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LUDWIG STEINER / JAHRGANG 1922 AM BALLHAUSPLATZ

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Am 14. April wird der „Lucki“, wie ihn seine Freunde nennen, 39 Jahre. Sein Diplomatendienstrang ist der gleiche, den Bundesminister Kreisky hatte, als er Staatssekretär wurde. Aber es wird kaum jemanden in seinem Alter geben, der eine so breite politische Erfahrung mitbringt; denn Steiner kennt die Regierungsgeschäfte auf jeder Ebene! Er begann als Sekretär des Bürgermeisters einer Lan deshauptstadt, wurde Sekretär des Landeshauptmannes, des Außenministers und schließlich des Bundeskanzlers. Im österreichischen Außendienst wurde er in Paris verwendet und war zuletzt Geschäftsträger in Sofia.

Mit Politik „belastet“ ist Steiner von Jugend auf, mußte er doch schon als Kind erleben, wie sein Vater, ein Bäckermeister und christlichsozialer Gemeinderat von Innsbruck, in das KZ verschleppt und dort ermordet wurde.

Als der junge Steiner bei den Gebirgsjägern auf der Kriegsschule ausgemustert wird, holt man ihn im allerletzten Augenblick aus Reih und Glied heraus, und die Leutnantsschulterstticke werden ihm wieder abgenommen. Als Feldwebel geht Steiner an die Front. Bei einem seiner zahlreichen Einsätze wird er sehr schwer verwundet, rettet aber seine Männer vor der Gefangennahme. Spontan befördert ihn sein General für seine Tapferkeit zum Leutnant.

Als Schwerverwundeter kommt Steiner in seine Tiroler Heimat zurück. Er sieht den Wahnsinnskampf, in den Gauleiter Hofer die Tiroler hineinmanövrieren will. Sofort schließt sich Ludwig Steiner der Widerstandsbewegung an und wird mit führender Tätigkeit betraut. Unter anderem war er an dem gelungenen Handstreich beteiligt, durch den das deutsche Oberkommando auf der Innsbruk- ker Hungerburg außer Aktion gesetzt wurde. Als die Meldung eintrifft, daß sich eine Einheit der SS im Oberinntal eingenistet habe und die heranrückenden Amerikaner deswegen den Ort Zirl unter Feuer nehmen, schlägt sich Steiner als Parlamentär der Widerstandsbewegung durch die Linien und erreicht durch kluges Verhandeln von den Amerikanern die Feuereinstellung.

Steiners neue Position als Staatssekretär im Kabinett Gorbach wird ihn auch zum Exponenten der Südtirolpolitik machen. Da ist er der richtige Mann. Schon 1952 war er Leiter der Außenstelle des Bundeskanzleramtes in Innsbruck, des damals zuständigen Amtes für Südtirol. Steiner ist aus seiner sittlichen Einstellung ein überzeugter Anhänger der Selbstbestimmung, aber als loyaler Durchführender seines Auftrages wird er mit' der ihm im Übermaß zur Verfügung stehenden Energie die Vollautonomie für Südtirol anstreben.

Die harte Jugendzeit, die jahrelangen Schmerzen, die er noch durch vier Operationen an seiner Kriegswunde zu erleiden hatte, der Kampf an der Front und vor allem in der Widerstandsbewegung, die Opfer, die er für sein Studium als Werkstudent bringen mußte (Steiner ist Diplomvolkswirt und Doktor rer. pol.), haben ihn abgehärtet. Sein Charakter wurde auch durch die jahrelange Tätigkeit als Sekretär von Mächtigen nicht korrumpiert. Steiner ist Katholik, einsatzbereit für seinen Glauben, für seine Tiroler Heimat und für sein österreichisches Vaterland. Sein Familienleben (Frau geborene Danielle Alexander aus Wien, Gaby, fünf Jahre, Thomas, drei Jahre) ist außerordentlich glücklich; die notwendige Entspannung holt er sich beim Bergsteigen und Skifahren. Steiner ist kein Intellektueller, aber besitzt gesunden Hausverstand mit einer angeborenen Gabe für Realität und Durchführbarkeit einer Aufgabe, kein Flüsterer und schon gar nicht jemand, dem man etwas einflüstern kann. Ein loyaler Partner und ein sehr unangenehmer Gegner. Ein junger Mann der ÖVP? Vor allem kein schwacher Mann

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