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Musen auf vier Pfoten

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ET. A. Iloffmann, James Joyce oder Charles Baudelaire sind nur eine kleine Auswahl eines illustren üichterkreises, die jenen geheimnisvollen Wesen auf vier oft ebenso sanften wie gefährlichen Pfoten siegreich zum Opfer gefallen sind. Katzen: „des wissens freunde und der sinnesglut”, liebevoll von Stefan George in seiner Baudelaire-Übertragung besungen, wußten seit jeher Dichter zu Höchstleistungen anzuspornen.

Von den Ägyptern als heilige Tiere verehrt, im Mittelalter als Komplizen von Hexen verbrannt, verstehen sie sowohl durch ihre Geschichte, aber noch mehr durch ihr enigmatisches Wesen den Menschen in ihren Bann zu ziehen. Keine Ausnahme bildet dabei der österreichische Schriftsteller Julian Schütting; denn daß sich Schütting in den Beigen jener (oben genannten) Poeten aufgenommen wissen darf, verdankt er letztlich zwei Musen auf vier Pfoten.Viola und Blu sind die Narnen der zwei Katzentiere, die er zu den Helden seines jüngsten Buches macht. „Katzentage” lautet lapidar der 'Titel jener ebenso kurzweiligen wie kurzen Erzählung. Auf nicht ganz 78 Seiten legt Schütting eine Studie felinen Verhaltens vor, die an präzisen Schilderungen ebenso wenig zu wünschen übrig läßt wie an literarischem Feingefühl.

Daß Katzentage keine Umkehrung der sprichwörtlichen Hundstage sind, wird spätestens dann deutlich, wenn der „Schweinsleber-Beschaffer” mit abgerollten Klopapierrollen von seinen Gästen begrüßt wird oder die beiden mitten in der Nacht Fangerlspiele in seinem Bett veranstalten. Gleichwohl verstehen sie es, ihren vorübergehenden Kost- und Quartiergeber in dunklen Winternächten bei ausgefallener Heizung als Thermophore zu wärmen.

Verblüffend, wie wenig Schütting braucht, um ein scharfes Bild seiner vierpfötigen Musen zu zeichnen: „dreieckig das Gesicht (seines kugelrund), schwarzbraune Maske, das übrige aschgrau (er ganz weiß, bis auf die blauschwarze Maske und Schwanzspitze)”. Nicht nur äußerlich bilden die beiden Siamesen ein gegensätzliches Paar: sie kränklich, zart und zurückhaltend, er voller „unstolzer Zudringlichkeit”, kann nicht genug am Spiel mit seinem Menschen haben.

Daß Clownerien und Philosophisches in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, gehört zu einem gut geführten Katzenhaushalt ebenso wie das Katzenkisterl. Wie geschickt sie Büroordner zu öffnen wissen oder Klarsichtfolien entblättern, davon weiß wohl jeder Katzenfreund sein Lied zu singen. Da sie es „schätzen, schön gefaltete Hemden zu zerwühlen, Anzüge und Kleider von den Bügeln zu holen, wisse man Kastentüren strikt zu schließen”.

Schütting gelingt es, das erzählerische Gleichgewicht zwischen den großen, oft ungestümen Gesten der Pfpten und den oft langen Augenblicken fe-liner Versunkenheit zu halten. Sind die Einkaufstaschen gestürmt. „Ausleerbares ausgeleert, Eingewickeltes ausgewickelt, inmitten von Wachspapierfetzen Wurst und Käse angefressen”, wird man schon im nächsten Absatz Violas ansichtig, wie sie fragenden Blicks, dem im Abfluß verschwindenden Wasser nachblickend, es vergeblich versucht zurückzuholen.

Ob Tatsache oder Kunstgriff, bleibt für den Fortgang der Handlung einerlei, wenn Viola, Opfer ihrer ersten Bolligkeit, auf Anraten des Tierarztes, Blu, ihren Partner, zum Vater von drei kleinen Siamkätzchen macht. Gleichsam als Außenstehender - die Katzen sind wieder an ihrem angestammten Platz und keine Gäste des Erzählers mehr - wird er zum Beobachter feli-ner Mutterschaft. Das Verstecken der Kleinen, die mütterliche Verzweiflung, die stete Wachsamkeit, daneben die Tollpatschigkeit des Katers, der oft eifersüchtig auf die Nachkommenschaft ist, nichts damit anzufangen weiß, sie schließlich doch zu waschen beginnt, nichts entgeht dem Ich-Erzähler. Die komprimierte, aber dennoch detailverliebte Art der Darstellung zeugt dabei nicht nur von Schüttings besonderer Gabe, zu erzählen, sondern auch, daß ihm seine beiden Gefährten einen tiefen Einblick in ihre Katzenseelen gewährt haben. Denn vielleicht ist es gerade die Entdeckerfreude des Ich-Erzählers, die danach strebt, jeden Blick „jenes fremdländisch erd- und sternfernen Gesichts” aufzunehmen oder gar zu deuten.

Daß Schütting aber nicht zu erfinden braucht, sondern bloß hinzusehen, weiß jeder Katzenkenner. Denn wer sich einmal der Freundschaft einer Katze oder eines Katers rühmen konnte (die Bezensentin spricht hier aus eigener Erfahrung mit ihrem Kater und ihrer Katze), erkennt Bekanntes in Schüttings Schilderungen, wie etwa bei der Arbeit am Schreibtisch, die Schütting den Fakten entsprechend wiedergibt: „Am Schreibtisch, ... nehmen Kugelschreiber und Blei stifte in die Hand, wühlen in deinen Blättern, rücken an deinem Lineal herum, ...drehen im Mitlesen den Kopf von links nach rechts, ...legen sich genau auf das Papier, auf dem du kritzelst, in den wärmenden Lichtkreis der Schreibtischlampe.”

Ein Katzenfreund wird nicht anders können, als dieses Buch unter seine Lieblingsbücher einzureihen, ein Literaturfreund, der bislang wenig mit jenen vierpfötigen Philosophen zu tun hatte, wird damit nicht anders verfahren, denn was für den einen eine einfühlsame und liebevolle Studie über das Wesen der Katze, ist für den anderen ein Lektüreerlebnis auf höchstem Niveau oder beides zusammen. Denn unter dem Diktat der Katzen erweist sich Schüttings Sprache als treffendes Medium zur Übermittlung feliner Theorien.

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