Judentum - © Foto: Pixabay

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„Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen“, ein Jugendroman aus dem jüdisch-orthodoxen Milieu.

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„Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen“, ein Jugendroman aus dem jüdisch-orthodoxen Milieu.

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An Regeln muss man sich nur halten, wenn man sie nicht kennt. Das orthodoxe Judentum wurde innerhalb der Jugendliteratur bislang wenig behandelt. Umso erfreulicher ist es, wie der US-amerikanische Autor Isaac Blum den Jugendlichen Jehuda Rosen, Spitzname Hoodie, in seinem Debüt-Roman verortet. Hoodie lebt in einer orthodoxen Familie in einer orthodoxen Gemeinde im kleinen US-amerikanischen Ort Tregaron.

Außerhalb seiner Gemeinschaft kennt er wenig, bis er auf Anna-Marie Diaz-O’Leary trifft: Sie ist die Tochter der hiesigen Bürgermeisterin, die ein jüdisches Wohnbauprojekt verhindern will, für das wiederum Hoodies Vater kämpft. Und in ihr manifestiert sich für Hoodie alles, was seiner Glaubenslehre nach und in seiner Community verboten ist. Dennoch, oder gerade deswegen, fühlt er sich von ihr magisch angezogen. Sie fungiert gewissermaßen als ein Fenster zu einer anderen Welt, der Hoodie einen Besuch abstattet, wenngleich er seinen Überzeugungen treu und in den Werten des orthodoxen Judentums verortet bleibt.

Aus der Ich-Perspektive gelingt so eine Innenschau mit selbstironischem Ton: „Wenn du dich an stark übertriebenen jüdischen Stereotypen orientierst, dann liegst du goldrichtig. Masel tov. Ich bin ein wandelnder Bar Mizwa: mit dunklen Locken und einer ziemlich prägnanten Nase. Ich bin dünn und etwa durchschnittlich groß.“ Durchschnittlich ist der Text hingegen keineswegs. Diesen Ton beibehaltend stehen nicht nur ein erstes Verliebtsein, sondern gleichermaßen gesellschaftspolitische Themen wie das eigene Verorten innerhalb und außerhalb einer orthodoxen Community im Zentrum.

Antisemitische Schmierereien auf dem jüdischen Friedhof und tätliche Angriffe auf Hoodies Freunde, die dem Text eingeschrieben werden, erschüttern die jüdische Gemeinde und geben dieser Anlass, Hoodie an den Pranger zu stellen: Erst sein Kontakt zu Anna-Marie würde den Nährboden für antisemitische Übergriffe bereiten, was darin gipfelt, dass nach einem gezielten Anschlag auf den koscheren Supermarkt die Frage nach Schuld aufs Tapet gebracht wird. Isaac Blum gelingt dieserart die Verknüpfung sensibler Themen rund um Antisemitismus, Gewalt, (religiöser) Identität und Schuldzuweisungen zu einem stimmigen Jugendromandebüt, das auf unterschiedlichen Ebenen fesselt.

Ein Roman, der zum Lachen bringt, über das Leben erzählt, aber gleichermaßen zum Nachdenken anregt und mit grandiosen Nebenfiguren angereichert ist, wie Hoodies Schwester, die ganz genau weiß, wie man sich innerhalb des strengen Regelkorsetts der Gemeinde zu bewegen hat und am Ende des Textes ein Schlupfloch für Hoodie in Form eines Smartphones findet.

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