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Mauern fallen

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alls re crumbling. Seven Jewish Philosophers discover Christ. Von John M. Oesterreich . Ehe Devin-Adair Company, New York. 393 Seiten

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alls re crumbling. Seven Jewish Philosophers discover Christ. Von John M. Oesterreich . Ehe Devin-Adair Company, New York. 393 Seiten

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Vor kurzem berichtete die internationale Presse, Professor Jean Wahl habe interessante Einzelheiten aus Bergsons Testament mitgeteilt. Dieses Testament nun wurde bereits 1952 auszugsweise in dem hier angekündigten Buch veröffentlicht, das uns leider erst jetzt zur Besprechung zugegangen ist. Daß der Verfasser auch sonst über die einzelnen Lehren sowie über das Leben der von ihm ausgewählten Philosophen ausgezeichnet informiert ist, zeigt sich im ganzen Werk, vor allem im bibliographischen Anhang, in dem zum Beispiel die holländische Veröffentlichung über den Widerstand des niederländischen Episkopats während des Hit- lerismus angeführt ist.

Trotz der philosophischen Substanz schöpft das Werk so reichlich aus dem Persönlichen der behandelten Figuren, daß der Leser oftmals innerlich erschüttert und gerührt ist. Das Buch liefert, vielleicht ungewollt, den Beweis, daß Philosophen auch nur „gewöhnliche Menschen“ sind, aber gleichzeitig widerlegt es die übliche Auffassung, daß man Dichter und Denker am besten nicht persönlich kennenlernen soll. Wenn uns vor zwanzig oder dreißig Jahren dieses oder ein ähnliches Werk geschenkt worden wäre, wie glücklich hätte es uns gemacht, weil es gerade von jenen Denkern spricht, die damals mit Recht die geistigen Führer waren oder als solche wieder neu entdeckt wurden, obwohl wir in jener Zeit von den meisten nicht wußten, daß sie geborene Juden waren.

Hier stehen sie wieder vor uns. die alle — mit Ausnahme von Max Picard — über die letzte Schwelle schon in das Ewige Licht getreten sind, nachdem einige von ihnen auf Grund ihres Geburtsscheines die schrecklichsten Qualen erleiden mußten. Father Oesterreicher führt uns wieder ein in das System des „elan vital" von Henri Bergson, an dessen baptismus flaminis auch nach dieser Veröffentlichung nicht mehr zu zweifeln ist; r zeigt uns die strenge Logik und Seinslehre Ed. Husserls auch im Zusammenhang mit seinen Lehrern Brentano und Bolzano, den Juristen und Musikfanatiker Adolf Reinach, der im November 1917 in Flandern fiel, wir erleben wieder die Wesensschau in „Vom Ewigen im Menschen" und in „Formalismus in der Ethik" von Max Scheier, der uns sofort faszinierte und doch, immer wieder entschlüpfte, Paul Landsberg, dessen „Welt des Mittelalters" uns 1922 eine Offenbarung war, aber dessen tiefste Gedanken uns erst jetzt erreichen, da sie im Konzentrationslager erblühten — und schließlich Edith Stein, die summa cum laude ihr philosophische Doktorat erlangte und dann als Karmeliterin ein gottbegnadetes und reiches Leben führte, bis auch sie den Weg ihrer Stammesgenossen in di Gaskammer antreten mußte.

Das Buch widerlegt in überzeugender Weise die Auffassung, daß der sogenannte jüdische Intellekt destruktiv und zersetzend sei. indem es die sieben Gestalten als konstruktive Denker schildert, die alle den Weg zur Una sancta gefunden haben, während einige, wie Bergson, Husserl und Scheier, aus der modernen Philosophie nicht mehr wegzudenken sind. Dabei zeigt sich merkwürdigerweise eine gewisse persönliche Begegnung, eine Art ,,ec- clesia praesanctificatorum", die einige von ihnen miteinander verband. Denn Husserl war der Freund und Lehrer Scheiers, Reinach studierte bei Husserl und absolvierte unter Scheier in Köln; in Göttingen -war es Reinach. der als erster Edith Stein an die Hand ging. Als sie ihre glänzende Promotion machte, war Husserl dort kurz vorher ernannt. Er machte sie zu seiner Assistentin, und schließlich begegnete sie Scheier, der ihr den Weg aus dem Rationalismus zeigte. Ist es zu verwundern, daß Jacques Maritain. Bergsons Schüler und Freund, diesem ausgezeichneten Buch ein Vorwort mitgab?

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