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Mißlingendes Spiel

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Das Akademietheater bringt in der Regie Dietrich Haughs Jean Anouilhs „La Repetition ou l’Anioür puni” unter dem Titel „Die Prob e”. Selten sieht man, wie hier, den Zerfall eines Stückes in zwei disparate Teile. Und damit einen Zerfall, der, am unguten Ende, das Ganze mit einem üblen Nachgeschmack bedeckt. Ein schimmernder, glanzvoller erster Teil, und dann, absinkend ins Ordinäre, ein Schluck Branntwein minderster Sorte. Anouilh gelangt zu diesem Debakel, weil er, der kluge, gewandte Taschenspielkünstler, der Meister der halben Worte, hier „ganz” sein will. Elementar, das Wesen des Menschen in den Griff nehmend. Da in ihm, wie fast in jedem Komödienschreiber, ein verkappter Moralist steckt, verfällt er immer wieder dieser Versuchung, zu geben, was er nicht hat. Um ein einfaches Exempel zu statuieren: wenn ein Gerhart Hauptmann die Verführung eines jungen, gesunden, unschuldigen Mädchens auf die Bühne bringt, dann entwickelt sich da, vor den Augen des Zusehers, ein Drama, eine Tragödie. Wenn Anouilh „dasselbe” Thema berührt, wird, wie hier, daraus eine abstoßende Zote. — „Die Wiederaufführung oder die bestrafte Liebe” heißt, zu Recht, das Stück im Urtext. Ein französischer Graf von heute probt mit Gattin, Freundin, Freund und Geliebtem (seiner Frau) auf seinem Landschloß im Kostüm dės 18. Jahrhunderts ein Stück von Marivaux. Ein Doppelspiel, des Grafen und seines Dichters: die Kostüme und Rollen des 18. Jahrhunderts sollen, in anmutiger, heiterer Form das Spiel der Gegenwart verdecken und enthüllen. Jeder und jede spielen da zum Zeitvertreib mit jedem Mann und jeder Frau ein kleines Spiel ohne Folgen. Voraussetzung ist nur, daß alle Mitspielenden zur selben „guten Gesellschaft” gehören, sich an gewisse Spielregeln halten — nichts ganz ernst zu nehmen und dem Partner alles, fast alles zu gestatten. Der Graf bricht nun, aus Langeweile und Verdruß, diese Konvention. Er führt ein junges, einfaches Mädchen in das Spiel ein und verführt es. „Bestrafte Liebe”: in dieser Halb-Weit darf es keine ganz echten Gefühle, keine Liebe geben, also muß das Mädchen „verschwinden”. Die Gräfin gewinnt dafür den alten Freund des Grafen, Hero, einen Trunkenbold, zu einer schändlichen Aktion. — Das Ende ist Absinth.

Gespielt wird teilweise ganz hervorragend. Susanne Almassy ist die Gräfin: Gift und Geist, eine Meisterin des falschen Spiels, schöne Maske der Verzweiflung. Johanna Matz gibt glaubwürdig und wirksam das verliebte Mädchen. Viktor de Kowa als Graf läßt die Verwandlung des Charmeurs in einen liebenden Mann möglich erscheinen. Sein verruchter Freund, Hanns Ernst Jäger, bringt in seine unglückliche Rolle einen Spritzer „Russisches”, der an die begnadeten Sünder in der russischen Dichtung des 3 9. Jahrhunderts denken läßt. Gefällig in Randrollen: Albert Ruepprecht und Angelika Hauff.

Das Volkstheater begann seine Randgemeindentournee der neuen Spielzeit mit Heinrich von Kleists „Amphitryon”. In der mit komödiantischen Raffinements ausgestatteten und von Edwin Z b o n e k in einwandfreiem Stil geleiteten Aufführung glückte eine dreist humorvolle und dann doch wieder ganz und gar klassisch reine Einheit einer klugen, pointierten und poetischen Satire sowie eines burlesken Satyrspiels, wobei das dichterische Wort in gleichem Maße zur Geltung kam wie die Geste der Komik Somit befand sich diese heitere, höchst olympische Verwechslungskomödie, in der Jupiter in menschlicher, allzumenschlicher Gestalt seinen Amouren nachgeht und infolgedessen unter einem irdischen Ehepaar nicht geringe Verwirrung stiftet, bei Schauspielern und Regisseur und in bezug auf Bühnenbild und Kostüme (Maxi’ Tschunko) in guten Händen. Mittelpunkt des Spiels, guter Geist der Komödie war Kurt S o w i n e t z in Gestalt des köstlichen, pfiffigen Sosias: nicht minder . amüsant sein unirdischer Gegenspieler Fritz H o 1- z e r. Helmi Mareich verkörperte eine anmutige und peinsam Zweifelnde zwischen olympischen und irdischen Gemahlen, Hannes Schiel verlieh seinem ganz und gar nicht gentlemanliken Jupiter noble Zurückhaltung, Rudolf Strobl spielte den genarrten Ehemann mit heldisch komischem Akzent, Maria Gabler gab eine köstlich keifende Charis. Hermann Laforet, E. A. Georges und andere vervollständigten das Ensemble trefflich.

Unerschütterlich und mit rührend echter Ambition junger (und auch nicht mehr ganz junger) Theaterenthusiasten präsentiert das „Experiment”, die kleine Bühne am Lichtenwerd, als Beitrag zur neuen Saison Jura Soyfers drastisch persiflierende, brillante kabarettistische Szenenfolge „K o 1 u m- bus”. Aus dem Treiben bemühter wackerer Laien sticht eine außerordentliche, im komischen Fach routinierte Begabung hervor: Georg C o r t e n. In weiterer Folge bemerkenswert Peter Parak und vor allem Georg Trenkwitz, ein talentierter Neuling, der Aufmerksamkeit verdient.

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