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Lissabon - Treffpunkt der Kulturen

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Operngastspiele, Ballettproduktionen, Konzerte, Museumsneubauten für portugiesische Kunst und internationale Moderne - Was bleibt davon für die I „Kulturhauptstadt Europas 94“?

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Operngastspiele, Ballettproduktionen, Konzerte, Museumsneubauten für portugiesische Kunst und internationale Moderne - Was bleibt davon für die I „Kulturhauptstadt Europas 94“?

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Das direkte Flugzeug von Wien nach Lissabon ist voll besetzt -: seit es weiterfliegt nach Madeira. Bei einer Befragung gab jeder zweite Ausländer an, vor allem wegen „Lisboa 94“ gekommenzusWh:Lis-G sabon als „Kulturhauptstadt Europas“, wie im nächsten Jahr Luxemburg. Das T'hqma lag auf der Hand: „Lissabon, Treffpunkt der Kulturen“.

Seit einem halben Jahrtausend saugt das kleine Land am Rande Europas Anregungen aus seinem Weltreich auf, das zwar heute kaum mehr als Erinnerung ist, aber im Denken und Fühlen und in allen Bereichen der Kultur seine Spuren hinterlassen hat. Seit der EL--Mitglied- schaft des Landes praktiziert man auf allen Gebieten Zugehörigkeit zum alten Kontinent, ohne die große Welt vergessen zu können.

Diese Vielfalt der Anregungen ist zugleich die Antwort auf die Frage nach portugiesischer Identität. Mag ein Teil des Volkes noch jener sentimentalen Schwermut huldigen, die ah „Saudade“ international sattsam bekannt ist. Es macht sich deutlich eine neue Generation bemerkbar, die zielbewußt und effektiv arbeitet und in die Zukunft blickt.

Spätfolgen der Diktatur wirken noch lähmend nach: eine gewisse Obrigkeitshörigkeit, die Diskussionen scheut, und eine besondere Art von Bürokratie, die Ausländer, die sich für das Land engagieren, mitunter verzweifeln läßt. Auch die Bildung breiterer Bevölkerungsschich-ten wurde bisher vernachlässigt, wenn nicht verhindert: Wer zuviel denkt, ist gefährlicn vlanche meinen, daßjjfcU-Gelder lieber in Bildungseinrichtungen als in ehrgeizigen Straßenbau hätten fließen sollen.

Manche hätten der Kultuiįhaupt- stadt 1994 statt vieler Opern-Gast spiele mehr Aufmerksamkeit für die eigenen Musikschulen gewünscht. Wo das eigene Opernhaus in Lissabon sonst nur in kurzen Stagione-Vor- stellungsserien bemerkbar ist, gab es Gastspiele aus Großbritannien, Schweden oderDus&idorf und Uraufführungen und Wiederbelebungen portugiesischer Opern des 17. und 18. Jahrhunderts. Das gab es natürlich nur für wenige Opern- Gourmets, und ein Teil der Karten blieb für „Berechtigte“ aus Politik und Bürokratie reserviert. Im nächsten Jahr wird man wieder sein, wo kman 1993 stand: die Zahl ernstzunehmender Orchester im ganzen Land ist an den Fingern einer Hand zu zählen.

WÜSTENFESTUNG FÜR KULTUR

Größte Aufmerksamkeit im Lande findet der Tanz. Das bodenständige Gulbenkian-Ballett hat ein Stammpublikum herangezogen. So konnte die Truppe von Pina Bausch (die ebenso wie Martha Graham und William Forsythe eingeladen war) sechs Programme in 14 ausverkauften Vorstellungen zeigen. Auch das Konzertprogramm war anspruchsvoll und international. Der mit großem Aufwand restaurierte Zirkus-Bau „Coliseum“ faßt 5.000 Besucher, weist aber bei Symphoniekonzerten akustische Mängel auf. Bemühungen, alte und neue portugiesische Musik mit internationalen Künstlern auf CD verfügbar zu machen, dürften erst später Früchte tragen.

Was bleibt von „Lisboa 94“ außer einigen restaurierten Gebäuden? Bis her war die Präsentation der Gul- benkian-Sammlung mit Abstand das Modernste. Jetzt hat das Museu Na- cional de Arte Antigua nachgezogen. Und portugiesische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts kann in einem anregenden Neubau erlebt werden. Das Archäologische Museum im berührn n Hieronymus-Kloster zeigt, was der heutigen Stadt Lissabon vorausgegangen ist. was Phönizier, Römer, Westgoten. Araber hier hinterlassen haben.

Nicht ganz glücklich kann man über den neuerrWWBBJBHBjh)- sters in Belėm sein: das Centro^fflR**» turai wirkt abweisend wie eine mächtige Wüstenfestung, hat aber viel Platz für Veranstaltungen und Ausstellungen. Die Schau „The Day After Tomorrow“ gab Künstlern aus Portugal, Europa und Übersee Gelegenheit zu raumgreifender Selbstdarstellung.

Das deutsche Goethe-Institut hatte schon im Mai seinen wohl wichtigsten Beitrag geliefert: Dem Thema der deutsch-jüdischen Emigration über Portugal zwischen 1933 und 1945 waren ein Colloquium, eine Ausstellung und mehrere Filme gewidmet.

Nur ganz eigensinnige Kultur- jhauptstadtPilger fanden den Weg zu den Museen für Kostüme und für Theater- Gleichsam jenseits der Peripherie vermutet niemand einen prächtigen Iranischen Garten und historische Schlößchen.

Das Kostüm-Museum zeigt die Eigenarten ländlicher Bekleidung in den verschiedenen Regionen des Landes und die Entwicklung der städtischen Kleider. Im Theateruiu seum hat man lebensgroße Figuren in den Kostümen bekannter in- und BIMW^ffl^^KIassiker ausgestellt, leider ohne ausreichende Erläuterungen.

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