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Literatur der Freude

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TRAMPEDANK ODER DAS GLÜCK DER PECHVOGEL. Von Martin A. Borrmann. Roman. Lettner-Verlar, Berlin. 82 Selten. Frei 18.80 DM. — DIE GROSSERE LIEBE. Von Mary Ellen Chase. Aus dem Amerikanischen übertrafen von Maria v. Schnei- Bits. Winkler-Verlar, München. .354 Selten. Preis 16.80 DM.

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TRAMPEDANK ODER DAS GLÜCK DER PECHVOGEL. Von Martin A. Borrmann. Roman. Lettner-Verlar, Berlin. 82 Selten. Frei 18.80 DM. — DIE GROSSERE LIEBE. Von Mary Ellen Chase. Aus dem Amerikanischen übertrafen von Maria v. Schnei- Bits. Winkler-Verlar, München. .354 Selten. Preis 16.80 DM.

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Der Romanist Ernst Robert Cur- tius hat einmal gesagt, wir brauchen wieder eine Literatur der Freude. Sicher ein Wunsch, der vielen Lesern aus dem Herzen gesprochen ist inmitten der Flut pessimistischer Zeitliteratur, die die inneren und äußeren Zersetzungserscheinungen unserer aus den Fugen geratenen Welt widerspiegelt und häufig glorifiziert. Bücher, in denen es noch Hoffnung, Liebe und Fröhlichkeit gibt, sind rar geworden heutzutage, und eine positive Lebenssicht ohne Simplifizierung des menschlichen Daseins gelingt nur wenigen Autoren.

Köstlich gelungen ist sie Martin A. Bormann in seinem wunderschönen Roman „Trampedank oder Das Glück der Pechvögel“. Der liebenswerte Untertitel macht es deutlich: Für Borrmann zählt nicht der äußere Erfolg im Leben, sondern die menschliche Bewährung, und er schaut, so gut er die Wirklichkeit unserer verworrenen Welt einzufangen vermag, immer auch hinter die Dinge. Sein seltsamer Held Kuno Trampedank, ein junger deutscher Schauspieler, der um die Jahrhundertwende lebt, bekommt in seinen Lehr- und Wanderjahren zu spüren, wie hart das Leben und die Menschen sein können. Einer, der mit dem Herzen sieht und lebt, „ein Kauz und kleiner Franziskus, dem die verirrten Tiere und auch die verlassenen kleinen Mädchen zulaufen“, muß halt „alles dreifach bezahlen, was den anderen so hingeht“. Aber alle Verstrickungen und Miseren, in die Trampedank durch sein Engagement für andere Menschen gestürzt wird, bringen ihm doch auch vielfachen inneren Gewinn. „Alles dient zu seinem Frommen …“ Und er erfährt viele Male, „daß ein großes Glück immer ein kleines Unglück und ein großes

Unglück ein kleines Glück in sich schließt.“ Das Erstaunlichste aber: Trampedank setzt sich schließlich — man möchte beinahe sagen, trotz seiner unrentablen Tugenden! — auch äußerlich durch. Wahrlich ein mutiger Einfall in einer Zeit, die die Ellbogentaktik als Mittel des Erfolges anzupreisen pflegt. Solcher unzeitgemäßen, wohltuenden Einfälle gibt es viele bei Borrmann. Er stellt uriaufdringlich, aber unüberr h^fbąr, die Kraft dd :W|öp)ichkelt heraus,. die bei aUer Abhängigkeit von den Zeitläufen tina dėf allgemeinen Situation ihre Strahlkraft in der ganz privaten Sphäre und hinein in die weitere Umwelt behält.

Eine bei aller Verschiedenheit des Milieus und der Geschehnisse verwandte Atmosphäre findet sich in dem Roman „Die größere Liebe“ der Amerikanerin Mary Ellen Chase, dessen englischer Titel „The lovely Ambition“ den eigenartigen Reiz des Buches viel besser andeutet.

Die Autorin schildert das Leben einer englischen Pfarrersfamilie, die um die Jahrhundertwende aus Suffolk nach Neuengland verschlagen wird und in der alten und der neuen Welt ihre eigenwilligen Wege geht.

Da ist der Vater Tillyard, der, im Gegensatz zu vielen seiner methodistischen Amtsbrüder (und nicht nur ihnen!) theologische oder gar konfessionelle Probleme leichtnimmt, seine Liebe zu Gott aber, die sich ganz natürlich auf seine Mitmenschen erstreckt, dafür um so ernster. Er möchte allen, die in Not und Sorge sind, helfen, und ist davon überzeugt, daß Gott seine Ziele nicht ohne die Mitarbeit derer, die an Ihn glauben, erreichen kann. „Er hat das Leben immer für besser gehalten als es ist, oder er glaubt wenigstens, daß es bessergemacht werden kann, wenn jeder sein Bestes dazutut“, sagt Mrs. Tillyard einmal halb widerspenstig, halb beschämt. Denn diese leidenschaftliche, kapriziöse und phantasievolle Frau muß immer wieder erfahren, wie mühsam das Leben an der Seite eines solchen Gatten ist. Und doch rebelliert sie nie ernsthaft gegen die wunderlichen, für die ganze Familie beschwerlichen Einfälle ihres Mannes, sondern hilft mit unerschöpflicher Geduld und immer neuer Liebe bei ihrer Verwirklichung.

Daß die drei prächtigen Kinder bei diesen Eltern jede Freiheit einer persönlichen Entwicklung finden, braucht nicht besonders betont zu werden. „Ich glaube, die Menschen müßten ermuntert werden, genau die Dinge zu tun, die sie in dieser Welt am liebsten tun möchten — und wenn es in ihren Träumen wäre!“ ist Mrs. Tillyards beherzigenswerte Maxime. So sind denn alle Mitglieder ihres Hauses ganz sie selbst und doch in inniger Gemeinschaft zu einer Familie verschmolzen, die aus der eigenen Fülle heraus offen für fremde Schicksale zu sein vermag.

Das Buch ist voll von reinen, köstlichen Erfahrungen und Einsichten, die selten sind in der heutigen Literatur, die aber viele Menschen unbewußt suchen. Wie sonst hätte dieses ganz auf das innere Leben gerichtete Buch ein Bestseller in Amerika werden können? Man sollte glauben, daß Mary Ellen Chase auch bei uns viele Freunde finden müßte.

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