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Der Geist herrscht über die Materie

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Die menschliche Wirklichkeitsauffassung lebt oft in einem sehr engen Korsett. Es fällt uns schwer, die Illusionen unseres Bewußtseins zu hinterfragen und uns auf Neues einzulassen.

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Die menschliche Wirklichkeitsauffassung lebt oft in einem sehr engen Korsett. Es fällt uns schwer, die Illusionen unseres Bewußtseins zu hinterfragen und uns auf Neues einzulassen.

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Mit atemberaubenden Vorführungen des schier Unglaublichen fasziniert David Copperfield sein Publikum. In diese Faszination mischt sich für den einen oder anderen auch die Sehnsucht nach einer geheimnisvollen, uns nicht so einfach faßbaren Welt des Irrationalen, Magischen, an die wir einerseits glauben wollen, weil der Mensch sich eben immer schon nach Metaphysischem gesehnt hat und andererseits nicht glauben können, weil uns diese Phänomene doch zu paradox erscheinen.

David Copperfield behauptet von sich, ein Illusionist zu sein, also jemand, der etwas für wirklich vormacht, was nicht wirklich ist. Doch: „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ (Paul Watzlawick).

Wir sehen, wie ein Tisch sich auf der Bühne bewegt, wie Copperfield scheinbar schwerelos im Raum schwebt. Das sind hier zwar Tricks, trotzdem könnten gerade diese Phä- nome nach Gesetzen funktionieren, die uns noch nicht zur Gänze verständlich sind. Andere sind zwar schon erforscht, scheinen aber auch dem gebildeten Laien so unwirklich und so irrational’, daß er eher bereit ist, eine eng begrenzte naturwissenschaftliche Wahrheit anzuerkennen, als einen parapsychologischen „Zauber“ für wahr zu halten. Viele der uns bekannten physikalischen Gesetze lassen sich aber nicht durch Anschauung beweisen, sondern sind Produkte menschlicher Vernunft. Parapsychologie und Physik scheinen für uns zwei gegensätzliche Disziplinen zu sein, wobei wir uns in der Welt der vermeintlich „exakten“ Physik scheinbar sicherer bewegen.

Diese Wissenschaftsgläubigkeit verwundert nicht in einer Zeit, in der die Menschen das Staunen verlernt haben. Und doch bleibt uns, so wie allen Menschen vor uns ein metaphysisches Bedürfnis. Alle Wissenschaft hat ja ihren Anfang im Metaphysischen. Die mysteriösen Phänomene der Parapsychologie wie Telekinese (Bewegung von Gegenständen ohne sichtbar einwirkende physikalische Kraft), Levitation (die physikalisch nicht erklärbare Anhebung oder das Schweben eines Gegenstandes, einer Person), Fähigkeiten wie Telepathie und Präkognition (Vorauswissen) sind „Wunder“, weil sie in ihrer Wirksamkeit nicht gänzlich zu durchschauen sind und die letzten Zusammenhänge nur erahnt werden können. Dennoch kann man sie nicht, wie das oft noch geschieht, ins Reich der „Spinnerei“ verbannen, oder sie als „Hysterie“ abtun.

Schon die Erforschung der Atome hat uns gelehrt, daß Materie in Energie verwandelt werden kann. Neben Materie und Energie gibt es aber noch Strukturen der Information, die immer wieder auf die Grundfrage des menschlichen Geistes verweisen.

GEGENWART IST SCHON VORBEI

Wir wissen gerade noch, daß man Atome spalten kann. Mit unserem Schulwissen nehmen wir an, daß die im Atomkern enthaltenen Teile unteilbar sind. Längst haben aber Teilchenbeschleuniger diese Teile wie Protonen, Neutronen, Elektronen zerkleinert und innerhalb des Atoms gelten unsere Vorstellungen von Zeit, Raum, Materie und Kausalität nicht mehr. Um dies zu verstehen, braucht man allerdings ein fortgeschrittenes mathematisches Wissen und doch - die manchmal so verwirrenden Paradoxa der Physik lassen im Analogieschluß die so unglaublich wirkenden Phänomene der Parapsychologie nicht mehr ganz so unglaublich erscheinen.

Physiker haben heute einen ganz anderen Zeitbegriff als Wissenschaftler früherer Zeiten. Sir Fred Hoyle, renommierter Astronom hat dazu einmal die folgende Aussage getroffen: „Man klammert sich an eine groteske und absurde Illusion … die Vorstellung von der Zeit als ständig fließendem Strom … Dabei steht eines ziemlich fest: Die Vorstellung von der Zeit als stetiger Progression von der Vergangenheit in die Zukunft ist falsch. Ich weiß sehr wohl, daß wir subjektiv so denken. Aber wir sind einem Schwindel zum Opfer gefallen.“

Wenn wir also annehmen, daß unser Zeitbegriff Illusion ist — warum soll es da nicht möglich sein, zukünftige Ereignisse heute schon zu wissen? Zeitumkehr ist in der theoretischen Physik nicht mehr undenkbar, denn ein sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegender Körper ist zeitlich rückläufig. Physiker nehmen außerdem die Existenz sogenannter Tachyone an, das sind Teilchen, die sich schneller als Licht fortbewegen. Führt man diese Spekulation weiter, könnte man mit diesen Teilchen ein Kommunikationsnetz für mehrere Millionen Kilometer im All entfernt liegende Partnern aufbauen, bei dem die übermittelte Nachricht über ein soeben stattgefundenes Ereignis nicht nur früher beim Adressaten ankommt als abgesendet (da sie sich ja zeitlich rückbewegt), sondern bei dem die Antwort auf diese Nachricht den Absender schlußendlich sogar vor dem tatsächlichen Stattfmden des Ereignisses erreicht.

Vielleicht können diese Tachyonen niemals nachgewiesen werden. Dennoch sollten wir grundsätzlich für das Mysterium des Wunders, für das Unerklärbare aufgeschlossen bleiben. Der Mathematiker und Astronom Laplace hat schon vor mehr als zweihundert Jahren gesagt:

„Wir sind weit davon entfernt, alle Agenzien der Natur und ihre verschiedenen Aktionsweisen zu erkennen, daß es unphilosophisch wäre, Phänomene zu leugnen, einzig, weil sie bei dem gegenwärtigen Stand unserer Erkenntnisse unerklärlich sind. Nur müssen wir sie mit um so gewissenhafterer Aufmerksamkeit prüfen, so schwierig ihre Annahme scheint.“

Der am letzten Samstag verstorbene österreichische Philosoph, Sir Karl Popper, erkannte, daß eine metaphysische Position, obwohl sie nicht überprüfbar ist, dennoch mit rationalen Argumenten unterstützt oder kritisiert werden kann. Seine eigene realistische Argumentation hat er einmal so beschrieben: „Aus ihr spricht der metaphysische Glaube an das Bestehen von Gesetzmäßigkeiten in unserer Welt (den auch ich teile und ohne den praktisches Handeln kaum denkbar ist).“

24 Stunden Literatur

Dem Kälteeinbruch zum Trotz war das 24 Stunden Non-stop-Lesefest „Rund um die Burg“ auch diesmal wieder gut besucht. Heimische Autorenprominenz von Barbara Frischmuth über Reinhard P. Gruber, Peter Henisch, Peter Rosei bis zu Julian Schütting (um nur einige zu nennen) stellte ihre neuesten Texte vor. Schwerpunkt des Abends war der „Block des Burgtheaters“ (Bernd Birkhahn, Brigitta Furgler, Rudolf Melchiar, Robert Meyer, Adam Oest und Peter Wolfsberger), die Gedichte von Erich Fried und Ernst Jandl vortrugen. Nicht ganz klar wurde, ob der Applaus „nur“ der Veranstaltung (beziehungsweise den Vorlesern) oder auch den Texten galt.

HARALD KLAUHS

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