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Digital In Arbeit

Möglichst wenig führen und leiten

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Der Künstler Tone Fink bearbeitet Papier durch Reißen, Stechen, Schneiden und Kratzen. Er schafft aber auch skulpturale Werke aus diesem Material.

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Der Künstler Tone Fink bearbeitet Papier durch Reißen, Stechen, Schneiden und Kratzen. Er schafft aber auch skulpturale Werke aus diesem Material.

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diefurche: Bei der Internationalen Sommerakademie hier in Salzburg unterrichten Sie unter dem Titel „Von der Zeichnung zur Skulptur". Was wollen Sie den Kursteilnehmern vermitteln? TONE FINK: Von den zwanzig Teilnehmern zwischen 17 und 60 hat jeder andere Voraussetzungen, ist anders geprägt. Manche von ihnen haben schon einige Kurse bei verschiedenen Professoren absolviert, manche besuchen eine Kunstakademie oder haben das vor. Für die Anmeldung schicken sie Kataloge oder Fotografien ihrer Arbeiten, einige davon wären meiner Meinung nach bereits diplomreif. Oft ist mit Teilnehmern, die „Quatsch" eingereicht haben, mehr anzufangen als mit jemandem, der schon abgestempelt, allzu vorgeprägt ist. Mir ist der Prozeß wichtiger als das Endergebnis - „Der Weg ist das Ziel". Ich möchte möglichst wenig führen und leiten, ich will anwesend sein und beobachten. Wenn es mir gelingt, durch die lockere Stimmung Kontakte zu vermitteln, die Kursteilnehmer zu öffnen und freizumachen, dann ist das Ziel erreicht. Mein Kurs dauert heuer fünf Wochen, ich habe zwei hervorragende Assistenten: Natürlich gibt es eine Schlußpräsentation, aber es soll auch allen Spaß machen. Ich unterrichte heuer zum dritten Mal hier. Ich möchte erreichen, daß die Arbeiten nicht nur an der Wand hängen oder auf einem Podest stehen, sondern daß man sie angreifen, drehen schaukeln, beilegen, besitzen kann.

dieFurche: Und wie vermitteln Sie dieses Ziel?

FlNK: Durch Gespräche. Ich bringe gerne die Hände mit dem Kopf, dem Bauch und dem Herzen zusammen.

dieFurche: Sie selbst sind von der Graphik zur Skulptur gekommen? FlNK: Derzeit beschäftigen mich Tuschpinselmalereien auf nepalesischem handgeschöpften Papier. Diese ornamentalen Muster werden von der Vorarlberger Textilfirma Josef Otten auf Stoff gedruckt oder sie werden gewoben, die Stoffe werden weltweit vermarktet. Jetzt entsteht bereits die sechste Kollektion.

diefurche: Da arbeiten Sie immer mit schwarzer Farbe auf weißem Hintergrund?

FlNK: Ja, oder höchstens noch in Grautönen. Diese karge, reduzierte, ethnologisch angehauchte Schwarzweiß-Sprache beschäftigt mich. Josef Otten hat eine Ausstellung von mir im Bregenzer Künstlerhaus gesehen und war sofort begeistert, dies in Textilien umzusetzen.

dieFurche: Wie kamen Sie zu den Tuschzeichnungen? FlNK: Ich mache seit einigen Jahren Acryl- und Quarzsand-Modellierungen ~ Punkte, Beihungen, Schönschreibungen, eine meditative Ansammlung von Ornamenten, Zeichen, Symbolen, diszipliniert in Beih' und Glied. In den sechziger und siebziger Jahren habe ich eher graphischgrüblerisch oder kritzelig „die Sau rausgelassen", jetzt im reifen Alter von über fünfzig geht es mir um Ordnung, um Buhe.

diefurche: Der größte Teil Ihrer Arbeiten ist auf Papier und aus Papier? FlNK: Und durchs Papier. Das Papier nimmt bei mir auch skulpturale Formen an. Das Beißen, Kleben Stechen, Schneiden, Kratzen des Papiers war der erste Schritt in die Dreidimensio-nalität. Das Verletzen des Papiers geschieht stellvertretend für ein Verletzen der Haut. Ich tue ihm weh und nachher entschuldige ich mich, indem ich es wieder repariere, klebe.

diefurche: Wie kommt man zu solchen Methoden?

FlNK: Das ist schon ein Psychogramm, die Bregenzerwälder Erziehung, Katholizismus, Schuldkomplexe und ähnliches. Jedenfalls ist das der Hintergrund. Ich bin in Schwarzenberg im Bregenzerwald geboren, dem Geburtsort der Malerin Angelika Kauff-mann, habe beim Ministrieren schon ihre zwölf Apostelköpfe und das Altarbild studiert. Ich war in Feldkirch im Internat und habe die Lehrerbildungsanstalt besucht, war ein Jahr lang Volksschullehrer und ging dann gegen den Willen meiner Eltern nach Wien. Hier habe ich das Lehramt für Kunsterziehung an der AHS gemacht und gleichzeitig das Diplom an der Kunstakademie. Max Weiler und Max Melcher waren meine Lehrer. Mitte der siebziger Jahre bin ich endgültig nach Wien übersiedelt und freischaffend geworden. Nun pendle ich zwischen Wien und Vorarlberg, wo meine Familie lebt. So eine Heimat wie Voralberg kann einen natürlich auch stark machen, ich habe mich aber auch von ihr befreien müssen, besonders in meinen Filmarbeiten, die manchmal sogar blasphemisch waren. Ton, Sprache, Bild, Aktion, Bequisiten wirken da zusammen.

diefurche: Machen Sie auch heute noch Filme?

FlNK: Nein, außer daß manchmal Aktionen von mir in Video festgehalten werden.

dieFurche: Die Farbe hat Sie nie gelockt?

FlNK: Ich habe in meinem Buch „Maikäferdompteur" - Anfang der achtziger Jahre, als unser Kind unterwegs war - verhältnismäßig viel Farbe verwendet. Jetzt bin ich eher gegenstandslos unterwegs, Beduzieren, Weglassen ist mein Hauptanliegen.

DIEFURCHE: Das Reduzieren macht aber die moderne Kunst nicht gerade verständlicher...

FlNK: Oft verstehen einfache Leute das Reduzierte schneller als Intellektuelle. Aber Kunst macht man nicht fürs breite Volk.

dieFurche: Der Künstler will ja etwas vermitteln, und wenn seine Sprache immer unverständlicher wird, dann erreicht er immer weniger Menschen Außerdem will er ja auch verkaufen! FlNK: Anspruchsvolle Kunst kann •nicht demokratisch beurteilt werden, man muß rücksichtslos arbeiten ohne daran zu denken, ob die Masse der Menschen es versteht.

DIEFURCHE: Noch einmal zurück zur Ausbildung: Haben Sie das Studium an der Akademie der bildenden Künste positiv erlebt?

FlNK: Die Studien bei Max Weiler waren für mich ein Horror, ich habe Weilers Autorität gefürchtet und ihn erst später schätzen gelernt. Bei Max Melcher ist es dann besser gelaufen, dort habe ich mich wohler gefühlt. Vielleicht bin ich gerade deswegen der Papier-Beißer, -Kleber und -Verletzer geworden, weil Weilers autoritäres Verhalten das bei mir ausgelöst hat? , ........JUJ

DIEFURCHE: Haben Sie die Akademie insgesamt als sinnvoll empfunden? FlNK: Ich glaube, der eine braucht sie, der andere nicht. Ich habe sie gebraucht, auch als institutionellen Halt, die Kontakte mit den Kollegen waren mir wichtig.

DIEFURCHE: Wie kamen Sie zu den Skulpturen?

FlNK: Ich bin bei Papiergewändern, Masken, Fahnen gelandet, die alle etwas mit Interaktion, mit dem Bezug zum Körper zu tun hatten. Auch habe ich begonnen, an Wagen zu arbeiten - mein Vater war Huf- und Wagenschmied. Mir ist die Aktionsplastik wichtig, nicht eine Skulptur, die unbeweglich ist.

DIEFURCHE: Zuletzt habe ich von Ihnen die Kostümefür die Aufführung „Dantons Tod spielen " gesehen ... FlNK: Der junge Vorarlberger Begis-seur Martin Gruber hat mich schon lange verfolgt. Da man mit diesen Kostümen ja 30- bis 40mal spielen muß, ist das Material ein papierartiges Gewebe, praktisch ein Stoff, der aussieht wie Papier.

dieFurche: War dies Ihre erste Arbeit fiir die Bühne?

FlNK: Für die Wiener Festwochen und die Bregenzer Festspiele habe ich Bühnenskulpturen angefertigt. Meine Skulpturen sollen benützt werden.

DIEFURCHE: Gibt es auch Skulpturen aus anderen Materialien als Papier? FlNK: Ich habe schon mit Gips und Papiermaschee gearbeitet, seit neuestem auch in Aluminium und Bronze. Ich muß ein Material erst ganz kennen, bevor ich mich dem nächsten zuwende. Wahrscheinlich kommen demnächst Metall und Holz dran.

Das Gespräch

führte Leonore Rambosek

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