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Maria Theresia

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Unter den tausendcn Schriftstücken von

der Hand der großen Kaiserin, die das

Wiener Staatsarchiv verwahrt, finden sich auch drei ganz unscheinbare Blättchen.

Das erste ist ein Brief der jungen Erzherzogin Maria Theresia an ihren „vill-geliebten Bräutigamb“ Franz Stephan von Lothringen, geschrieben zwei Tage vor ihrer Hochzeit, am 10. Februar 1736. In eckigen, fast noch kindlich anmutenden Schriftzügen gibt darin die Neunzehnjährige mit dem ganzen unbefangenen Scharm ihres Wesens der Freude darüber Ausdruck, daß diese Fahrt Franz Stephans zur Hochzeit nach Wien die letzte Reise sein werde, die er „ohne seiner so ergebenen Braut“ werde machen müssen. Und das zweite Blatt, dreißig Jahre später. 1766: ein Briefumschlag, in dem die trostlose Witwe einige Aufzeichnungen ihres „großen liebsten Kayser und Herrn“ verwahrt und auf dem sie ihrem Jammer. in rührenden Worten Ausdruck gibt. „Mein Herz, meine Sünnen“, so klagt sie, „haben nichts anderes geliebt, gekannt und verehrt als diesen großen liebwärtesten Gemahl. Von fünf Jahren an wurden unsere Herzen zu-sam gewöhnt und erzogen und wird vor mich keine vergnügtere stund mehr sein als jene, die mich wiederumb selben auf ewig verbünden wird.“

Das dritte Blatt endlich trägt das Datum des 28. November 1780. das ist des Tages vor ihrem Heimgang. Es sind die letzten Zeilen, die die langsam und qualvoll am Herzasthma Sterbende zu Papier gebracht hat, und sie enthalten einen Segenswunsch an ihre Kinder und Enkel, die in dieser schweren Stunde nicht bei ihr sein können, um persönlich ihren Segen zu empfangen.

Halten wir diese drei Blätter in Händen, so halten wir damit gleichsam das ganze Herz, den ganzen Herzensroman dieser wunderbaren Frau umschlossen. Von ihrem Eintritt ins Leben an, als glückstrahlende, junge Braut, als Gattin an der Seite des über alles geliebten Mannes in heiteren und trüben, in ruhigen und stürmischen Tagen, als Mutter einer blühenden Kinderschar, bis sie stirbt mit einem Segenswunsch für Kinder und Enkelkinder auf den Lippen.

Aber greifen wir aus der unendlidien Fülle drei andere Blätter heraus:

Da lesen wir zum Beispiel in einem Billet an den Staatskanzler Grafen Uhlfeld vom August 1743 von dem Frieden, auf den man um jeden Preis hinarbeiten müsse. ..Und doch müssen wir ihn, glaube ich, auf alle Weise zu Stande zu bringen suchen. Ich werde arbeiten, mir Mühe geben, und soutenire alles, was möglich ist und mir an die Hand gegeben werden kann.“

Und in ihrer großen Denkschrift odei, wenn man will, ihrem Rechenschaftsbericht oder politischen Testament vom Jahre 1756 finden wir die wunderbaren Worte: „Aller-maßen in allen meinen Thun und Lassen zur Hauptmaxime erwählet, allein auf Gott zu trauen dessen Allmacht ohne mein Zu-thun noch Verlangen mich zu diesem Stande auserwählet, welcher also auch mich würdig zu machen hätte ... Welche Wahrheit mir täglich vor Augen geleget und reiflich erwogen, daß nicht mir selbst, sondern dem Publico allein zugehörig seie... Und so lieb ich auch meine Familie und Kinder habe, dergestalten, daß keinen Fleiß, Kummer, Sorgen noch Arbeit vor selbe spahre-so hätte jedoch derer Länder allgemeine: Beste dencnselben allezeit vorgezogen, wann in meinem Gewissen überzeuget gewesen wäre, daß solches thun könne, oder daß dererselben Wohlstand dieses erheischete, indeme sothaner Länder allgemeine und erste Mutter bin.“

Und halten wir dazu endlich noch einen der kleinen, formlosen, undatierten Zettel an den Fürsten Kaunitz, wie sie fast täglich aus dem Kabinett der Kaiserin in die Staats-kanzlei wanderten, Regierungssorgen an-

zeigend, Rat und Hilfe heischend: „Bey meinen villen Hausunglücken“, heißt es da zum Beispiel etwa Anfang der siebziger Jahre, ,-habe noch die Betrübnis, aus dem protoeol zu sehen, daß das Finanzwesen gahr nicht in Ordnung ... Ich suche meine Hilff bey Ihme ... Ich erwarte mir allein von Ihme, daß er mir mit seiner Gewohnheit frey-müthig rathe und sage, wo es gefählet ist. wie zu helfen“ ...

Da sehen wir nun mit Erstaunen, es ist genau das gleiche Bild, hier wie dort, nur sozusagen auf einer anderen, auf einer höheren Ebene. Denn ist es dort der innigst-geliebte Gemahl, der Gatte, um den all ihr Fühlen und Denken kreist, so gilt hier ihr ganzes Sinnen und Trachten, ihre leidenschaftliche, glühende Hingabe dem Staat, dessen Lenkung der Allmächtige ihr anvertraut hat, sind es dort die leiblichen Kinder und Enkel, so sind es hier die Untertanen, die Landeskinder, die sie umsorgt in nimmermüder Arbeit. Es sind zwei Leben, die sich vor unseren Augen abrollen, und es ist doch nur eines, in so vollkommen gleichem Rhythmus fließen diese beiden dahin, in so reiner vollendeter Harmonie verläuft öffentliches und privates, rein menschliches Dasein. Da ist kein Sprung, keine EHssonanz. kein Widerspruch, es ist wie ein voll und rein tönender Akkord.

Es ist nun von höchstem Reiz, diese Zwei-heit, die doch nur eines ist, einmal auch von weiblicher Seite dargestellt zu sehen, von einer echten Dichterin geschaut und gestaltet. Denn es kommt da mancher Ton zum Erklingen, den wohl nur eine Frau zu

erlauschen oder zu erahnen und anzuschlagen vermag, der kl der Darstellung jedes, auch des einfühlungsfähigsten Historikers oder Dichters stumm bleiben würde. Es zeigt sich, daß gar manches in der Psyche einer Frau, und wäre es die mächtigste Herrscherin, doch nur wieder eine Frau richtig nachzufühlen, zu verstehen und zu deuten vermag.

Else Knobloch ist das in ihrem Maria-Theresien-Roman in hervorragendem Maße gelungen. Arbeitet sie vielleicht ab und zu auch etwas viel mit Superlativen, mit seelischen Hochspannungen, so tritt doch in ihrer formvollendeten Darstellung das Doppelwesen dieser großen Frau und großen Herrscherin, dieses Doppelwesen, das ja nur eines ist, in unmittelbare, lebensvolle Erscheinung. Vergleichbar etwa den beiden Bildern eines Stereoskops, die die Gestalt plastisch vor unser Auge hinzaubern. Dazu kommt die historische Treue, mit der die Dichterin ihre Szenen aufbaut, die auch strenger, sachlicher Kritik standhält und auf schmückendes, romanhaftes Beiwerk fast gänzlich verzichtet. Sie fußt offensichtlich auf dem verläßlichsten Schrifttum, das wir über Maria Theresia besitzen, vor allem auf Arneths erschöpfenden Publikationen, dam von ihm herausgegebenen umfangreichen Briefwechsel der Kaiserin und nicht zuletzt auf den Tagebüchern des Fürsten Johann Joseph Khevenhüller, des langjährigen, getreuen Obersthofmeisters. Gerade diese Tagebücher in ihrer Naivität und mit ihrem nicht gerade sehr weiten Blickfeld bringen eine solche Fülle kleiner, sonst nirgends überlieferter Charakterzüge der Kaiserin, schildern einzelne Szenen des Hoflebens so unmittelbar, daß sie' uns die Gestalt Maria Theresias erst wirklich lebendig gemacht haben. Else Knobloch nun verwertet dieses ganze, reiche Quellenmaterial mit hoher Meisterschaft, in Schilderungen voll dramatischer Bewegung und Spannung, in lyrisch zart und rief empfundenen Bildern, die, einsetzend mit dem Tod Kaiser Karls VI., mit dem Heimgang Maria Theresias enden.

Es ist ein Buch von hinreißendem Schwung, ein Hoheslied der Frau und der Herrscherin Maria Theresia, das ihre überragende Gestalt auch einem weiten Leserkreis nahezubringen vermag und das jeder nur etwas historisch interessierte Österreicher, jede Österreicherin mit Freude, mit Spannung und mit hohem seelischen Gewinn lesen wird.

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