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Manner der Feder und Zeitungen

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Rom, im April 1947 Als der zweite Weltkrieg zur Neige ging, stand der in der ganzen katholischen Welt wenigstens den Männern vom Fach bekannte Hauptschriftleiter des „Osservatore Romano“ Giuseppe Conte Dalla Torre di Sanguinetto 25 Jahre an der Spitze des Redaktionsstabes der vatikanischen Zeitung. Diese widmete ihm Glückwunschartikel und Unterstaatssekretär Prälat Montini erschien in der Redaktion, um ihm im Auftrage des Papstes eine hohe Ehrung zuteil werden-zu lassen. Ihr folgten da und dort freundliche Kommentare in der Tagespresse. Die hochgehenden Wogen des Weltgeschehens nahmen aber damals das Interesse der Öffentlichkeit zu sehr in Anspruch, als daß jemand mühevoll der Wirksamkeit Dalla Torres nachgespürt und der Mitwelt ein Porträt dieses im Tageskampfe der Weltanschauungen in der vordersten Linie stehenden Publizisten und Redners hätte darbieten können. Erst jetzt, nach bald zwei Jahren, erscheint ein Sammelband unter dem Titel „Uomini e giornali“. Die großen Journalisten von gestern in der Schilderung der Journalisten von heute, besorgt von Silvio Negro und Andrea Lazzarini (Verlag Adriano Salani, Florenz), der als Angebinde, scheinbar verspätet, Dalla Torre dargebracht wird. Ist aber nicht diesmal das so charakteristische, bald lobend, bald tadelnd ausgesprochene Wort: Roma mora, Rom hat Zeit, eine Gewähr für vertiefte Werte?

Auf 301 Seiten sind hier ' 37 Aufsätze über vornehme Männer der Feder, vor allem aus dem letzten halben Jahrhundert, von italienischen und ausländischen Autoren vereinigt. Das italienische Element überwiegt dabei, wie es natürlich ist, weil es ja die nächste Umwelt der vatikanischen Tageszeitung ist. Hier kann der Leser wirklich hineinschauen in das berufliche und, politische Ringen, in das buntbewegte Leben von Persönlichkeiten, die die öffentliche Meinung Italiens in mehr als fünf Jahrzehnten mitformten, durch deren Inneres die kulturellen Strömungen und sozialen Bewegungen hindurchgingen, die Analysen unternahmen und ihre eigenen Synthesen vor einem sehr aufgeschlossenen Forum zur Aussprache stellten. Erfreulich an dem Band ist der frische Geisteswind, der aus ganz verschiedenen Richtungen der politischen und auch der kulturpolitischen Grundeinstellung weht. Im ersten Aufsatz begegnet uns Mathilde Serrao, die ungemein vielseitige und begabte Dichterin, Schriftstellerin, Zeitungsgründerin und Leiterin, die Neapolitanerin mit der griechischen Mutter, in der noch einmal das alte kulturelle Band zwischen Süditalien und Griechenland, die Magna Graecia, personifiziert erschien. Der frühere Ministerpräsident Ivanoe Bonomi, der bekanntlich im nachfaschistischen Italien wiederum in den Vordergrund rückte, hat einen Beitrag, „Erinnerungen eines Redakteurs des ,Avanti* “, geliefert, womit er selbst gemeint ist, der als junger Mann von 25 Jahren in die Schriftleitung des sozialistischen Hauptorgans Italiens eintrat. Mit Leonida Bissolati, der ebenfalls von der Arbeit an der Tagespresse und in der Politik zur Mitgliedschaft im Ministerium Orlando berufen wurde, teilte er das Schicksal, daß er später aus der sozialistischen Partei ausgeschlossen wurde. Bissolati begegnen wir in einem eigenen, ihm von L. Bottazzi gewidmeten Artikel. Im Pressewesen Italiens haben die großen Mailänder und Turiner Blätter stets eine beträchtliche Rolle gespielt, die sich sogar in der faschistischen Epoche nicht völlig verwischen ließ. In die geistige Werkstatt der Turiner „Stampa“ führt uns ein. Essay über Ambrosini und die alte „Stampa“ ein. Es zeigt uns auch den regen Anteil, den Senatoren und Diplomaten, wie der spätere Botschafter Senator A. Frassati, an einem solchen Organ echter Meinungsformung und nicht etwa politischer Einflüsterungen nahmen. Einen beträchtlichen Faktor im italienischen Blätterwalde machen in den letzten sieben Jahrzehnten auch katholische Zeitungen und Zeitschriften bis in die faschistische Regierungszeit hinein aus. Zum Teil sind es konservative Kräfte, die sozial recht aufgeschlossen waren, zum anderen Teil demokratische Elemente, die sich um Don Sturzo scharten. Aus beiden Lagern begegnen uns in Schilderungen und anziehenden Scherenschnitten die markantesten Namen. Da stehen auf der Seite der mehr konservativ gerichteten Katholiken als Männer der Feder Senator Marchese Filippo Cr spolti, dem Egilberto Martire ein kleines Kabinettstück widmet, dann unter den Mitgliedern der Redaktion des „Corriere d'Italia“ Marchese Gae'tano de Feiice und der Priester Giul:o de Rossi. Unter den „Fortschrittlichen“ Ernesto V e r c e s i, der eine Zeitlang Mitarbeiter der Wiener R e i c h s p o s t“ war, und der in der heinischen Metropole gelegentlich an den iledaktionssitzungen der „Kölnischen Volks-/eitung“ teilnahm.

Unter den großen Publizisten Italiens hat mit Recht der langjährige Hauptschrift-leiter der wohl bedeutendsten theologischen Halbmonatsschrift des Landes, der römischen „Civilta Cattolica“, P. Enrico Rosa S. J., ein Denkmal verdient. Sein Ordensbruder Domenico Mondrone hat es ihm eindrucksvoll gesetzt. P. Rosa eignete ein weiträumiger, unerschrockener Geist. Dem Charakter des Piemontesen, dem Züge der Güte und väterlichen Milde keineswegs fehlten, war doch unerschütterliche Grundsat7festigkeit als besonderes Wesensmerkmal aufgeprägt. Fr erwies sie schon im ersten Weltkriege in einer umfangreichen Aufsatzreihe, die später unter dem Titel „Visione cattolica della guerra“ herausgegeben wurde; sie bewährte sich auch im Widerstände gegen Mussolini, als dieser an die Katholische Aktion Italiens 1931 Hand anlegen wollte.

Die ungünstigen Verhältnisse nach Ende des zweiten Weltkrieges und vor Unterzeichnung der Friedensverträge ließen es nicht zu, daß in dem Buche auf größerem Räume die katholische Publizistik anderer europäischer Länder zu einem vollendeten Panorama vereinigt werden konnte. Immerhin treten uns beachtliche Ausschnitte daraus in den letzten Beiträgen des Werkes entgegen, so ein Kapitel von Augusta L. Francis über die katholische Presse Englands. Jeröme und Jean Tharaud lieferten eine nachdenkliche, mancherlei Perspektiven eröffnende Studie über Charles Peguy. Emund Raitz von Frentz behandelte katholische Männer der Feder aus Deutschland und Österreich. Im Zuge der Gestalten treten uns Karl Muth, Theodor Haecker, Viktor Naumann, Joseph Froberger, Karl Höber und Ambrosius Opitz unter den schon Dahingeschiedenen entgegen. Aber die Linie wird fortgeführt bis zu der älteren Generation der Lebenden, zu Friedrich Funder, Richard Schmitz und Hans Rost. Einen weihevollen Ausklang gewinnt der Widmungsband an Giuseppe Dalla Torre durch seinen Schlußartikel „Erinnerung an Hein Höben“ von Felix Morlion, ein Gedenken an jenen verhaltenen, körperlich zarten, aber charakterlich wunderbar starken katholischen Niederländer, der für seine religiöse Überzeugung am 2R Februar 1942 im Gefängnis am Alexanderplatz zu Berlin den Tod erlitt.

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