Literarische Mozartkugeln

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Johannes Twarochs Anekdotensammlung transportiert vor allem Stereotypen.

Eine einzige Anekdote kann, wie schon der alte Theodor Fontane wusste, indem sie das Allzumenschliche pointiert darstellt, unter Umständen zur Charakterisierung eines Autors, einer Autorin mehr beitragen als ein germanistisches Seminar." Nun ja. Dazwischen gibt es vielleicht auch noch was. Man könnte sich zum Beispiel zur Abwechslung eines der Bücher besagten Autors, besagter Autorin zu Gemüte führen, aber das führte wohl zu weit. Bleiben wir bei den Anekdoten.

In etwa 500 Stück derselben lässt der Germanist und Schriftsteller Johannes Twaroch die Kaffehauskultur samt ihren Bohemiens wieder auferstehen, und schert jene etwas lieblos über einen Kamm: Jeder Dichter ist ein Schnorrer und ein Wiener Original noch obendrein. Es wird nach Herzenslust geraunzt, geneidet und gefaulenzt, und keiner nimmt sich selber ernst und schon gar nicht seinen Nächsten. Das sind wir also: "Typisch Österreich. Literatur in Anekdoten". Eins zu Null für die Mozartkugel- und Schlagobers-Fraktion. Da erkennen wir uns wieder. In einem schön brav bildungsbürgerlichen Einheitsbrei eines alten Österreich, dessen Mentalität die Monarchie bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg über -lebte, wo man titelsüchtig freundschaftliche Feindschaften pflegt und den Literaten jede kleine Eigenheit, jedes Interesse abseits vom Durchschnittsgeschmack gleich als Schrulle ausgelegt wird. Nun, so fad ist Österreich dann hoffentlich auch wieder nicht.

Die Anekdoten kreisen ansonsten um Erfolge und Misserfolge, einen (selbst)ironischen Umgang mit dem Schreiben bzw. Ablehnungen verschiedenster Art (von der Vormärz-Zensur bis zum Publikumsgeschmack) und natürlich die daraus und aus anderen Bredouillen resultierenden finanziellen Schwierigkeiten. Laut Egon Friedell ist es möglich, aus drei Anekdoten das Bild eines Menschen zu geben. Dem sei hier vehement widersprochen. Aber vielleicht kann man aus drei Anekdoten die restlichen ableiten. Denn spätestens wenn man sie alle gelesen hat, weiß man, dass man nichts versäumt hätte.

TYPISCH ÖSTERREICH

Literatur in Anekdoten

Von Johannes Twaroch

Amalthea Verlag, Wien 2003

224 Seiten, geb., e 15,40

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