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„Lelio“ — eine romantische Phantasie

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„Römischen Carheval“ und den Rakoczi- Marsch aus „Fausts Verdammnis" spielen. Berlioz’ Instrumentationskünste wurden ja durch Richard Strauss bekannt gemacht. Aber wieviel Interessanteres, Wesentlicheres gibt es in seinen Partituren zu entdecken! In Wien hört man zwar ab und zu die vor 130 Jahren in Paris urauf- geführte „Symphonie phantastique“. Aber die 1832 geschriebene Fortsetzung, ihr zweiter Teil mit dem Titel „L e 1 i o oder Rückkehr ins Leben“, ist jetzt, im Großen Konzerthaussaal, unter der Leitung von Massimo F r e c c i a, unseres Wissens hier zum erstenmal erklungen. Die fünfsätzige „Phantastische Symphonie“ mit den Traumepisoden aus dem Leben eines Künstlers, schließt mit dem Gang zum Richtplatz (wo der „Dichter“ den Eifersuchtsmord an der Geliebten sühnt) und einem Hexensabbath. „Lelio" beginnt mit den von einem Sprecher vorgetragenen Worten: „Der Opiumtraum ist vorüber“. Hierauf folgt eine Reihe in sich abgeschlossener Szenen, die durch teils poetische, teils ironisch kommentierende Worte des Sprechers verbunden werden und die in eine Phantasie über Shakespeares „Sturm“ münden.

Man weiß, daß die „Symphonie phantastique“ durch die zuerst hoffnungslose Liebe zu der englischen Shakespeare-Darstellerin Harriett Smithson inspiriert wurde und zugleich als Zeugnis der grenzenlosen Shakespeare-Verehrung des Künstlers Berlioz anzusehen ist. Hier knüpft nun „Lelio" an, der sich in der Rolle von Romeo und Hamlet sieht und in Musik und Wort seinen Idolen huldigt: Goethe, Beethoven, Weber — und immer wieder Shakespeare. — Das ist bei einem in Paris aufgewachsenen, in Rom komponierenden Musiker ziemlich auffallend. Und in der Tat erscheint Berlioz wie ein Fremdling innerhalb der französischen Musiktradition. Aber sein romantisch-phantastisches Werk liegt ganz auf der Linie der Künstlerromane und Autobiographien der Zeit. Als Musiker war Berlioz einer der ersten, der die formalen Konsequenzen aus dem neuen Lebensgefühl und der Kunstanschauung der Hochromantik zog. Mit Recht schreibt der Autor des Programmkommentars: „Es ist, als hörte man die Grammatik Debussys, Richard Strauss’ und die der Experimentatoren der zwanziger Jahre, als erlebte man die Quelle jener Leidenschaften und Gefühlswelten, die zum romantischen Künstlertum der letzten hundert Jahre gehört. Die Bilderwelt des frühen Kandinsky wird für den modernen Hörer ebenso heraufbeschworen wie der musikalische Atem eines Gustav Mahler oder eines Arnold Schönberg." — Ja, man kann sich, was die kühne . Montagetechnik von Berlioz betrifft, so-

gar an Dali. i nd jüngere Surrealisten fühlen. Es folgen nämlich, in unmittelbar’’” aufeinander: eine ade mit Klavierbegleitung auf Goethes bekanntes naturmagische Gedicht „Der Fischer“, hierauf ein besonders eindrucksvoller und klangschöner „Geisterchor“ (auf einen zeitgenössischen Text, etwa im Stil Mussets), dann eine temperamentvolle Suada des Sprechers gegen die „Greise der Theorie“ und die „Wüstlinge der Musik“, gefolgt von einer hymnischen Liebeserklärung an Beethoven und Weber. Da aber nicht sie, sondern „Musikbanditen“ regieren, zieht es der Künstler vor, lieber zu den echten Banditen in die Abruzzen zu gehen. Das ist die recht oberflächliche Motivierung für einen ziemlich lang geratenen und nicht gerade umwerfenden Wechselgesang zwischen dem Männerchor und einem Räuberhauptmann. Nachdem sich Lelio noch einmal in der Rolle des Hamlet und des Romeo vorgestellt hat, stimmt ein hoher Tenor, von der Harfe begleitet, eine „Glückeshymne“ an. Von da an tritt die romantische Ironie ihre Herrschaft an. Nach Verzweiflungsausbrüchen Lelios, die der Sprecher wiedergibt, und der Beteuerung „Trost, Freunde, schenkt mir nur der Fiebertraum“, wendet sich Lelio plötzlich, in die nüchternste Alltagssprache verfallend, an das Publikum, das Orchester und den Chor, erläutert sein Werk und gibt genaue technische Anweisungen für die Aufführung. Mit einer Phantasie über Shakespeares „Sturm“ wird das Miranda-Motiv vom Chor vielfach variiert, hierauf eine Art Schlußmarsch mit Stretta, der recht theatralisch die etwa 50 Minuten dauernde romantische Phantasie beschließt.

Ausführende waren die Wiener Symphoniker, die Singakademie, Ermano Lorenzi, Tenor, Kostas Paskalis, Bariton, und Axel Corti als intelligenter und ausdrucksvoller Sprecher in der Rolle des Lelio. H. A. F.

Im dritten Konzert des Bruckner- Zyklus der Gesellschaft der Musikfreunde gab Wolfgang S a w a 11 i s c h mit den Symphonikern eine klar ausgewogene und präzise aufgebaute Wiedergabe der „Siebenten“, ohne ihre ekstatische Ausdrucksdichte zu verringern, was wieder einmal beweist, daß diese Musik von innen heraus leuchtet, ihre Größe in ihr selbst liegt und keinerlei äußerliche Zutaten oder Weglassungen oder anderer Interpretationsgeheimnisse als dem des Könnens bedarf, um ihre ganze Macht zu entfalten, die auch durch alle Sachlichkeit hindurch persönlich bleibt. Das vorangehende Konzert für Klavier und Or- dhester von Mozart, KV 491 (Solist Walter Klien), ressen Klarheit offen zutage liegt, bedurfte dieser Sachlichkeit weniger und stand auch sonst trotz sauberster Wieder-

gäbe im vorausgeworfenen Schatten Bruckners.

Kräftiger Anschlag und weitausgreifende, durch Exaktheit des rhythmischen Impetus betonte Klang- und Themenführung kennzeichnen das Klavierspiel von Paul Badura-Skoda. Diese Eigenschaften kamen der Suite op. 14 von Bela Bartök ebenso zugute wie der (Badura- Skoda gewidmeten) Partita op. 58 von Jenö von T a k a c s, weniger drei Stücken aus den „Estampes“ von Claude D e- b u s s y. Auch Mozart hätte einen Hauch mehr Intimität vertragen. Dennoch war das Adagio h-moll, KV. 540 einer der Höhepunkte des Abends. Den anderen bildeten zwei Stücke aus Bartöks „Mikrokosmos“.

Das Vorspiel zu „Capriccio“ (Streichsextett) von Richard Strauss, vom Musikvereinsquartett an den Beginn eines Kammermusikabends gestellt, ist auch losgelöst von seiner szenischen Perspektive ein kammermusikalisches Meisterwerk von lockerer Hand, aber solch thematischer Dichte und klanglicher Schönheit, daß nachfolgend nur das Streichquartett von D e b u s s y (das viel moderner klang), an künstlerischer Meisterschaft bestehen konnte, obgleich ihm der echt französische Esprit fehlte. Den Abend beschloß eine beschwingte Wiedergabe des Oktetts von Franz Schubert.

Ein Orchesterkonzert der Musikschulen der Stadt Wien zeigte das hohe Leistungsniveau der Schüler von der besten Seite. War der erste Teil traditioneller Musik gewidmet, hörte man im zweiten das Martinslied von Paul H i n d e- mith, die Toccaten Nr. 1 und Nr. 4 von Hanns Jelinek und als Uraufführung, die „Neun Stücke nach Texten von Paul Hernadi“ von Istvan Z e 1 e n k a (geboren 193 5). Diese neun Stücke, zumeist sehr kurz, in absolut neuer Tonsprache, deren Anforderungen von Elementarschülern unerreichbar scheinen, setzen die surrealistischen Verse in eine aparte, fluidale, verhalten heitere Atmosphäre, der sich auch die prinzipiellen Ablehner solcher Musik nicht entziehen konnten, zumal die Schüler mit einer Freude und Sicherheit, die schlechterdings verblüffte, an der Ausführung waren. Ein schlagender, aber ein freundlicher Beweis, daß Dodekaphoniik im Elementarunterricht ebenso erlernt werden kann wie die traditionelle Musik und den Kindern ebensoviel Freude macht. Franz Schmitzer, der Leiter der Döblinger Zweigstelle, der Wiedergabe di an der Zeit, die dem Lehrplan für die Kleinen einzugliedern.) Franz Krieg konnte mit der Leitung :n überzeugenden Beweis Es wäre" behördlicherseits neue und’ netteste ‘Musik

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