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Lyrik junger Österreicher

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In den Gedichten junger Österreicher, die Hans M. Löw in der Anthologie „Die Sammlung“ (Ullstein-Verlag) herausgegeben hat, sind kaum Versuche vorhanden, Rilke Sprachformen oder seine Art der Weltbetrachtung nachzuahmen, die doch noch bis in den Krieg hinein das Schaffen junger Dichter so sehr beeinflußt haben, nichts auch von jener Rilkeschen Schwermut, von der jugendliche Lyrik so gerne angesteckt wird. Hingegen entdeckt man viel Volksliedhaftes, einiges in klassischen Versmaßen und schließlich Strophen — etwa bei Hans Heinz H a h n 1 und Herbert Eisenreich —, die von Georg Trakl inspiriert sind.

Dies allein könnte schon darauf hindeuten, daß sich diese jungen Dichter und Dichterinnen um Einfachheit bemühen, nicht in Nuancen und sorgfältig gedämpften Zwischentönen schwelgen, sondern volle Töne und Farben treffen wollen. Der Inhalt der Poeme bestärkt diesen Eindruck: hier wird schlichter und klarer, manchmal auch gröber gesprochen, als es junge Dichter noch vor dem zweiten Weltkrieg taten — zugleich aber mit einer Herzlichkeit, die jenen fremd gewesen ist. Sie ist es, die den Gedichten zweier Mädchen ihren Reiz und ihrer Sprache warme Bildhaftigkeit verleiht und sie zu den schönsten des kleinen Buches macht, so daß man dessen Besprechung füglich mit dem „Sonntagsmorgen" von Vera Ferra beginnen kann:

Mir ist wie einem, der Geburtstag hat.

Ein guter Traum strich mir die Stirne glatt, und ich bin immer noch nicht völlig wach, wenn auch die Bienen durch den Kirschbaum schwärmen.

und eine Taube gurrt am Schindeldach.

Was mir die Uhr sagt, ist mir einerlei. Geputzte Mädchen gehn am Zaun vorbei, und ein Geflirre goldner Strahlen kämmt mir warm die Haare, und ich schlüpfe selig als brauner Falter aus dem Leinenhemd.

Hier ist die „Magdkammer" Christine Bustas anzuschließen, in der sich mit ähnlicher Natürlichkeit ein im Grunde gleiches Gefühl ausdrückt: eine warme Sachlichkeit, die frei von jedem Überschwang die Dinge mit den ihnen zukommenden Namen benennt: •

Tisch und Stuhl. Kein Strauß. Ein reines

Lager.

Fremd fast schaut der Spiegel in den Raum. Draußen steigt der bienenschwere Sommer golden in den alten Lindenbaum.

Herrisch ruft vom Hof der junge Bauer, wandentlang verwirrter Falterflug.

Und im Dämmer unterm braunen Heiland harrt die Sichel still bei Korb und Krug.

An diesen Gedichten — man wird sie in ihrer Art vollendet nennen können — gibt es keine Unklarheit; sie sind deutlich, unprätentiös und nichts in ihnen bedürfte einer Auslegung. Man nehme einige Verse aus dem „Bildnis des Menschen“ von Rudolf S t i b i 11 hinzu. Strenger und noch einfacher sind die den anderen innig verwandt:

Schwer versucht der Mensch, seine Seele von Erde zu lösen,

dennoch und immer tritt er zurück dann ins eigene Wohnen,

greift in den Weihbrunn und weilt voll Segens in seiner Türe,

weihnachts dann kniet er im Stall vor dem Kinde und bebend vor Kindschaft:

Dieses ist Leben. Und Leben ist alles, und schön ist dies Leben.

Diese Unmittelbarkeit der Anschauung und die innere Freundlichkeit bleibt selbst dort bestehen, wo Friederike Mayröcker oder Hermann Friedl zu surrealistisch getönten Rhythmen und Vergleichen greifen.

Naturgemäß — wie könnte es bei jungen Dichtern nach einem Weltkrieg auch anders sein — birgt „Die Sammlung“ viel Gedanken- und Bekenntnislyrik; sie enthält jedoch, wofür man dem Herausgeber wie den Didi tern dankbar ist, wenig Weltschmerzliches und nicht viele allzu subjektive Aussagen. Sie ist gläubig, aufgeschlossen und, was vielleicht überraschen mag, von kräftigem Optimismus erfüllt. Herzlichkeit wird hier nicht selten zu Herzhaftigkeit. So etwa scheut Walter Toman

— dem man zu seiner Begabung ein wenig Selbstdisziplin wünschen möchte — nicht den Vorwurf der Skurrilität, dem man ihm leicht machen könnte, wäre nicht inmitten verzerrter Bilder wahre Ergriffenheit zu verspüren:

Was ich glaube,

das füllt mir den Tod mit Jubel, das baut mir hinter den Tod eine Orgel voll Licht…

Dort oben in den Wolken wandert mein Kopf mit zitternden Ohren.

Das macht der Jubel.

Vom Jubel beben meinem Kopfe die Qhren. Gebläht wie Segel sind seine Schläfen.

Und werden mir unten die Wege zerschnitten.

in Schleifen gelegt,

Dort oben wandert mein Kopf weiter.

Man bedauert fast, die Reihe der Beispiele nicht noch mit Gedichten wenigstens von Heinz Egon Scholz, Hans M. Löw, Hans Baus en wein, Walter Schlor- h a u f e r oder Maria Zittrauer erweitern zu können. Jeder der einunddreißig Jungen, die in dieser Sammlung zu Worte kommen, hat zumindest einige Zeilen, in denen Schönes schön gesagt ist oder aus denen doch — wenn schon noch Mangel an künstlerischer Reife vorliegt — ehrliches Bemühen aufscheint.

Man kann sich in der Tat über „Die Sammlung" freuen. Sie macht uns mit Begabungen bekannt, die noch manches erhoffen lassen. Und sie gibt zu erkennen, daß sich in der Jugend dieser Zeit genug Kräfte regen, die sehr ernstlich auf Ordnung und Sauberkeit im künstlerischen und im menschlichen Bereich bedacht sind, junge Leute, die reif genug sind, um zu wissen, daß sie am Anfang eines schweren Weges stehen, aber wiederum jung genug, um von Zuversichtlichkeit erfüllt zu sein. Über das Buch hätte man das kurze und innige „Gebet“ von Alfred Josef Paika ehr wohl als Motto setzen können:

Die wir nun wieder beginnen

Werke aus Trümmern zu baun — all unser Trachten und Sinnen soll Deinem Maße vertraun!

Laß über uns nicht erglühen flammend Gerechtigkeit;

schenke dem neuen Bemühen

Deine Barmherzigkeit.

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