Peschka - © Foto: APA/Gert Eggenberger

Karin Peschkas „Putzt euch, tanzt, lacht“: Schutzhaus, Hoffnungsort

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Es könnte auch ganz anders sein: Karin Peschkas neuer Roman „Putzt euch, tanzt, lacht“ überwindet Trauer mit Humor und Empathie und erzählt von Menschen als sozialen und solidarischen Wesen.

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Es könnte auch ganz anders sein: Karin Peschkas neuer Roman „Putzt euch, tanzt, lacht“ überwindet Trauer mit Humor und Empathie und erzählt von Menschen als sozialen und solidarischen Wesen.

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„Ist erst die Welt auf einen einzigen schwarzen Wald geschrumpft, für unsere vier verwunderten Augen, – auf einen Strand für zwei verschworene Kinder, – auf ein Haus der Klänge für unsere helle Sympathie, – dann werde ich Euch finden.“ Diese Zeilen von Arthur Rimbaud scheinen nicht nur ungeahnt in die Gegenwart zu passen, sie vermitteln auch eine Atmosphäre, die man bei der Lektüre von Karin Peschkas jüngstem Roman zu spüren meint. Die Stimmung wird hergestellt durch Bilder, die die Sinne ansprechen, durch eine Sprache, die tastet. Um von Trauer, von Anfällen, von Abgründen, von Sehnsucht zu sprechen, braucht es eine Sprache, die nicht behauptet, sondern sucht, die nicht trampelt, sondern tastet. Es braucht eine Erzählerin, die genau wahrnimmt, die vieles sieht, aber nicht alles weiß, nicht auserzählt, was man nicht auserzählen kann.

Die Zeilen finden sich in den 1886 erschienenen Prosagedichten „Illuminations“ des französischen Dichters Arthur Rimbaud. Im Gedicht „Sätze“ trifft man auf das Zitat, das Karin Peschkas Roman den Titel gibt: „Putzt euch, tanzt, lacht“, „Parez-vous, dansez, riez“. In der Übersetzung von Rainer G. Schmidt heißt es: „Schmückt euch, tanzt, lacht“. Die ironische Mehrdeutigkeit des österreichischen „Putz dich“ und des Peschkaʼschen Titels kommt darin allerdings nicht zur Geltung. Putz dich kann hierzulande immerhin auch heißen: Hau ab.

Fanni haut ab

In diesem Roman hört tatsächlich eine auf, das Haus zu putzen, sie haut ab. Es ist Fanni, 57, Verkäuferin. Haus, Garten, Auto, Mann, zwei erwachsene Kinder. Beauftragt, nach den Vorstellungen des Mannes zu leben und für ihn und den Garten zu sorgen, daneben aber auch den Hausbau der Tochter zu beaufsichtigen. Diese ist schließlich berufstätig, und sie, die Mutter, habe doch Zeit, da sie nur Teilzeit arbeitet.

Eines Tages haut Fanni also ab, lässt ihren Mann mit seiner Migräne allein (die Migräne wird später ebenso verschwinden wie Fanni), fährt einfach los zur Alm ihrer Eltern. Sie landet später in Wien, wo sie von einer bei ihrem Zusammenbruch zufällig anwesenden Ärztin gerettet wird. Diese weiß: „Wenn es einem richtig schlecht geht, dann ist man das kleinste Kind der Welt.“ Die Begegnung mit Tippi, deren Sorge um Fanni in den Tagen und Wochen danach, die vielen Gespräche, das Zuhören: Das alles wird nicht nur einfühlsam und durchaus auch humorvoll erzählt, sondern es stößt vor allem Fannis neues Leben an und konfrontiert sie mit der Frage: Wo ist denn eigentlich ihre Unruhe geblieben?

Karin Peschka erzählt nicht chronologisch, als müsste man mit der Ich-Erzählerin erst ein paar Schalen ablegen oder ihr in ein paar Labyrinthe folgen. Wenn Fanni der Ärztin Tippi ihr Leben erzählt, dürfen sich die Sätze „kurzstapeln, sie brechen ab und kleben und pausieren“. Tippi lässt es zu. Fordert Fanni nicht auf, sich „zu sammeln, die Erinnerung zu ordnen und eins nach dem anderen vorzutragen: Eins nach dem anderen! Weil sie das nicht tut, sondern still sitzt und mich ansieht.“ Darum klappt es, darum kann Fanni erzählen, sich erinnern, neue Wege finden.

Bei einer Lesung aus ihren Erzählungen „Autolyse Wien“ (2017) wurde Karin Peschka einmal gefragt, warum sich die Leute in diesen Geschichten eigentlich nicht mehr zusammenschließen, warum sie einander nicht helfen. Doch „Autolyse Wien“ war eben kein Aufbruchsbuch, die „Erzählungen vom Ende“ nahmen in den Blick, was es heißt, sich nach einer Katastrophe, nach einem Zusammenbruch zunächst einmal zu sammeln. Es gibt Situationen, in denen man nicht sofort weitermachen, alles neu aufbauen kann.

Ein Hoffnungsort, ein Schutzhaus

„Putzt euch, tanzt, lacht“ führt nun weiter und greift damit auf, was Peschka bereits in ihrem Debütroman „Watschenmann“ (2014) thematisierte: Die oft so unbarmherzigen Menschen können ja doch soziale und solidarische Wesen sein. Fanni versammelt auf ihrer Alm nach und nach Menschen, die sie auf ihren Reisen findet. Den langzeitarbeitslosen Velten, das Ehepaar Ohnezweifel, die junge Berlin und Marek, den mit der großen Angst vor Gewittern und der Vorliebe für Rimbaud. Es sind die liebenswertesten Individuen, von denen seit Langem zu lesen war. Aus der Alm wird eine Alpen-WG, ein Hoffnungsort, ein Schutzhaus. Wenn man dort in der Wiese liegt und in den Himmel schaut, zerfällt sogar das AMS-Logo, das die Wolken gerade noch gebildet haben, in Inseln, in viele kleine Boote. Netter kann man die Zwänge des Arbeitsmarktes nicht zersetzen als mit so einem Bild.

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