Klingt wild: "Brando" von Mikael Engström

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Mikael Engström schreibt über die irrsten Geschehnisse mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die weit von moralinsaurer Problemschwere entfernt ist. "Brando", unser Lektorix des Monats.

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Mikael Engström schreibt über die irrsten Geschehnisse mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die weit von moralinsaurer Problemschwere entfernt ist. "Brando", unser Lektorix des Monats.

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It's a man's world im Sommer dieser schwedischen Kleinstadt, in der Brando aufwächst. Und in der herrschen strikte Regeln. Zum Beispiel, dass man gegen Perra keinen Elfmeter verwandelt, wie Brando es tut und damit einen veritablen Bandenkrieg auslöst. Da wird schon mal mit Luftdruckgewehren geschossen. Klingt wild und ist es, aber irgendwie auch wieder nicht. Denn Engström schreibt über die irrsten Geschehnisse mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die weit von moralinsaurer Problemschwere entfernt ist. Dabei hätte das Buch alles, um es zu einem "Sprechen wir darüber"-Text zu machen: Brandos Mutter ist tot, sein Vater Filmvorführer im "Thule" und mehr weg als da, Larsas Vater ist Alkoholiker, das Lieblingsspiel der Jungen ist "Atombombenabwerfen über Hiroshima" in einem Flugzeugwrack. Doch glücklicherweise entzieht sich "Brando" jedem Versuch, es als Diskussionsgrundlage zu gebrauchen. Was nicht zuletzt an dem feinsinnigen Humor liegt, der die Dialoge und Situationen durchzieht.

Die sind größtenteils filmreif. Wenn etwa Larsa eine abgängige, mittlerweile verwesende Katze zurückbringt, um den Finderlohn zu kassieren und dann angesichts der Verzweiflung der Besitzerin eine andere Katze für sie klaut. Oder wenn die Hauptdarsteller auf dem Schrottplatz vom dreibeinigen "Mörderhund" verfolgt werden, den Ola dann mit Orangen zähmt. Ola, der sogar Kugeln auffangen kann, wenn auf ihn geschossen wird. So ist es einfach, erklärt wird da gar nichts. Der Roman braucht keine Analysen aus Erzählerperspektive. Aus den aberwitzigen Episoden und Gesprächen, aus Brandos abendlichen Monologen an seine tote Mutter wächst puzzleartig das kleine große Leben junger Menschen, die's nicht leicht haben und es trotzdem nicht schwer nehmen. Weil es einfach ist, wie es ist. Weil Brando, Larsa und Ola mit einer Bedingungslosigkeit, die Kindheit auszeichnet, in der Gegenwart leben. Weil die Welt zwar voller Geheimnisse, aber überschaubar ist und bekannten und akzeptierten Regeln gehorcht. Weil es immer eine Sehnsucht und einen Ausweg gibt. So endet die Fehde, weil Perra nicht mehr gegen die Lebensretter seines Vaters kämpfen will, so geht Larsas Vater auf Entzug, so sendet die Voyager-Sonde ihre Friedensbotschaft in allen Sprachen der Erde. Und im "Thule" läuft der neue Film an.

Ein Buchtipp von Institut für Jugendliteratur, der Stube und der Furche.

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