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Limonaden, die raffinierten Verführer

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diefurche: Wie beurteilen Sie als Ernährungsberaterin die Trinkgewohnheiten der Österreicher? INGRID KIEFER: Sehr verallgemein-dernd kann mansageni,daßderÖster-reicher das am liebsten trinkt, was ihm auch ambevtenrsehmeakt. Hat man heute bereits sehr gesundheitsbewußt den Umgang mit Nahrungsmitteln gelernt, so trifft das auf die Trinkgewohnheiten leider nicht zu. Auch die Überlegung, daß ein Getränk eigentlich hauptsächlich deshalb konsumiert werden sollte, weil es den Durst und den Flüssigkeitsbedarf unseres Körpers stillt, ist kaum bewußt vorhanden. Die unnötige Vielfalt an viel zu zuckerhaltigen Limonaden, die die Getränkeregale unserer Supermärkte füllen, spricht hier eine deutliche Sprache. Limonaden sind erwiesenermaßen keine Durstlöscher, ganz im Gegenteil! Ihr großer Zuckergehalt macht sie für einen Teil der Bevölkerung sogar gänzlich ungeeignet, da viele Konsumenten aus gesundheitlichen Gründen zuckerhaltige Getränke meiden sollen.

diefurche: Was ist der gesündeste Durstlöscher?

KIEFER: Das beste, was es in dieser Hinsicht gibt, sind Orangen- oder Apfelsäfte, mit Mineralwasser verdünnt, und nach Möglichkeit frisch gepreßt.

diefurche: Und Wasser? KlEFER: Leider ist Leitungswasser bei Konsumenten und Gastronomen eher verpönt. Ich habe eine Zeitlang in Vorarlberg gearbeitet und konnte beobachten, daß zum Beispiel englische Gäste, die von Haus aus gewöhnt sind, Wasser zu den Mahlzeiten zu trinken, vom Gastwirt ganz einfach keines serviert bekamen, obwohl sie danach verlangten. Sie mußten statt dessen Mineralwasser kaufen. Sicher ist es heute auch eine Frage des persönlichen und gesellschaftlichen Prestigedenkens, wenn teure Getränke wie Champagner und Sekt bestellt und konsumiert werden. Sehr großer Beliebtheit erfreuen sich auch hier Mischgetränke mit Pfirsich- oder Orangensaft, diese Getränke besitzen einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert.

dieFurche: Welche Rolle spielt die

Verpackung und Etikettierung? Kiefer: Für den Österreicher spielt die Präsentation der Dosen, Flaschen und Verpackungen eine sehr entscheidende rBette.j Soi (sprechen zum Beispiel bunte und glänzende Ge-tränkedösea -gaaznbflsßnders die jui-gendliche Käuferschicht an. Manche Elektrolytgetränke zeichnen sich durch ein besonders ansprechendes „Outfit" aus. Auch Bierflaschen werden zunehmend dekorativer und optisch anspruchsvoller gestaltet. Eine Verpackung von Wein im „Tetrapack" ist für den österreichischen Konsumenten beispielsweise gänzlich unattraktiv und ungeeignet!

diefurche: Gibt es einen Favoriten unter den Getränken? KIEFER: Meiner Ansicht nach hat der Kaffee in Österreich nach wie vor eine Spitzenposition im Bereich der Getränke. Sehr Wesentliches hat hier natürlich unsere alte Kaffeehaus-Tradition beigetragen, die Vielfalt von Kaffeezubereitungen und Variationen genießt ja weltweit großes Ansehen. Zu einem Kaffee wird in guten Kaffeehäusern nach wie vor das sonst verpönte Glas Leitungswasser gereicht.

Wie armselig nimmt sich dagegen eine Schale Tee aus, die, hat man sie bestellt, in Form von heißem Wasser plus Teesackerl „serviert" wird! Neben der traditionsreichen Gewohnheit, sich bei uns eben „auf einen Kaffee" zu treffen um Privates oder Geschäftliches zu besprechen, verdankt der Kaffee seine große Beliebtheit sicher auch der ihm eigenen aufputschenden Wirkung. Er ist also nicht nur Energiespender, er ist auch ein nicht zu unterschätzender Teil der eineinhalb Liter Flüssigkeit, die wir täglich zu uns nehmen sollten! Auf insgesamt zweieinhalb Liter Flüssigkeit pro Tag, wovon oft gesprochen wird, kommt man nur dann, wenn man die flüssigen Anteile der Nahrung wie Suppen, Obst und Wasserstoffe dazu addiert. Nur dann sind zweieinhalb Liter Flüssigkeit einigermaßen realistisch.

Das Gespräch

führte Angela Thierry. Ingrid Kiefer ist Ernährungsberaterin am Institut für Sozialmedizin der Universität Wien.

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