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Literarische Zeitschriften

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Das Sterben der literarischen Zeitschriften während der letzten Jahre ist der Öffentlichkeit bekannt. Es war übrigens nicht auf Österreich allein beschränkt: in England zum Beispiel sind während der letzten sechs Monate vier der bedeutendsten Periodika eingegangen. Auch an rühmenden Nachrufen hat ee — hier wie dort — nicht gefehlt. Wir wollen uns daher an die Lebenden halten und Revue passieren lassen, was noch vorhanden ist.

.Das Silberboot“ (4. Jahrgang, 3. Heft) ist wieder da und man merkt, daß sich in der Zwischenzeit kostbare Fracht angehäuft hatte. Der Herausgeber, • Dr. Ernst Schönwiese, konnte aus dem vollen schöpfen. Die großen europäischen Schriftsteller und Dichter Evelyn Waugh, Paul Valery, Rilke und Kaßner bestimmen das Niveau, dem auch der eigenartige Beitrag des 1903 geborenen und vor Jahresfrist verstorbenen Österreichers Hermann Grab voll entspricht. Daneben 6tehen einige Preziositäten, im doppelten Sinn: Beiträge von und über den Alexandriner Kavafis, von Klaus Mann über seinen Vater und anderes — alles interessant, wenn auch von unterschiedlichem Gewicht.

Das ,Wiener Literarische Echo“ eröffnet das 4. Heft eines 2. Jahrgangs mit einem Diskussionsbeitrag zum Thema .Schweigen der Jugend“. Eine wohlwollend-kritische Betrachtung der .Strahlungen“ Jüngers leitet zu drei literarischen Kurzporträts. Von da an wird 6charf geschossen: in rund hundert Buchbesprechungen zeigen sich Niveau und Format dieser Zeitschrift und ihrer Mitarbeiter. Die Einheitlichkeit des Teams, das hier am kritischen Werk ist, erweist sich auch daran, daß den einzelnen Rezensenten das Gefühl für eine bestimmte (weltanschauliche) Dimension der Dichtung zu fehlen scheint — und damit auch der entsprechende Maßstab. Die Nennung von Autorennamen könnte als Polemik von unserer Seite gedeutet werden; aber nicht dies ist gemeint!

.Die Drau“ (2. Jahrgang, Doppelheft 1/2) ist der Titel von .Monatsblättern für geistiges Leben und Verständigung“. Sie enthalten einige gutgewählte und interessante Proben: eine Dichtung H. E. Holthusens und Stefan Zweigs „Episode am Genfer See“, daneben viel Programmatisches, das erst erfüllt werden muß, und Polemisches, das dem Leser die bekannte Karl-Kraus-Frage aufdrängt. Erfreulich der Hinweis auf Albin Egger-Lienz und Guido Zernatto.

„Freude an Büchern“ rechtfertigt mit dem vorliegenden Doppelheft 1/2 des 2. Jahrgangs zum erstenmal den anspruchsvollen 'Untertitel „Monatshefte für Weltliteratur“. Der Inhalt ist reich und, auf den ersten Blick, etwas buntscheckig. Bei genauerem Studium findet man jedoch einen roten Faden, nämlich das Thema .Existentialismus“, welches in mehreren, meist unkritischen Essays abgehandelt wird. Buchbesprechungen und Proben halten sich, dem Umfang nach, ungefähr die Waage. Die Lektüre der Nummer ist für den Literaturfreund sehr instruktiv.

„Buch und Bücherei“, bisher sechs Folgen, heißen die vom Bundesministerium für Unterricht herausgegebenen „Hefte für das österreichische Volksbüchereiwesen“, Sie dienen nur zum Teil der Erörterung von Fachfragen, enthalten in jeder Nummer ziemlich ausführliche monographische Darstellungen meist neuerer österreichischer Autoren und widmen — unter dem Gesichtspunkt der Eignung für Volksbüchereien — ihre besondere Aufmerksamkeit den Neuerscheinungen. Die Rezeniionen, mei6t im Umfang von 20 bis 30 Zeilen, sind von Fachleuten und erfahrenen Bibliothekeren verfaßt. Manches könnte man sich etwas nrofilierter denken. Aber der Zweck dieser Zeitschrift ist weder ästhetische Leistung noch weltanschauliche Auseinandersetzung, sondern Auswahl nach dem angedeuteten Gesichtspunkt und Orientierung der Bibliothekare — wichtige Anliegen, die mit Fleiß und Sorgfalt verwirklicht werden.

Kommentar zum österreichischen Eherecht.Von Univ.-Prof. Dr. Fritz Schwind. Manz-sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, 1951. 366 Seiten. Ganzleinen gebunden S 72.—.

Der Verfasser, einer der besten Kenner des gegenwärtig in Österreich geltenden Eherechtes, hat sich der dankenswerten Aufgabe unterzogen, diese aus Normen verschiedenster Gesetzgebungsepochen zusammengewürfelte Rechtsmaterie übersichtlich darzustellen, und zwar durch Wiedergabe des Nonnentextes und durch Beifügung eingehender Erläuterungen (insbesondere zahlreicher Hinweise auf das internationale Recht) und kritischer Betrachtungen. Dadurch erscheint das Werk für Studium und Praxis sehr wertvoll, zumal es mit einem guten Sach- und Quellenverzeichnis ausgestattet ist. Der erste Teil handelt von den Vorschriften des ABGB. über Verlöbnis, Wesen und Wirkung der Ehe, der zweite Teil vom Ehegesetz, von den Durchführungsverordnungen und dem Personenstandsrecht, der dritte Teil von den verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Nicht stichhaltig ist die Ansicht des Verfassers, daß die Strafbestimmung des 67 PersStG. dem Gebot der öffentlichen Ordnung entspreche, und zwar wegen der Möglichkeit des Mißbrauches kirchlicher Trauungsurkunden. Dem ist entgegenzuhalten, daß solche Möglichkeiten nicht die Versagung eines Freiheitsrechte (hier der Kultusfreiheit) rechtfertigen können. (Siehe Erkenntnisse des VfGH. im Vereinsrecht!) Außerdem ist der Bestand kirchlicher Ehen ohne staatliche Wirkung dem österreichischen Recht nicht fremd, ein solcher Zustand war vor 1938 rechtlich möglich. Wenn dies damals keinen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung bildete, warum soll ein solcher heute angenommen werden? Schließlich wurde die in Art. 15 StGG., Nr. 142/1867. garantierte Kultusfreiheit der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften durch die in Art. 63/2 des Staatsvertrages von Saint-Ger-main aufgestellte Schranke der öffentlichen Ordnung nicht berührt.

Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam. Von Stefan Zweig, S.-Fischer-Verlag. 236 Seiten.

Stefan Zweig blickte eines Tages in den Spiegel und erschaute hinter sich, weit in der Vergangenheit, das bleiche Antlitz des Erasmus von Rotterdam. Der kultivierte Geistesmensch und Weltbürger des 20. Jahrhunderts, der in einer Zeit entfesselter politischer Leidenschaften auf das Gesetzbuch der Vernunft und der Humanität geschworen hatte, suchte Trost bei dem Gedanken, daß sein Streben nicht einmalig und persönlich war, sondern daß Generationen von Humanisten von ihm erfüllt und — an ihm gescheitert waren, Allen voran: Erasmus von Rotterdam. Sein Triumph war Zweigs Triumph, seine Tragik die Tragik des feinnervigen Essayisten und Erzählers. So entstand dieses Buch. Mit besonderem Eifer gestaltete der Medster der literarischen Porträtkunst das Bild des großen geistigen Ahnherrn, mit geübter Hand meißelt er das geistige Profil des Erasmus aus dem Block seiner Zeit: ein Mensch der Mitte, abhold lautem Streit, ein geschworener Feind des Marsches in der Doppelreihe der Geister. Soweit die eine Seite, die andere heißt — Zweig kennt sie nur zu gut — Unentschlossen-heit. Flucht in die Verantwortungslosigkeit, Scheu vor Bekenntnis und Tat. Eindrucksvoll ist die Konfrontierung Erasmus — Luther, als Begegnung des Geistesmenschen mit dem Mann der Tat, de Skeptizismus mit dem fanatischen Vertreter einer Uberzeugung. Hier wird die letzte Tragik des europäischen Humanitätsideals deutlich. Erasmus, fest noch im Glauben verankert, war der Anfang, die nach ihm gingen andere Wege. Der .Humanismus ohne Gott“ war ihr Ende: der Anfang des Zeitalters, von dem Zweig hilfesuchend nach rückwärts blickt.

Rätsel um Pylar. Roman. Von Friedrich E. Röhricht. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1950. 512 Seiten.

Eine alte, reiche Dame mit sehr bewegter Vergangenheit läßt zur Feier ihres siebzigsten Geburtstages ihre Verwandten zu sich nach Pylar, einem wunderschönen Besitz in der südlichen Schweiz, kommen. Dieses Pylar bedeutet für die Menschen aus dem Deutschland der ersten Nachkriegsjahre ein paradiesisches Eiland des Friedens und der Kultur. Aber es birgt auch Rätsel und Geheimnisse, besonders was die Person eines alten Seidenhändlers aus dem Fernen Osten betrifft, der in der Abgeschiedenheit des chinesischen Pavillons haust. Zwischen den Verwandten, die uns in scharf-profilierten Charakteren vorgeführt werden, knüpfen sich die Fäden verschiedenster Beziehungen. Zuneigung und Liebe blühen auf, aber auch gefährliche Intrigen werden gesponnen. Allmählich lösen sich die Rätsel, Ereignisse ferner Vergangenheit werden aufgeklärt und man erfährt, um was hier gespielt wird. Zwei Gegenspieler kämpfen um die Seele eines jungen Mannes. Der Konflikt, der sich tragisch zuspitzt, erfährt zuletzt doch noch eine versöhnliche Lösung. Ernst und Humor sind gut verteilt. Der Roman, dem eine knappere Form zum Vorteil gereicht hätte, ist Mhr geschickt aufgebaut, spannend erzählt und spricht den Leser auch durch seine sympathische menschliche Gesinnung an.

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