
Mit versteckter Kamera
Ursula Wiegele gelingt mit „Was Augen hat und Ohren“ eine poetische und witzige Auseinandersetzung mit den Fallstricken unserer Gesellschaft und präsentiert einen Helden, der am Rande des Abgrunds balanciert.
Ursula Wiegele gelingt mit „Was Augen hat und Ohren“ eine poetische und witzige Auseinandersetzung mit den Fallstricken unserer Gesellschaft und präsentiert einen Helden, der am Rande des Abgrunds balanciert.
Ein erfolgloser Schauspieler, ein rumänischer Oligarch und geheimnisvolle Aufträge zu abstrusen „Kunstaktionen“, bei denen sich Selbstachtung und Schamgrenzen verflüssigen – aus dieser Konstellation formt Ursula Wiegele das schillernde Porträt einer Gesellschaft im Zeichen des Prostitutiven und der Selbstentäußerung
in Reality-Formaten. Bogdan Marinescu hat Rumänien ein halbes Jahr vor dem Umsturz verlassen, er war in der Rolle als Hamlet „zu weit gegangen“. Es folgten ein
Verhör und ein „Schnuppertag“ in einer psychiatrischen Anstalt. Das „war ein Schuss vor den Bug, den er hätte berücksichtigen müssen“ – und das ist ein falscher Konjunktiv, denn Bogdan hat ihn eben durchaus berücksichtigt und das Land verlassen.
Ein verhängnisvoller Pakt
Einige Jahre lebt er in Vicenza und hält sich mit wechselnden Jobs über Wasser, bis ihn seine Liebe zu Livia nach Graz führt. Details dieser Vorgeschichte werden in Wiegeles erstem Roman „Cello, stromabwärts“ (2011) erzählt. Mit der Schauspielerei will es in Österreich sprachbedingt nichts Rechtes werden, etwas Geld bringt der Handel mit Engel-Statuen, eingeschmuggelt aus Rumänien. Als ihm dann ein Cellist bei Livia in die Quere kommt, scheint ihm eine Rückkehr in seine Heimat die bessere Alternative. Tatsächlich kommt er hier für einige Zeit am Nationaltheater in Temeswar unter, auch wenn er davon nicht leben kann. Durchaus verständlich, dass er eines Tages der Verführung eines verhängnisvollen Paktes erliegt und seine künstlerischen Ambitionen eintauscht gegen ein fixes Einkommen, eine bessere Wohnung und die Möglichkeit, seinem Sohn in Graz wie einer Tochter in Heidelberg Alimente zukommen zu lassen. So ist er „heruntergerutscht“ zum Talkmaster eines Privatsenders und von da „im freien Fall, beim Reality-TV und bei Werbespots gelandet“. Nun ist „sein Hals wundgescheuert […] von dem einen Jahr an der Leine des rumänischen Oligarchen Traian Voicu“ – und das ist im Wortsinn zu verstehen.
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