Letzte Station in Lateinamerika

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Wenn der Papst am 21. Jänner nach Kuba kommt, trifft er nicht nur eines der letzten marxistischen Regimes an, sondern auch eine religiös vielgestaltige Gesellschaft.

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Wenn der Papst am 21. Jänner nach Kuba kommt, trifft er nicht nur eines der letzten marxistischen Regimes an, sondern auch eine religiös vielgestaltige Gesellschaft.

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Als letztes Land Lateinamerikas besucht Papst Johannes Paul II. Kuba. Durch die "Revolution der Bärtigen" unter Fidel Castro und Che Guevara wurde die Karibikinsel in den sechziger und siebziger Jahren zum Gegenstand gesellschaftspolitischer Projektionen und politischer Hoffnungen; namhafte Intellektuelle wie Jean-Paul Sartre, aber auch Christen der "Theologie der Befreiung" in Lateinamerika sahen in Fidel Castros "tropischem Sozialismus" eine Alternative zum erstarrten System der Sowjetunion. Nach deren Zerfall ist Kuba übergeblieben. Durch den Besuch des Papstes hoffen die Kubaner aus der Isolation zu finden.

Auf der "Plaza de la catedral" - dem Platz der Kathedrale - im ältesten Teil der Hauptstadt Havanna treffen sich jeden Sonntag die Händler. Dem ausländischen Touristen wird vieles feilgeboten: von geschnitzten Miniaturen afrokubanischer Fetische, über kitschige Ölbilder von Che Guevara mit Heiligenschein aus rotierenden Kugeln bis hin zu Strohhüten und Modeschmuck. In ein paar Tagen wird hier der Papst eine Messe feiern.Doch hinter der prächtigen kolonialen Fassade verbirgt sich eine für die Kubaner gnadenlose Realität.

Als 1991 die sowjetische Hilfe ausblieb, standen alle Räder still: Kuba setzt seither zwangsweise auf Tourismus, jetzt muß das Volk, das jahrzehntelang auf seine "dignidad" - seine Würde - stolz war, Ramsch an Billigtouristen aus aller Herren Länder verkaufen. Wer an Dollars herankommt, lebt gut, jeder andere muß sich mit der "libreta" durchkämpfen: ein Büchlein, in dem für jeden die staatlich verbürgten Nahrungsmittelrationen vermerkt werden. Der Dollar teilt die Kubaner in zwei Klassen. Die Krise der "dignidad" hat den Stolz der Kubaner einem Erosionsprozeß unterzogen.

Wenn sich die Sonne am "Malecon", der Prachtstraße an Havannas Kai, senkt, bevölkern immer mehr "Jineteras" den Platz der Kathedrale: Mädchen in knallengen Leggins, die nach Touristen Ausschau halten. Davon gibt es hier genug, sie sind oft nicht nur der architektonischen Schönheit Alt-Havannas wegen gekommen. In den Bars, in denen schon Ernest Hemingway seine Drinks kreierte, suchen und finden sie "Mulatas", dunkelhäutige Kubanerinnen, die sich für eine Handvoll Dollars prostituieren. Und das ganz offen unter den Augen der Polizei, die dafür sorgt, daß hier niemandem seine Kreditkarte gestohlen wird.

In der Kathedrale wird inzwischen der Gottesdienst zelebriert. Neben den Weihwasserbecken ist ein großes Bild des Papstes zu sehen: "Juan Pablo II., Symbol der Hoffnung und des Friedens", ist hier auf Spanisch zu lesen. Ein Acapella-Chor singt perfekt, ein junges Mädchen dirigiert. Im hinteren Trakt wird hektisch für den Besuch des höchsten katholischen Würdenträgers restauriert. Hier liegt das Grab des Kolumbus, für den hohen Besuch muß es in frischer Pracht erscheinen. Jahrhundertelang war die katholische Kirche mit der herrschenden weißen Oberschicht eng verbunden.

Sie legitimierte den Import afrikanischer Negersklaven für die Zuckerrohrproduktion, verbot deren afrikanische Naturreligion und lud auch sonst manche Schuld auf sich; all das ist nachzulesen im berühmten Bericht des Dominikanerbischofs Bartolome de las Casas über die "Verwüstung der westindischen Länder" aus 1541.

Santeria, Shango und Babalu Aye Als die "Barbudos" - die bärtigen Revolutionäre - Anfang 1959 in Havanna einmarschierten, war der Konflikt mit der katholischen Kirche vorprogrammiert. Fidel Castro - damals noch kein Kommunist - hatte es leicht, war doch die Kirche im einfachen Volk verhaßt. Er wußte, daß die katholische Kirche Kubas im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Ländern schwach war. Einen Machtkampf brauchte er nicht zu führen. Heute sind die Katholiken in Kuba eine Religion unter anderen. Gerade auch deshalb hoffen sie auf den Papst.

Die Anhänger der verschiedenen afrokubanischen Kulte - in Kuba als "Santeria", das heißt Heiligenverehrung - bekannt, haben starken Zulauf, überraschenderweise auch unter Kubanern, die keine Farbigen sind. Sie wollen niemanden missionieren und verstehen sich auch oft als gute Christen: "Shango", der rote Gott des Feuers ist für sie gleichbedeutend mit der heiligen Barbara. Und "Babalu Aye", der Gott der Kranken, wird oft mit dem heiligen Lazarus identifiziert. Viele katholische Priester akzeptieren den Synkretismus ihrer Gläubigen, denn sie wissen, die Menschen würden die reine katholische Lehre nicht verstehen.

In den letzten Jahren haben auch die vielen kleinen evangelikalen Gemeinschaften starken Zulauf. Die Regierung sieht in ihnen eine Art Sozialhelfer, da sie immer wieder das Wirtschaftsembargo zu durchbrechen versuchen, um Medikamente, aber auch Bibeln ins Land zu bringen. Padre Miguel Hernandez von der "Freien Evangelikalen Kirche": "Ich sehe keine Konflikte mit den anderen Kirchen Kubas. Sie sehen, daß die Kirchen zu den Menschen Zugang suchen. Dabei nimmt uns die missionarische Arbeit so in Anspruch, daß wir keine Zeit finden gegeneinander aufzutreten. Denn wir wollen die nicht-gläubigen Menschen gewinnen. Es ist schon möglich, daß ein Gläubiger heute bei uns ist und morgen woanders. Aber das ist nicht das Resultat eines wie immer gearteten Proselitismus."

Hohe Erwartungen von Kirche und Regime Der Besuch des Papstes in Kuba wird von beiden Seiten, der des Vatikans und der Fidel Castros, mit hohen Erwartungen verbunden. Der Heilige Vater muß die Menschenrechte in Kuba einmahnen, aber er wird sich auch gegen das Wirtschaftsembargo der USA aussprechen, das Kuba im Würgegriff hält, als wäre der Kalte Krieg noch immer nicht vorbei.

Kubapolitik ist in den USA Innenpolitik, deshalb wird der Papst auch die Erwartungen der Exilkubaner nicht enttäuschen können: Dort glaubt man nicht ruhen zu dürfen, bis die Karibikinsel wieder - mit dem US-Präsidenten Monroe (1817-25) gesprochen - "wie eine reife Frucht in den Schoß der Vereinigten Staaten fällt". Allerdings drängt sich bei aller Verschiedenheit zwischen dem Papst und Fidel Castro doch eine gewisse Parallele auf: Da treffen sich zwei Männer, die in einer globalisierten Welt, in der es außer der Kosten-Nutzen-Rechnung scheinbar keine andere Wahrheit gibt, noch immer von Schuldenerlaß und Gerechtigkeit für die Dritte Welt sprechen. Und Fidel Castro selbst, wie steht es mit seiner Beziehung zu Gott? Schließlich besuchte der junge Fidel das strenge und fromme Jesuiteninternat "Dolores" in Santiago de Cuba. Dem Dominikaner und Befreiungstheologen Frei Betto gegenüber bekannte Castro: "Ich war offen für die Reflexion und die Vervollkommnung meines Gefühls, dennoch war es nicht möglich, in mir einen soliden Glauben zu wecken, solange sie (die Jesuiten, Anm.) so dogmatisch vorgingen in ihrer Art, Dinge zu erklären: Man sollte an das und das glauben, weil man eben daran glauben mußte; nicht zu glauben beruhte auf einem großen Fehler, einer großen Sünde, die einer schrecklichen Bestrafung würdig war."

Der Autor ist Religionsjournalist im ORF-Fernsehen.

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