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Max-Ophüls-Filmfestival ‘94

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Große Themenvielfalt, hervorragende Schauspieler, heftige Diskussionen und Preise für Österreich gab es beim Max-Ophüls Filmfestival vom 25. bis 30. Jänner in Saarbrücken.

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Große Themenvielfalt, hervorragende Schauspieler, heftige Diskussionen und Preise für Österreich gab es beim Max-Ophüls Filmfestival vom 25. bis 30. Jänner in Saarbrücken.

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Lorbeeren erntete der österreichische Beitrag „Indien“ beim diesjährigen Max- Ophüls-Preis- Filmfestival.

Paul Harathers skurrile Geschichte (FURCHE 50/93) mit den Kabarettisten Alfred Dörfer und Josef Hader in den Hauptrollen bekam den Publikumspreis und den mit 20.000 DM dotierten Preis des Saarländischen Ministerpräsidenten. Den mit 50.000 DM dotierten Max- Ophüls-Preis 1994 gewann die Schweizer Produktion „Scheinschwangerschaft“ von Denis Ra- bagila. Die sozialkritische Satire erzählt die Geschichte des Martin Dorval (Tom Novembre), der erfährt, daß ihn sein jüngstes Liebesabenteuer zum Vater machen wird. Die Überraschung wird noch größer, als ihm die werdende Mutter jegliche Vaterschaftsverantwortung abspricht. Verzweifelt versucht Martin nun, die junge Frau wieder für sich zu gewinnen, was von seiner Ex- Frau und anderen krisengeschüttelten Freunden und Bekannten vereitelt wird.

Für Aufregung und Diskussionen sorgte dieses Jahr der deutsche Film „Beruf Neonazi“ von Winfried Bonengel.

Dieser

Film sollte ursprünglich beim Max-Ophüls-Filmfestival gezeigt werden, wurde aber mit der Begründung, der Film werfe ein schlechtes Licht auf das Festival, von Max Ophüls1 Sohn Marcel und vom Oberbürgermeister der Stadt Saarbrücken Hajo Hoff- mann verboten. Gesehen hatten die Herren „Beruf Neonazi“ allerdings nicht, als sie ihn aus dem Programm strichen.

Laut Pressetext porträtiert „Beruf Neonazi“ den gefährlichsten Ideologen der deutschen Neonaziszene: Ewald Äthans. Aufgeräumt wird mit dem Klischee des hinterwäldlerischen Stammtisch-Nazi mit Hitlerbärtchen und dem Feindbild des rechtsextremen Skinhead mit rasiertem Schädel. Vielmehr zeigt der Film angeblich das moderne Bild des Rechtsradikalismus: intelligent, offensiv, skrupellos und vor allen Dingen geschäftstüchtig und planvoll. Aber das Verbot von „Beruf Neonazi“ wirft ein schlechtes Licht auf das Festival. Die Verantwortlichen erklären damit das Festivalpublikum für unmündig und unfähig, sich eine eigene Meinung über den Film zu bilden.

Wenn nicht auf einem Filmfestival, wo sonst sollte ein so vieldis- Jutierter Film

gezeigt werden? In den deutschen Städten, wo der Film bereits in den Programmkinos anlief, rief die linke Szene zum Vorstellungsboykott auf.

Weniger verfänglich ist die Neuverfilmung der Kaspar-Hau- ser-Geschichte von Peter Sehr. Sein Film ist einer der wenigen, der rund zwei Stunden Dauerspannung bietet. Vorangegangene Verfilmungen konzentrierten sich hauptsächlich auf die Eingliederung Hausers in die Gesellschaft. Kaspar muß nach zwölf Jahren völliger Isolation sechzehnjährig edles neu erlernen. Peter Sehr beschäftigt sich in seiner Version mit der Hypothese, Kaspar Hauser sei als geborener Thronfolger des Hauses Baden von rivalisierenden Adelsge- schlechtem auf die Seite geräumt worden. Mit großem Aufwand, viel Liebe zum Detail und hervorragenden Schauspielern (Andre Eisermann in der Hauptrolle, Uwe Ochsenknecht und Katharina Thalbach) inszenierte der Regisseur einen Film, der sich international messen kann.

Katharina Thalbach, die in „Kaspar Hauser“ eine intrigante Adelige spielt, kann in Thomas Mitscherlichs „Die Denunziantin“ auf eine zweite darstellerische Glanzleistung verweisen. In „Die Denunziantin“, spielt Thalbach die von der Nazi-Ideologie mitgerissene Helene Schwaerzei, die eines Tages den vom Regime verfolgten Dr. Goerdeler denunziert. Nach dem Fall der Hitler- Diktatur wird Schwaerzei daraus ein Strick gedreht und sie wandert ins Gefängnis. Der Film treibt den Zuschauer zwischen Haß und Mitleid für den kleinen Fisch Schwaerzei hin und her.

Mit dem Nachkriegsdeutschland setzt sich ein Großteil der Filme Wolfgang Staudtes auseinander, dessen Produktionen in einer Retrospektive zu sehen waren.

Dem Thema Ex-DDR widmete der aus Istrien stammende Regisseur Zoran Solomun seinen Film „Weltmeister“. Der in tristen, braunen Bildern gehaltene Streifen erzählt die Geschichte eines jungen russischen Offizierssohnes, der kurz vor der Abreise in die Heimat ein deutsches Mädchen kennen lernt, das ebenso in eine ungewisse Zukunft blickt. Ein gefühlvoller aber langatmiger Film.

Etwas strapaziös ist auch „Ludwig 1881“ des Schweizer Regiepaares Donatello und Fosco Dubini. Die beiden gewannen Helmut Berger 20 Jahre nach der Visconti-Version ein zweites Mal als meisterlich mythischen Darsteller des dekadenten Ludwig EL, der in diesem Film mit seinem Hofschauspieler in die Schweiz reist, um sich dort an Originalschauplätzen Schillers „Wilhelm Teil“ rezitieren zu lassen.

Als Veranstaltung für den deutschsprachigen Film bot das Max-Ophüls-Filmfestival 1994 ein breites und interessantes Spektram und bewies, daß das deutschsprachige Kino durchaus mit dem US-Kommerz- produktionen kon- kurrenzieren kann.

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