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LODERNDES FRESKO IN SPLIT

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Am Tage ihres Heiligen — des „Poverello“ von Assisi — wurde in der Franziskanerkirche der Muttergottes von „Dobri“ zu Split ein aufwühlendes Kunstwerk enthüllt. Am gleichen Tage waren seit der Ordensgründung durch St. Franziskus 750 Jahre verflossen. Anlaß genug, den heiligen Dichter des wunderbaren „Hymnus an die Sonne“ durch ein strahlendes Poem in Farben würdig zu feiern.

Seither ziehen Andächtige wie Schaulustige, Fremde wie Einheimische vor diesem gleich einem elementaren Sturm dahinbrausenden Fresko des 1916 zu Dubrovnik geborenen Malers Ivo Dulcic vorüber, welches die ganze Wandfläche hinter dem Hochaltar (200 Quadratmeter) bedeckt. Staunende Bewunderung der Kleinbürger, deT Bauern, der Touristen aus aller Welt vor dieser mitreißenden Talentprobe, vor einem in knappen vier Monaten entstandenen Monumentalwerk.

Sowie man die sachlich-moderne Kirche betritt, wird der Blick von den schmerzhaft auflodernden Farben der Hochaltarwand angezogen. Festgebannt hält ein jeder Besucher den Atem an: Aus phantastischer Nacht leuchten schwebende Sternbilder gleich züngelnden Flammen, darunter zackt sich langgestreckt die vielbuch-tige Küste Dalmatieijs mit den vorgelagerten Inseln, mit sonnenüberglänzten Bergen, brennenden Ebenen, den bekannten alten Städten und Dörfern, welche die in leuchtendem Blau verschwimmende Adria bespült. Darüber schwebt die göttliche Erscheinung des Auferstehenden, eine Hymne in Weiß, getragen von göttlicher Liebe, aufwärts — keine Düsterkeit des Todes vermag diese feierliche Himmelfahrt zu trüben! Blick und Ausdruck des verklärten schmalen Gesichtes, die Gebärde der schmerzhaft schönen Hände verheißen den zahllos wimmelnden Menschenkindern ewige Seligkeit.

Visionär, großartig steigen Gestalten der Landesgeschichte auf. In wilder Ekstase, zurückgeworfenen Hauptes will der seliggesprochene Franziskanermärtyrer Nikola Tavilic (f 1391), der eine flammende Kutte trägt, ungestüm nochmals sein Leben für den Glauben opfern, während der edle Märtyrerbischof Marko Krizev-Canin (f 1619), der dem Fanatismus ungarischer Calvinisten zum Opfer fiel, demütig geneigten Hauptes, mit verkrampften Händen, sich für unwürdig hält, begnadet zu werden.

Auf der anderen Seite die imposanten Slawenapostel Cyrill und Method, denen gerade die Erkenntnis aufgeht, sie wären begnadet worden, Christkönigs Herrlichkeit zu schauen.

Das unter dem Sternenhimmel unruhvoll arbehend, spielerisch tanzend, sich übersprudelnd Voruberschwirren.de entpuppt sich als das sinnvoll engverbunäene, übet den grüngfundigen Teppich seines Landes herbeidrängende kroatische Volk. In bunten Nationalkostümen einen Festzug formierend, suchen sie in den Lichtkreis des Aufwärtsstrebenden, dessen Hände sie segnen, zu gelangen. —

Noch ganz im Banne des geschauten Erlebnisses, begrüßen wir Fra Stanko, den mutigen Pater Guardian der Franziskaner, der in schwerer Zeit den Mut aufbrachte, ein solch neuartig-modernes Fresko — das erste Kunstwerk dieser Art in Dalmatien — für die ihm anvertraute Kirche malen zu lassen. Der stattliche Pater, selbst ein begnadeter Sänger und Musiker, berichtet, was der große Bildhauer Mestrovic im September, vor seiner Rückkehr nach Amerika, ihm anempfahl:

„Ihr dürft keine weiteren Kunstwerke für diese Kirche anfertigen lassen, auch keine Bilder alter Meister an die Wände hängen, es wäre Profanation! Christkönig .adelt dieses Haus, er, der das Universum beherrscht!“ Und der Pater berichtet weiter: „Auch die hockende Bronzeskulptur unseres die .Gusla' streichenden Volkslieder und Heldenepen dichtenden franziskanischen Klassikers Fra Kacic, von Mestrovic als inspirierten Sänger aufgefaßt hat seinen vorläufigen Platz außerhalb der Kirche, in unserem Klosterhof erhalten. Dort singt er unbehelligt mit den Vögeln um die Wette seine noch immer lebendigen Lieder, welche die Volksseele so innig erfassen. — Wir respektieren die künstlerischen Anordnungen unseres Altmeisters Mestrovic!“

Wieder im jetzt dämmerigen Kirchenschiff, ziehen wir langsam an dem Fresko vorbei. Ein Arbeiter neben mir sagt zu seinem Kameraden: „Du, dieses Bild ist wie verhext, es macht aus uns andere Menschen. Wir stehen davor, lassen uns erschüttern, obwohl wir es nicht begreifen. Und kommen immer wieder her!“

„Wenn es wenigstens ein wundertätiges Bild wäre, wie die Madonna von Sinj — Tag für Tag würden es alte und junge Frauen kniend verehren! Doch es ist ja modern, ich habe den Maler gesehen, ein alltäglicher Mensch.“

Zwei Studenten drängen nach vorn. „Es müßte eine poetische Legende haben, denn legendenreich ist dieses Land!“ erklärt der eine seinem Kollegen mit heller Stimme.

„Das stimmt. Eine kleine poetische Fabel — und das großartige Wandgemälde des Dulcic wäre in den Augen des Volkes vollkommen!“

Geduld, liebe Freunde — sinne ich. Das Wunderbare wird vielleicht erst euren Enkeln aufgehen. Allmählich wird sich die Legende bilden. Frommer Glaube wird dem weißen Heiland aus Sternen einen Strahlenmantel weben, auf daß er im Ornat des Christkönigs über den kroatischen Landen aufsteigt, um sie zu segnen!

Dann besuchte ich die „Skulpturen aus zwei Jahrtausenden“, eine Schau aus dem Palast des Soldatenimperators Diokletian, die in bisher freigelegten Sälen des Untergeschosses seines „Castrums“ der Besucher harrt.

Heute wollte ich nur mit den melancholischen Musikanten abrechnen. Im „kleinen Rundsaal“ waren sie versammelt. Zuerst Pan; unsichtbaren Nymphen zum Tanze aufspielend. Jener Waldgeist, welcher der Flöte seit 1900 Jahren klagende Weisen entlockt. Schwermütig taktierend, ein alter Flötist. Sein Kollege, ein kleiner Faun, verführt eifrige Böcklein zu tollen Sprüngen. Dorfmusikanten.

Plötzlich schienen sie Masken vor den eigenen Totenköpfen zu tragen. Sie klagten: „Weil wir falsche Götter waren, mußten wir sterben!“

Ich nicke. Auch diese Stadt muß vergehen — der geschändete Palast könnte sie eine Weile überdauern. Doch lauschet heute der göttlichen Botschaft: „Ehre sei Gott in der Höhe!“

Suchet sie in Ehrfurcht zu erfassen!

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