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MOZARTS WERK GEGEN MOZARTS GEIST

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Ausklang des Mozart-Jahres. Feierliche Verleihung der Mozart-Medaillen durch die Mozart-Gemeinde im Festsaal der Oesterreichischen Akademie der Wissenschaften an vier ausländische Körperschaften: die „Association Fran-caise des amis de Mozart“, das Boston Sym-phony Orchestra, die Stadt Mailand (für eine bedeutende und luxuriös ausgestattete Publikation über Mozart in Italien) und an die Deutsche Grammophon-Gesellschaft. Festreden und Mozart-Musik. Unter den Festgästen — die Botschafter und Vertreter Frankreichs, Amerikas, Italiens und der Deutschen Bundesrepublik. Eine eindrucksvolle Feier von internationalem Rang und Gepräge, wie es sich für die Mozart-Stadt Wien ziemt.

Mit dem Programm überreicht man dem Besucher auch das offizielle Mitteilungsblatt der Wiener Mozart-Gemeinde, der Veranstalterin dieser Feier. Und da liest man in einem grundsätzlichen Artikel über die Salzburger Festspiele unter dem Titel: „Die Festjahr-Spiele in Salzburg“:

„Bei den Salzburger Festspielen ist seit 1945 eine weitgehende begriffliche Verschiebung, eine rasante Ueberfremdung eingetreten .. .*

„ . . , wohl auf die Machtergreifung eines usurpatorischen Elements zurückzuführen, das in bewußt selbstgefälliger Mozart-Fremdheit in der Programmgestaltung das Schwergewicht auf die Einführung von alljährlichen Uraufführungen gelegt hatte und darauf ausging, verschiedene Arten von .Festivalmoden' zu kreieren, die doch nur auf das Konto Kulturabbruch gebucht werden können.“

„Dies gilt in stärkstem Maße von der Diskrepanz zwischen der in der Nachkriegsdämmerung von Eindringlingen eingeschmuggelten Uraufführungsidee und dem ursprünglich auf Meisterleistungen in lang bewährten Meisterwerken sowie primär auf den Mozart-Kult aufgebauten Musealgedanken.“

Vom neuen künstlerischen Leiter wird, „da er glücklicherweise nicht auch selbst komponiert“, gefordert, „die sinnwidrige Idee von Uraufführungen im Rahmen de Festspielprogramms zu s i s t i e r e n“ und „gestützt auf den Mozart-Kult, spezifisch gestaltete, charakteristische Salzburger Festspiele zu konstituieren“.

Dann polemisiert der Autor des Artikels gegen die „modernen Inszenierungsexperimente“, denen Mozarts Werke geopfert werden, und es sei „kein unberechtigter Wunsch, die Spielereien, nicht Spiele, auf der Simultanbühne zu kassiere n“.

Darüber kann man diskutieren. Aber nicht in dieser TonartI „Ueberfremdung“, „Machtergreifung“, „Nachkriegsdämmerung“, „eingeschmuggelt“, „sistieren“, „kassieren“ . . , O Freunde, nicht diese Töne im Namen Mozarts, auch nicht des Mozart-Kultes! Muß man daran erinnern, daß Mozart zu seinen Lebzeiten ebenfalls ein „moderner“ Komponist war? Und darf man guten Gewissens auf seinem Grab, vielmehr auf dem Friedhof, wohin man ihn bei Nacht und Nebel brachte, Kränze niederlegen und dem T o t e n in schönen Reden huldigen — wenn man den lebenden Komponisten das Lebensrecht abspricht?

Unsere Verehrung für den Genius ist grenzenlos, und kein „Moderner“ hat je auch nur ein Wort gegen Mozart gesagt. Mögen die Wortführer des Mozart-Kultes sich daran ein Beispiel nehmen und nicht Mozarts Werk gegen Mozarts Geist — den Geist des Schöpferischen, der Menschlichkeit und der Duldsamkeit — ausspielen!

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