauendorfer in seinem Roman "Laurids und die Seinen". Doch Wassermann zeichnet Friedell keineswegs - wie Gernot Friedel vermutet - als "bösartigen Privatgelehrten", vielmehr zeigt er die Hilflosigkeit des Intellektuellen im Umgang mit Gefühlen ebenso wie mit den (politischen) Realitäten des Alltags.

Auch Friedels Buch setzt aus den biografischen Elementen eine durchaus zwiespältige Figur zusammen. Da ist das frühe Verschwinden der Mutter, die Bekanntschaft mit dem Kreis um Peter Altenberg, die Friedells Leben "eine ganz bestimmte Richtung" gab, die Beziehung zu Lina Loos, die Arbeitsfreundschaften mit Alfred Polgar und Hans Sassmann, das Alkoholproblem, die verschiedenen Etappen seiner Karriere als Journalist, Schauspieler und Schriftsteller, die schrulligen Alltagsrituale eines Bonvivant und vieles mehr. Friedells Haushälterin Hermine tritt ebenso auf wie der Freund und spätere Nachlassverwalter Walther Schneider und viele Schriftstellerkollegen.

Zu Filmscript-Dialogen verdichtet Friedel die nächtlichen Szenen "in den schäbigen Schnapsbeiseln" (Zeemann), wo sich Friedell in diesen Märztagen 1938 verzweifelte Rededuelle mit den Gästen liefert, die sich zunehmend offener und aggressiver zum Nationalsozialismus bekennen und ihn, den Konvertiten, gnadenlos auf sein Judentum zurückwerfen. "Er fühlt sich irgendwie mitschuldig" am Aufstieg der Nationalsozialisten, heißt es an einer Stelle im Buch.

Tatsächlich stellt Friedells Werk mit dem Ecce-poeta Gestus den politischen Fatalitäten der Zeit wenig entgegen. Der Zynismus der intellektuellen Kaffeehausrunden mündete mitunter in eine Art politische Selbstausschaltung, die sich in fatalen "Abschiedsspielereien" verlor.

Die umfangreiche Zeittafel am Ende des Buches ist als Hintergrundinformation ebenso hilfreich wie das umfangreiche Bildmaterial. Auf Angabe seiner Quellen hat der Autor leider verzichtet.

Egon Friedell

Abschiedsspielereien

Romanbiographie von Gernot Friedel

Molden Verlag, Wien 2003

240 Seiten, geb., e 23,50

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