Liebe in Zeiten des Internet

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Evelyn Schlags jüngster Roman reflektiert über das Thema auch gegenwärtiger Literatur: Liebe und Tod.

Weil Evelyn Schlag sehr bewusst an der Sprache arbeitet, ist jedes neue Buch von ihr ein Ereignis. Wieder hat sie sich ihr Zentralthema vorgenommen, die Liebe - diesmal in einer spezifischen Konstellation: Eine verheiratete Lyrikerin verliebt sich in einen homosexuellen Dichterkollegen.

Aus den Lebensumständen und den engen Korrespondenzen mit Evelyn Schlags letztem Gedichtband "Brauchst du den Schlaf dieser Nacht?" wird klar: Der neue Roman ist radikal autobiografisch, die Dichterin Laura ist Evelyn Schlag selbst. Und zugleich auch nicht, denn: "Petrarcas Laura hatte keinen Körper gehabt. Sie war nur auf die Höhe der Kunst getriebenes Sprechen aus einem fremden Mund, so wie Laura dies jetzt war." Gegen Ende reflektiert der Roman sein eigenes Verhältnis von autobiografischer Wahrheit und literarischer Fiktionalität: "Sie würde zwei Personen erfinden, die es wirklich gab. Ihre Geschichte erzählen, so wie sie sich zugetragen hatte in der Wirklichkeit ihrer Einbildungskraft."

"Das L in Laura" ist auch ein Roman über die Liebe in Zeiten des Internet. Bei einem Poesiefestival in Lissabon haben Laura und der englische Lyriker David sich kennengelernt, danach kann sich diese Beziehung - bis auf ein kurzes Treffen in Brüssel - nur in E-Mails ausdrücken. Ein handgeschriebener Brief ist von besonderem Wert; Laura bittet David darum, um zu sehen, wie er das L in ihrem Namen schreibt. Virtuelle und körperliche Nähe stehen in einem produktiven Spannungsverhältnis.

Der körperlichen Nähe, für die Evelyn Schlag schon oft eine spezifische eigene Sprache gefunden hat, ist durch die Homosexualität des Mannes allerdings eine Grenze gesetzt. Es bleibt dabei: "Two people who are in love but not in bed", wie es einer der vielen englischen Sätze in diesem Buch ausdrückt. Dass diese Grenze nicht überschritten wird, wird manchmal geradezu proklamiert und das tut dem Buch nicht gut. Jedenfalls ist das die Lösung aus einem Dilemma: Laura liebt ihren Mann mehr als je zuvor. Der alte Wunschtraum von einer Dreierbeziehung, die offen lebbar ist und niemandem wehtut, wird hier allzu glatt realisiert. Es hat den Anschein, die Liebesfaszination, die sich nicht körperlich ausdrücken kann, würde die eheliche Liebe nicht gefährden und umgekehrt.

Die stark biografische Basis eines Romans birgt immer die Gefahr in sich, dass etwas nur deswegen Eingang in das Buch findet, weil der Autor es erlebt hat. Evelyn Schlag ist das mit der Bildung der ersten schwarzblauen Koalition passiert.

Dieser politische Strang ist völlig missglückt, weil die Autorin hier keine neue Sprache oder auch nur Analyse für die politischen Vorgänge findet. Und so sehen diese Passagen bereits beim Erscheinen des Buches merkwürdig alt aus. Unproduktiv sind auch die eingebauten Rätsel für literarisch Gebildete: Warum kann die "Dichterin mit dem Kopftuch" nicht als Christine Lavant benannt und muss Catharina Regina von Greiffenberg, mit der sich Schlag andernorts auseinandergesetzt hat, anonymisiert werden? Josef Weinheber und W. H. Auden, die auch eine Rolle spielen, sind hingegen beim Namen genannt.

Über die Dreiecksbeziehung hinaus klingen große Themen an, etwa in der Begegnung mit Lauras Großonkel, der mit seinem Leben abschließt und dem Tod ins Auge sieht; und vor allem in der ständig präsenten Reflexion des Todes von Lauras Freundin. Hier werden in kreativen Variationen christliche Vorstellungen vom Weiterleben nach dem Tod gleichsam "beerbt", etwa wenn Laura sinniert: "Wenn sie sich ein Jenseits vorstellen konnte, für das sie einen freundlicheren Namen erst erfinden müßte, dann mußte er es auch tun. Sie wollte dort nicht ohne ihn sein." Auch in Paradoxien wie diesen ist das religiöse Erbe präsent: "Sie vergaß immer wieder, daß es keinen Gott gab und daß Gott grausam war."

Es ist das große Thema von Liebe und Tod, das Evelyn Schlag aktuell verankern wollte. Bei allen Einwänden im Detail ist das große Literatur, die man nicht unbeteiligt beiseite legen kann.

Das L in Laura.

Roman von Evelyn Schlag.

Zsolnay Verlag, Wien 2003.

213 Seiten, geb., e 18,40

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