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Gespensterfilme

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Wir erleben zur Zeit in Wien eine wahre Überschwemmung von Spukfilmen. Es muß einmal ein ernstes Wort dazu gesagt werden.

Als vor schon bald zehn Jahren Ren£ Clairs „Gespenst auf Reisen“ auch zu uns kam, empfanden wir, daß ein künstlerischer Einfall mit filmischen Mitteln seine erfolgreiche Verwirklichung fand: Ein Amerikaner kauft ein Schloß in England, verschifft es in Kisten verpackt nach Amerika zur fröhlichen Auferstehung, und das Schloßgespenst geht freiwillig mit. Rene Clair hatte den Ehrgeiz, wie es nur im Film möglich ist, die Welt der Schatten in die reale Welt hinein wirken zu lassen, keine andere als eine künstlerische Idee leitete ihn. In etwas mag das für den neueren Film „M eine Frau, die Hexe“ gelten die in der Exposition der Handlung schon ihre Herkunft von dem ersten Gespensterfilm verrät: hier wie dort beginnt es mit dem Tod der späteren Spukgestalten und erinnert selbst in der Durchführung an den anderen Film. Nur daß das Gespenst sogar Fleisch und Blut wieder bekommt, aus der Hexe wird schließlich eine brave Frau und Mutter. Für den, der dem Film die künstlerische Seite abzugewinnen vermag, bieten beide gute Unterhaltung; es ist aber bekanntlich nicht jedermanns Sache, den amerikanischen Film in seiner Originalsprache zu genießen.

Vollkommen verfehlt ist die Handlung im „Urlaub vom Himmel“, in dem ein von einem ungeschickten Todesboten 50 Jahre vor seiner Zeit abgeholter junger Mann von dem Leiter der himmlischen Erntegesellschaft — sie sieht aus wie ein kommerzieller Betrieb — mit einem anderen Körper ausgestattet, den Rest der Lebenszeit, die das Schicksal — ach, was ist das eigentlich? — ihm zubilligt, weiterleben darf, selbstverständlich mit Happy End. Eine konstruierte Handlung, die der durchschnittliche Kinobesucher einfach als absurd empfindet und er hat recht damit. Nicht ganz so klar liegt es bei „W as morge'n gescha h“, ein Film, in dem ein ebenfalls vielversprechender junger Mann durch freundliche Vermittlung der Geisterwelt immer schon lesen kann, was morgen geschieht und daher ein außerordentlich tüchtiger junger Mann wird, bis er eines Tages in der Gespensterzeitung von seinem eigenen Tod ließt — aber es gibt natürlich auch ein Happy End. Wie verwirrend jedoch auf die geistige Gesundheit dergleichen wirken kann — falls nicht gesunder Naturinstikt mit kräftigem Ab-urteil antwortet, zeigt der englische Farbfilm „Ein lustiger Spu k,“ indem eine spiritistische Sitzung gezeigt wird, die das Tischrücken in den Mittelpunkt stellt. Wir machen uns vielleicht keinen Begriff davon, wie sehr westliche Länder bereits den pseudoreligiösen abergläubischen Strömungen unterlegen sind, so daß neuere Beurteilungen der geistigen Gesundheit verzweifelter Fälle solcherarts verrückt gewordener Leute von Dämonen sprechen, die das Gehirn verwirren und eine Heilung mit den üblichen Mitteln für aussichtslos ansehen. Dem Verfasser sind Gegenden des Auslandes bekannt, in denen es kaum ein Haus gibt, in dem nicht wenigstens das eine oder andere astrologische Buch zu finden ist, wo man an Vorhersagungen und „Schicksal“ glaubt und einer haltlosen fatalistischen Kultur sich hingibt. Wie immer es sich mit gewissen Phänomenen verhalten mag, sicher ist, daß eine wissenschaftliche Klärung noch nidit erfolgt ist und unsere psychologische Wissenschaften, die über den Stand einer „beschreibenden Wissenskunde“ noch kaum hinausgelangt sind, noch nicht über das Rüstzeug verfügen, um festzustellen, was von diesen Dingen, die uns zur Zeit echt erscheinen, rein physikalisch erklärbare Phänomene sind. Mit einem Laienpublikum seinen Scherz zu treiben ist nur angängig, solange das Publikum deutlich merken kann, daß es nur gefoppt werden soll und sich eben darüber selbst lustig machen kann.

Bei dieser Sachlage ist es kein Wunder, daß

auch der Teufel auf die Filmleinwand gebracht wird, wie in den ,;Satansboten“, der die Kritik ein wenig übertrieben wenigstens beste Schauspielerleistung angedichtet hat, vielleicht eine kleine Verwechslung mit langsam gerundeter Geste und schöner Photographie. Daß die Handlung keinen Sinn hat und die Geschichte keine Moral, sei nebenbei dazu bemerkt. Denn der männliche Bote des Satans unterliegt der Liebe einer Erdenfrau, während der weibliche natürlich ein paar Männer in den Abgrund zieht. Warum der Teufel jedoch, wie mehrfach festgestellt wird, über echte Liebe keine Gewalt hat, und ausgerechnet zu Ende das klassische Liebespaar doch in Stein verwandeln kann, ist unerfindlich. Ganz anders dagegen der amerikanische Film „Alles was Geld kaufen k a n n,“ der den Teufel in seiner klassischen Legendengestalt auf die Leinwand bringt, ihn Kontrakte mit Blut unterzeichnen läßt und sich gelegentlich doch um den Lohn, nämlich die Seele prellen läßt. Richtig daran, daß die Habsucht den Menschen irt die Arme des Teufels treibt, richtig der Hinweis, daß dieser Teufel, zu jedem aus dem Publikum kommen kann, wie in der letzten Szene, da der Teufel, eben selbst der Geprellte, im Notitzbuch das neue Opfer sucht, aufblickt und auf dich, Kinobesucher, zeigt! Freilich, das Milieu der ganzen vorhergehenden Handlung wird den Filmbesucher nicht interessiert haben. Daran ändert auch nichts mehr, daß gegen Ende zu in einer phantastischen Gerichtsszene Edward Arnolds eine Meisterleistung advo-katorischer Redekunst zeigt, die Angewiesenen beeindruckt.

Zusammenfassend muß gesagt werden, daß das Problem, die den Schatten der Leinwand so verwandt erscheinende Welt der Gespenster zu beschwören im künstlerischen Sinn nur Ren£ Clair geglückt war, daß keiner dieser Filme aber dem normalen, Unterhaltung suchenden Publikum etwas zu bieten hat und jeder nur dazu neigt, die klare Haltung des Menschen mit Spuk und törichtem Aberglauben zu beirren. Noch eine Frage: Warum läßt man auch Kinder in diese Filme?

Seiner Kunst wiedergegeben

Durch sieben Verbotsjahre war Hofrat Viktor Keldorfer, der verdiente Ehren-chormeister des Wiener Schubertbundes und eine Kapazität auf dem Gebiete des Männerchorwesens, von jedwedem öffentlichen Wirken ausgeschlossen. Seine Kompositionen durften nicht aufgeführt, ja sein Name in der Presse nicht einmal genannt werden, da sein österreichertum bei den Machthabern des Dritten Reiches Anstoß erregte. Im Augenblick, als man daranging, das österreichische Musikleben wieder neu aufzubauen, war es klar, daß auch „der Toscanini der Chordirigenten“, wie Richard Specht Keldorfer einmal nannte, seiner Kunst zurückgegeben werde. Als sich die alten Getreuen des Wiener Schubertbundes anschickten, ihre künstlerische Tätigkeit wieder aufzunehmen, holten sie sich selbstverständlich ihren langjährigen musikalischen Mentor zurück und setzten ihn in sein verdientes Ehrenamt wieder ein. Nun, da Viktor Keldorfer vor seinem 73. Geburtstag steht, trachten sie nachzuholen, was ihnen am Siebzigjahrs-Jubiläum ihres Chormeisters verwehrt war. Im Mai hoffen sie dann unter Keldorfers Konzert führung mit ihrem ersten großen Konzert im neuen Österreich zu starten.

Viktor Keldorfer verkörpert als gebürtiger Salzburger und Wahlwiener in glücklichster Art jenes österreichertum, dem wir in der Musik so unendlich viel ver-

danken. Er weiß Ernst und Heiterkeit in seiner Kunst harmonisch zu verbinden, wie ja “die Hauptpole seiner Tätigkeit die Werke von Franz Schubert und Johann Strauß waren. Um den Männerchor-gesang weiß heute vielleicht niemand besser Bescheid als er. Er steht mit dieser Kunstgattung sozusagen auf Du und Du. Als kundiger Erzieher, feinsinniger Komponist und geschickter Bearbeiter hat er dem Männerchor gedient wie kaum einer. So erfreut sich auf diesem Gebiete wohl auch niemand so uneingeschränkter internationaler Wertschätzung wie Viktor Keldorfer.

Daher bedeutet die Rückkehr des Meisters in sein künstlerisch verantwortungsvolles Amt für Wien und Österreich einen großen Gewinn, der dem österreichischen Männer-chorgesang auch im Ausland wieder die einst so unbestrittene Geltung verschaffen wird.

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