Liebe Ingebach Borckmann

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Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze dokumentiert eine lebenslange, geschwisterliche Liebe.

Ihre gedichte sind schön, und traurig, aber die idioten, selbst leute, die so tun, als ob sie verstünden', verstehen nicht." Das schreibt Hans Werner Henze, kurz nachdem er Ingeborg Bachmann im Herbst 1952 auf Burg Berlepsch in der Nähe von Göttingen bei einer Tagung der Gruppe 47 kennen gelernt hat. Sie liest ihre Gedichte vor und er ist von Beginn an von ihrer großen literarischen Begabung überzeugt und bleibt dabei. Beide sind - beinahe auf den Tag gleich - 26 Jahre alt.

Hans Werner Henze ist ein Komponist, der von Beginn an zielstrebig sein Leben der Kunst unterordnet und bereits in den fünfziger Jahren europaweit Erfolge feiern kann, Ingeborg Bachmann eine Schriftstellerin, die sich ihren künstlerischen Weg voller Selbstzweifel und öffentlichem Missverständnis erkämpfen muss. Ihr über zwei Jahrzehnte anhaltender Briefwechsel spiegelt eine lebenslange Freundschaft, die bestimmt ist von gemeinsamen Arbeitsprojekten und Lebensentwürfen, die sich nur selten realisieren lassen.

Henzes Angebote für ein gemeinsames Leben in Italien scheitern, weil zwischen dem homosexuellen Mann und der zumeist in unglückliche Liebesbeziehungen verstrickten Frau, etwa mit Paul Celan und Max Frisch, keine dauerhafte geglückte Lebensgemeinschaft entstehen kann. Was bleibt ist eine "lebenslange geschwisterliche Zuneigung" - wie Hans Werner Henze im Vorwort schreibt und von seiner Seite aus eine "ständige Bemühung um das Wohlergehen meiner Freundin", die sich darin äußert, dass er immer wieder an ihre künstlerische Berufung appelliert.

Er geht trotz aller Rückschläge und Anfeindungen selbstbewusst seinen künstlerischen Weg und er bewundert ihre Genialität und ermahnt sie: "ich bitte Dich, mach keine dummheiten!! Denk an Deine arbeit. Bring Deine gesundheit gut in ordnung und dann nichts wie arbeiten! Versuche jede unnütze anstrengung zu vermeiden! Es ist notwendig, ruhig zu bleiben und sich abzumühen. Ich bitte Dich."

Der Briefwechsel, in dem beide kosmopolitisch zwischen den Sprachen Deutsch, Italienisch, Französisch und Englisch wechseln, ist leider nur in sehr einseitiger Weise erhalten: Zu lesen sind 219 Briefe von Hans Werner Henze und nur 33 Briefe von Ingeborg Bachmann, 12 davon Briefdurchschläge und -entwürfe. Der Herausgeber Hans Höller hat den Band auf sorgfältige und zurückhaltende Weise kommentiert und mit einem kundigen Nachwort versehen.

Während er für seine Partnerin unermüdlich neue phantasie- und liebesvolle Briefanreden erfindet - Illustre Bachstelze, liebste Wildente, meine Begnadete, meine liebe kleine Allergrößte, liebster Irrwisch, Carissima, liebste Ingebach Borckmann - um nur einige aufzuzählen -, bleibt sie eher bei neutralen Anreden wie lieber, liebster, caro. Doch das verweist keineswegs auf ein Ungleichgewicht ihrer Beziehung. Am 4. Oktober 1956 schreibt sie: "Mir ist völlig klar, dass die Freundschaft mit Dir die wichtigste menschliche Beziehung ist, die ich habe, und das soll sie auch bleiben."

Freude und Ironie, ja eine ausgeprägter Hang zur Komik wechseln mit Briefen voll Trauer und Verzweiflung. Über die ebenso komplizierte wie intensive Beziehung hinaus dokumentiert der Briefwechsel aber auch den Kunstbetrieb der Nachkriegszeit sowie Erfolge und Niederlagen zweier außerordentlicher Künstler des 20. Jahrhunderts.

Briefe einer Freundschaft

Von Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze. Hg.v. Hans Höller. Mit einem Vorwort von Hans Werner Henze. Piper Verlag, München 2004

538 Seiten, geb., e 25,60

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