"Mir war stets wichtig"

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Gerhard Schröders "Entscheidungen" kletterten sofort an die Spitze der Bestsellerlisten.

Gerhard Schröder hat es weit gebracht, nicht nur bis zum deutschen Bundeskanzler. Auch die Zweitverwertung seiner Politikerkarriere kann sich sehen lassen: Aufsichtsratschef bei einer Tochter der russischen Gazprom, Berater des Schweizer Medienkonzerns Ringier und endlich die Biografie Entscheidungen. Mein Leben in der Politik, die mit großem medialen Begleitfeuerwerk auf den Markt kam, als seit der verlorenen Wahl gerade ein Jahr vergangen war.

Gefragt, warum so eilig, antwortete der Star-Autor: "Je länger ich mir Zeit gelassen hätte, desto mehr wäre die Erinnerung verblasst." Womit er zweifellos Recht hat. Wer wird sich in zwei Jahren noch an Kanzler Schröder erinnern und sein Buch kaufen? Zumal wenn - was leicht passieren kann - bis dahin die Große Koalition zerbricht und Angela Merkel ebenfalls mit ihren Memoiren vor das Publikum tritt. Da hieß es handeln.

Weit mehr als eine Million Euro soll der Verlag Hoffmann & Campe für das Manuskript bezahlt haben. Die Rechnung ist aufgegangen: Angeschoben von der "besten PR-Kampagne seit Harry Potter" - wie ihr Organisator, der frühere Kanzler-Sprecher Béla Anda, befriedigt feststellte - kletterten die Entscheidungen sofort an die Spitze der Bestsellerliste.

Die großen Entscheidungen der sieben fetten Schröder-Jahre, so erfahren wir nun, waren allesamt richtig: mit der NATO Belgrad, nicht aber Bagdad zu bombardieren, mit den Grünen langsam, aber sicher aus der Atomenergie auszusteigen, gegen die Gewerkschaften den Sozialstaat zu reformieren und, im Juni 2005, allein mit Franz Müntefering die Vertrauensfrage zu stellen und damit Neuwahlen zu provozieren - eine Entscheidung, die "staatspolitisch ohne Alternative" war und "notwendig für das Überleben der SPD".

So unzusammenhängend diese Kanzler-Biografie daherkommt - sie wurde von Uwe-Karsten Heye, dem anderen Ex-Pressesprecher, aus stundenlangen Tonbandmitschnitten collagiert - so sehr will ihr Autor den Eindruck erwecken, sein oft opportunistisch wirkendes Handeln sei kohärent und von großen Überzeugungen geleitet gewesen. Es sind freilich viele Überzeugungen, die Schröder in vertrauter Diktion - "Mir war stets wichtig, dass ..." - seinen Lesern bekennt. Doch eine davon zieht sich leitmotivisch durch das Buch: Deutschland sei jetzt souverän und könne sich nicht mehr hinter den USA verstecken. Vielleicht ist es dieses Gefühl weltpolitischer Größe, das Schröder mit Wladimir Putin verbindet, den er nicht aufhört zu loben.

So treu wie er gegenüber seinen Freunden ist, so mild geht der deutsche Ex-Kanzler mit seinen Feinden um. Abrechnungen finden nicht statt. Selbst an Oskar Lafontaine entdeckt er noch gute Seiten. Wolfgang Schüssel allerdings, an dessen außenpolitischer Isolation im Jahr 2000 Schröder erheblich beteiligt war, wird wie Österreich überhaupt auf 516 Seiten Text mit keinem einzigen Wort erwähnt.

ENTSCHEIDUNGEN

Mein Leben in der Politik

Von Gerhard Schröder

Hoffmann und Campe Verlag Hamburg 2006

543 Seiten, geb., Euro 25,70

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