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Mit frohem Gesicht...

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Fasten ist Besinnung. In Religion und Philosophie hat der zeitweilige Verzicht auf Nahrung eine besondere Bedeutung.

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Fasten ist Besinnung. In Religion und Philosophie hat der zeitweilige Verzicht auf Nahrung eine besondere Bedeutung.

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Fasten war und ist immer mit der Erwartung verbunden, daß es auf Leib und Seele eine heilende Wirkung ausübt. Von alters her waren die verschiedenen Wirkungsweisen des Fastens bekannt. Sie liegen in der Veränderung der Beziehung zu sich selbst, zu Gott und zu den Menschen. .Sie liegen also im leib-seelisch-geisti-gen, im spirituellen und im mitmenschlichen Bereich.

Früher hieß es, das Fasten solle den Menschen zunächst einmal vor dämonischen Einflüssen schützen. Der Grund für diese Anschauung liegt im Verständnis der Nahrungsaufnahme bei den primitiven Völkern. Man hatte Angst, mit der Nahrung dämonische Kräfte in sich einzulassen. In der Antike hat man ganz bestimmten Speisen besonderen dämonischen Einfluß zugeschrieben.

Dia griechischen Philosophenschulen erwarteten sich vom Fasten aber nicht nur Schutz vor Krankheit und dämonischen Einflüssen, sondern eine Reinigung des Geistes, innere Zufriedenheit, Freiheit und Glück. Sie sahen es im Zusammenhang mit ihrem Lebensziel. Das Ziel der Kyniker zum Reispiel war die Selbstgenügsamkeit, die Fähigkeit, auf alle nicht zur Existenz notwendigen Re-dürfnisse zu verzichten. Der Weg zu diesem Ziel war für sie das Fasten.

Für die Stoa war das höchste Ziel die eudaimdnia, das Glück, das in der innerern Freiheit bestand, in einem vernunftgemäßen Leben, das nicht durch Emotionen und durch irrationale Motivationen getrübt ist. Auch in der Stoa nimmt deshalb die Nahrungsaskese einen breiten Raum ein. Sie ist das Training in die innere Freiheit, in ein vernunftgemäßes Leben, in die „Überwindung aller Affekte, die einem vernunftgemäßen Verhalten hindernd im Weg stehen.”

Eine einfache Lebensweise verlangte auch das „epikuräische Ideal der ungestörten individuellen Seelenruhe”. Es geht also bei den antiken Philosophenschulen immer um den ganzen Menschen, um die Erreichung seines endgültigen Zieles. Das Fasten ist auf dem Weg zu diesem Ziel ein wichtiges und erprobtes Mittel. Es heilt den Menschen an Leib und Seele, es führt ihn in die innere Freiheit, es ist ein Weg zur Selbstverwirklichung, zum inneren Glück.

Auch die Kirchenväter betonen in der Tradition der antiken Philosophenschulen in ihren Schriften die positiven Wirkungen des Fastens auf Leib und Seele. Johannes Chrysosto-mus spricht in einer Predigt einmal von der Arznei des Fastens, das „unser menschenfreundlicher Herrscher als liebevoller Vater” ersonnen hat.

Weil der Mensch von Natur aus sein Maß nicht einhält, muß er immer wieder fasten, um sich innerlich frei zu machen von übertriebenen Sorgen um die Dinge dieser Welt.

Die Kirche hat das Fasten nicht erfunden, sondern die Praxis des Judentums und die Anschauungen der griechisch-römischen Welt übernommen und weiterentwickelt. Das Judentum kannte nur einen für alle verpflichtenden Fasttag: den Versöhnungstag. Doch galt es als Zeichen der Frömmigkeit, zweimal in der Woche, am Montag und Donnerstag, zu fasten. So hält es auch der Pharisäer im Evangelium (Lk 18,12). Rei besonderen Anliegen oder in Notzeiten wurden öffentliche Fasttage ausgerufen, um von Gott Hilfe zu erbitten. Die Juden verstanden das Fasten sowohl als flehentliche Ritte zu Gott, als Zeichen, daß sie es ernst mit ihrem Reten mein -ten, aber auch als Sühne und Ruße. Im Fasten bekennen sie sich vor Gott als Sünder und bitten um Vergebung und Hilfe.

Reide Aspekte gehören für die Juden zusammen, da für sie eine Not immer auch Zeichen ihres Ungehorsams Gott gegenüber ist. Im Fasten wollen sie zu Gott zurückkehren.

Die Auseinandersetzung mit der Fastenpraxis des Judentums und einiger Strömungen in der griechischen Welt ist auch noch im Neuen Testament zu spüren. In der Rergpredigt wird vorausgesetzt, daß die Christen fasten. Aber sie sollen sich darin von den Pharisäern unterscheiden, die ihr Antlitz verstellen, damit die Menschen sehen, daß sie fasten. Die Jünger sollen im Verborgenen fasten, nicht vor den Menschen, sondern vor dem Vater, und sie sollen es mit frohen Gesicht tun (Mt6,16-18). Von Jesus selbst wird erzählt, daß er 40 Tage lang in der Wüste gefastet habe. Gegenüber den Pharisäern macht er nicht den Eindruck eines Fasters. Im Gegenteil, er ißt und trinkt mit den Menschen und teilt ihre Freude.

In unserer Zeit hat vor allem Gandhi die enge Verbindung von Fasten und Reten verkündet und das Fasten für andere vorgelebt. Für Gandhi gab es „kein Gebet ohne Fasten, wenn man das Fasten im weitesten Sinn auffaßt”. „Meine Religion lehrt mich, daß man in einer Not, die man nicht lindern kann, fasten und beten muß”. Gandhi fastete immer wieder, wenn er spürte, daß seine Worte nichts nützen, daß Verhandlungen und Reschwichtigungen keinen Erfolg haben. Und er erreicht durch sein Fasten oft mehr als durch politische Aktionen. Aber für ihn war Fasten auch Gebet und Rekenntnis, daß Gott allein das Herz der Menschen wandeln kann.

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