Homegirl - © Foto: iStock/VictorHuang

Eine Jugend am Rande der Gesellschaft

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Alex Wheatle verhandelt "weiße" und "schwarze" Identitäten in einem packenden Jugendroman.

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Alex Wheatle verhandelt "weiße" und "schwarze" Identitäten in einem packenden Jugendroman.

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Im deutschsprachigen Raum hat sich der britisch-jamaikanische Autor Alex Wheatle in den letzten Jahren vor allem mit seiner Crongton-Jugendbuchserie einen Namen gemacht. Dabei beeindruckte der in Brixton, London, aufgewachsene Künstler nicht nur durch seine feinfühlige Auseinandersetzung mit den jugendlichen Lebensrealitäten in einem fiktiven Großstadtviertel, dessen mehrheitlich „schwarze“ Einwohner mit sozialer Benachteiligung und Straßenkriminalität zu kämpfen haben.

Besondere Aufmerksamkeit erlangte vor allem sein innovativer, spielerischer Umgang mit Sprache: Um der Schnelllebigkeit von Alltagssprache entgegenzuwirken, erfindet Wheatle einen künstlichen Jugendslang, der zwar auf der Südlondoner Umgangssprache basiert, zugleich aber mit Elementen aus Hip-Hop und Dancehall Reggae, aus Hollywood-Klassikern und allerlei anderen populärkulturellen Anleihen angereichert wird – und den Conny Lösch gekonnt ins Deutsche überträgt.

„Schwarze“ und „weiße“ Identitäten

Der vierte Crongton-Roman „Home Girl“, der sich – ähnlich wie der dritte Band – an ein älteres Lesepublikum richtet, ist aus der Perspektive der 14-jährigen Naomi verfasst, die zu Beginn des Buches schon wieder in eine neue Pflegefamilie kommt. Bei den Goldings kann die rebellische Ich-Erzählerin, die auch vor ordentlichem Fluchen nicht zurückschreckt, jedoch erstmals wieder so etwas wie Zugehörigkeit empfinden – und das ausgerechnet in jener Familie mit jamaikanischen Wurzeln, in die sie laut Fürsorgesystem am wenigsten hineinpasst.

Dass ein „weißes“ Kind von einer „schwarzen“ Pflegefamilie aufgenommen wird, stößt aber nicht nur beim Sozialamt auf Irritationen. Insbesondere der jamaikanische Großvater ist alles andere als begeistert darüber, dass sein Sohn ein „weißes“ Mädchen unterstützt, wo doch so viele „schwarze“ Kinder seine Hilfe noch dringender brauchen würden. Und auch Naomis beste Freundin Kim, die in derselben Betreuungseinrichtung zur Schule geht, hat ihre eigenen Pläne für ihre Zukunft und die Rolle, die Naomi – die gar nicht so selbstbestimmt ist, wie sie zunächst auftritt – darin spielen soll.

Ohne plakativ zu werden, erzählt Wheatle, der selbst in einem Kinderheim aufgewachsen ist, von jugendlichen Figuren am Rande der Gesellschaft, die zu früh Verantwortung übernehmen mussten, und scheut sich nicht davor, die Verfehlungen von erwachsenen Bezugspersonen und sozialen Institutionen anzuklagen. Dank seiner flott getakteten Dialoge und seines spritzigen Erzähltons entsteht dabei eine einzigartige unterhaltsame und zugleich gesellschaftskritische Lektüre.

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