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Mehr Publikum für neue Stücke

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Die Regisseurin Beverly Blankenship arbeitete lange Jahre in Australien. Derzeit zeigt das Theater Drachengasse in ihrer Regie „Sieben mal Lear” .

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Die Regisseurin Beverly Blankenship arbeitete lange Jahre in Australien. Derzeit zeigt das Theater Drachengasse in ihrer Regie „Sieben mal Lear” .

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DIE FURCHE: Wie hat Ihre Karriere begonnen?

Beverly Blankenship: Schon als Baby. Mein Vater ist Sänger (der Tenor William Blankenship, Anm. d. B.), ich habe mit drei Jahren bereits im Kindergarten Theater gespielt, ich wollte nie etwas anderes werden als Schauspielerin. Ich habe das Reinhardt-Seminar besucht, war drei Jahre als Schauspielerin am Salzburger Landestheater engagiert und bin dann nach Australien gegangen.

DIE FllRCHE: Wie lange habenSie in Australien gelebt3

RlankenshiP: Das waren vierzehn Jahre, die mich sehr stark geprägt haben. Ich besuchte meine Eltern, (mein Vater unterrichtete am Konservatorium Gesang), ich lernte einen netten Australier kennen und blieb dort. Ich habe viel gearbeitet, viel gelernt, Regie führen, Drehbücher schreiben. Man muß in diesemLand in vielen Sparten zu Hause sein. Das Land ist wundervoll, die Menschen sind' offen und freundlich. Man kann-dort in Symbiose mit dem Land selbst leben. Es hat eine eigene Mystik, eigene Mächte, eigene Götter. Wenn man länger dort lebt, wird man in den großen Kreislauf von Werden und Vergehen einbezogen. Ich werde immer wieder hinfahren, meine Tochter lebt und studiert dort. .

DIE FURCHE: Ist das Stück von Howard Barker „Sieben mal Lear oder Das Streben nach dem Guten ”, das derzeit von Ihnen inszeniert im Theater in der Drachengasse in Wien läuft (bis 23. November Anm d K) ein schwieriges Stück? buvnkensiiip: Ja. Der Autor sprüht vor Ideen, vor Einsichten ins Leben, vor Zynismus und vor Schmerz ob dieses Zynismus. Mit meiner Regie habe ich es dem Publikum auch nicht leicht gemacht. Es geht um die Macht und ihre Grenzen. Der, dem Macht nicht begrenzt wird, wird zum Monster. Wer dem keine Grenzen setzt, macht sich mitschuldig. Das ist sehr aktuell. Barker ist mein Lieblings-Gegenwarts-autor.

DIE furche: Wie suchen Sie Ihre Stücke aus?

BLANKENSHIP: Den Barker habe ich vorgeschlagen. Es gibt auch einige Klassiker, die ich toll finde. Ich lese viel und schlage dann von mir aus den Theatern die Stücke vor. Ich muß gleich beim Lesen von einem Stück gepackt sein.

DIE FURCHE: Sie sindfreie Regisseurin? blankenship: Ja. Ich mache jedes Jahr eine Inszenierung in der Drachengasse. Dafür bin ich dankbar, denn es sind oft Stücke, die sich größere Theater nicht erlauben könnten, das Theater ist sehr experimentierfreudig.

DIE FURCHE: Ist für Sie die Arbeit an einem kleineren Theater interessanter? blankenship: Sie ist anders. Mir machen auch die Möglichkeiten eines großen Hauses wie etwa des Volkstheaters Spaß. Manchmal ist für mich das Projekt attraktiv, manchmal das Theater, manchmal das Ensemble.

Die Furche: Was ist an Reichenau attraktiv?

Bl\NKENSH!P: Die Stücke. Und die Arbeit mit hochkarätigen Schauspielern, die sich, losgelöst vom Streß ihres eigenen Hauses, auf eine sehr intensive Arbeit einlassen.

DIE FURCHE: Gibt es da genügend Probenzeit3

BLANKENSHIP: Die Probenzeit genügt immer, weil man sich so maßlos anstrengt. Das könnte man nicht das ganze Jahr über machen.

DIE FURCHE: Wie lange Probenzeiten brauchen Sie?

BLANKENSHIP: Ich brauche etwa acht Wochen, um einerseits eine Geschichte zu erzählen, und andererseits die Schauspieler zum Glänzen zu bringen. Aber man kann natürlich auch mit kürzeren Probenzeiten auskommen.

DIE FURCHE: Was kam nach Australien3 Blankenship: Ich fing als Gast in der Drachengasse zu inszenieren an, bin dann drei Jahre hindurch hin- und hergeflogen. Dann hatte ich so viele Angebote, daß ich nach Wien übersiedelt bin.

DIE FURCHE: wo arbeiten Sie noch? Bl\NKENSHIP: Ich kann höchstens vier Produktionen im Jahr machen: Volkstheater, Drachengasse, Reichenau lösen einander ab. Als nächstes inszeniere ich in Saarbrücken „Die Jungfrau von Orleans” von Schiller und im April habe ich mit „Don Giovanni” Premiere in Linz - meine erste große Mozartoper. Für mehr ist nicht Zeit.

DIE FURCHE: Und wieso Oper? BLANKENSHIP: Sie wurde mir angeboten. Ich liebe „Don Giovanni” - mein Vater hat darin den Ottavio gesungen, ich habe sie oft und überall gesehen. Und ich wollte es einmal mit dem Musiktheater probieren.

DIE FURCHE: Das ist sehr anders ... Blankenship: Ja. Zunächst ist da noch so jemand wie der Dirigent. Mit ihm habe ich sehr anregende Gespräche geführt. Natürlich wird ein Unterschied sein, wenn eine Frau diesen Stoff inszeniert, wenn eine Frau einen. Mann betrachtet, der soviel Unheil in Frau-Beverly Blankenship:

Ich frage mich, warum Schiller die historische Realität der „Jungfrau von Orleans” für sein Stück so verändert hat. enleben angerichtet hat. Viele Frauen haben das ja selbst erlitten.

DIE FURCHE: Sind Sie musikalisch? BiANKENSHlP: Jetzt singe ich Ihnen gleich etwas vor ... Schon als Kinder konnten wir den „Don Giovanni” auswendig.

DIE FURCHE: Wie sieht eine Frau die „Jungfrau von Orleans”? BlinkenshiP: Das ist ein sehr leidenschaftliches Stück mit einer sehr leidenschaftlichen Sprache. Ich frage mich, warum Schiller die historische Realität für sein Sück so verändert hat. Warum mußte Schiller dieses romantische Ende dransetzen? Ich glaube, weil er die Realität nicht ertragen hat. In meiner Inszenierung werden beide Enden parallel zu sehen sein. Für mich ist Johanna ein kleiner Napoleon, der in einem Frauenkörper steckt. Als sie ihre Dienste geleistet hat, wird sie wieder auf den Status Frau zurückgedrängt.

DIE FURCHE: Sie meinen, das war für Schiller selbst auch so? RlANKENSHIP: Ja.

DIE FURCHE: Sind Sie Feministin3 Blankenship: Ja, absolut- ich bin schon so geboren worden. Ich will ernstgenommen worden als Mensch, nicht als Geschlechtswesen. Gleichberechtigung scheint mir ein akzeptables Ziel.

DIE FURCHE: Gibt es bei Ihrer Arbeit in dieser Richtung Schwierigkeiten3 Bl\NKENSH1P: Doch, manche männliche Schauspieler kommen nicht zurecht mit mir- sie selbst wissen es nicht, das sind tiefsitzende Ängste.

DIE FURCHE: Aber Regisseurinnen gibt es doch schon seit langem? BiANKENSHlP: Ja natürlich, aber ich bin anders als Deutsche oder Österreicherinnen, habe in anderen Kulturkreisen gelebt. Ich liebe die Männer. Aber als Frau wird man erzogen, Konflikte zu vermeiden, eine Begisseurin am Theater fällt aber Entscheidungen, und die müssen alle akzeptieren.

DIE FURCHE: Haben Sie Wünsche ? BL1NKENSHIP: Ich würde gerne viele neue Stücke machen. Ich finde es aufregend, wenn der Vorhang aufgeht, und niemand weiß, was passiert. Derzeit schreibe ich an einem Drehbuch für einen Film, ich möchte selbst Begie führen, ein Produzent ist schon gewonnen. Es ist ein Krimi um die Evolutionstheorie. Mich reizt die Arbeit in einem anderen Medium.

DIE FURCHE: Gibt es denn neue Stücke? Bl\NKENSHIP: Das Problem ist das Publikum. Man müßte es animieren, gefn neue Stücke anzuschauen, die Theater sind voll mit bekannten Stücken.

DIE FURCHE: Wärden Sie gerne selbst ein Theater leiten?

Bl\NKENSHIP: Nein. Da steckt soviel administrative Arbeit dahinter, daß dabei das Kreative zu kurz kommt.

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