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Haß auf ein Wunschkind

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Ich hab' noch nie so was Schlimmes gesehen”, sagen „hartgesottene Kriminalisten” über den Fall der fünf Monate alten Lisa, die nach wochenlangem Martyrium mit Schädelberstun-gen, Bein-, Arm- und Bippenbrüchen in die Grazer Kinderklinik eingeliefert wurde. Daß brutale Gewalt heute zunimmt, ist nichts Neues, richtet sie sich aber gegen einen Säugling und ist der Täter der Vater des Opfers, dann ist das, sogar für unsere abgebrühte Gesellschaft ein Schock.

„Lisa war ein Wunschkind”, weiß die Großmutter zu berichten. Als vor 20 Jahren in Österreich die „Fristenlösung” eingeführt wurde, haben manche verkündet, nun werde es nur mehr von ihren Eltern geliebte „Wunschkinder” geben. Und man hat jenen, die sich für das ungeborene Leben einsetzten, Scheinheiligkeit vorgeworfen und empfohlen, sich mehr um das geborene Leben zu kümmern. Aber kann man denn beides voneinander trennen? Deutet nicht die erschreckende Zunahme von Gewalt und Kindesmißhandlungen darauf hin, daß mit dem Respekt vor dem ungeborenen Leben auch der vor dem geborenen schwindet (siehe auch die Anläufe in Richtung „aktive Sterbehilfe”)?

Beide haben doch eine harmonische Ehe geführt”, sagt die Großmutter über die Eltern. Aber, daß dem frühgeborenen Kind in den letzten Monaten die besondere Zuwendung seiner Frau galt, das erweckte die Eifersucht und den Haß des 26jährigen Vaters. Und solche Gefühle läßt man leider vorwiegend an Schwachen und Wehrlosen aus, hier an der kleinen Lisa. Begründung: „Das Kinderweinen hat mich genervt.” Sind elterliche Nerven wertvoller als kindliches Leben?

„Jetzt wäre es mir lieber, das Kind stirbt”, sagte der nun wegen Mordversuches angezeigte Vater beim Geständnis. Seine Ansicht, eher mit einem Mord auf dem Gewissen als mit der Verpflichtung zu Wiedergutmachung leben zu können, ist vielleicht das Erschütterndste an dem ganzen Fall.

Ein Einzelfall? Oder vielleicht doch ein Symptom unserer Zeit?

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