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Musik und Theater in Salzburg

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„Die oberste Wirklichkeit des Theaters ist das Verhältnis zum Publikum.“ Es beherrscht das Theater auf geheimnisvolle Weise, indem es seine Wurzeln nährt. Und wie der Boden manchmal den Samen Lebenskraft verleiht, zu anderen Zeiten aber „anbaumüde“ ist, so verhält sich das Publikum zu theatralischen Darbietungen. Die heutige Krise des Theaters, die — noch stärker als nach dem ersten Weltkrieg — eine geistige Krise des sdiöpferischen Theaters und des Publikums ist, verschärft sich in gleichem Maße, als die Hoffnung auf eine baldige Klärung der vergifteten Atmosphäre, in der das Volk seit den Aufwühlungen und Schrecknissen des Krieges lebt, zunichte gemacht wird. Die Sorgen des Alltags zerstören das lebendige, fördernde Interesse des Publikums, ohne welches das Theater nun einmal nicht leben kann, geistige Ströme müßten, wenn es solche gäbe, in unfruchtbarer Erde j versickern. Der Glaube, daß diese Krise einen Aufschwung, eine Entfaltung neuer Kräfte bringen wird, daß sie das Präludium einer neuen, auch geistigen Entwicklung sein würde, schwindet immer mehr.

Es ist leider auch nur zu wahr, daß sich in solchen Zeiten ein Ungeist entfalten kann, der mit verhängnisvollem Dilettantismus mühsame, mit großen Geldopfern verbundene Aufbauarbeit zerstört und als Provinzialismus allem, was mit Kunst zusammenhängt, seinen traurigen Stempel aufdrückt. Der Intendantenwechsel am Ende der Saison brachte zwar dem Salzburger Landestheater eine gewisse Entspannung, aber dem neuen künstlerischen Leiter, Johannes van Hamme, stehen noch viele Widrigkeiten im Wege, die es ihm erschweren, der Krise energisch zu Leibe zu rücken. Dies erkannte man am deutlichsten an der ersten Neuinszenierung, an Shakespeares „Sommernachtstrau m“. Der Regisseur Erwin Faber, der eine begonnene Arbeit übernehmen mußte, konnte an der unzulänglichen Besetzung nichts mehr ändern. So wurde aus dieser schimmernden Lichtwolke überlegenen Humors eine erdenschwere Komödie »hne Illusion. Darsteller, die im Provinziellen steckengeblieben sind, .Bühnenbilder, in denen sich der Naturalismus der neunziger Jahre auswirkt, die an-mutig-nachempfindende romantische Musik Mendelsohns, von einem unausgeglichenen Orchester langweilig heruntergespielt, machten es einem bei dieser Klassikeraufführung schwer, die Hoffnung auf eine Regeneration des Salzburger Theaters aufrechtzuerhalten.

Von dieser wenig glücklichen Shakespeare-Gestaltung hob sich das wieder in den Spielplan aufgenommene Trauerspiel von Grill-parzer, „M e d e a“, wohltuend ab. In diesem modern anmutenden Seelcndrama führte Erwin Faber durch das Feuer seiner künstlerischen Ambition die düstere Dramatik zu bedeutender Wirkung, so daß die schauspielerische Gestaltung zu einem eindringlichen Erlebnis wurde, besonders durch Roswitha Posselt als Medea. Den Zyklus zeitgenössischer Dichtungen eröffnete da! Landestheater mit der Tragödie „A n t i-* o n e“ von Jean Anouilh. Wo Sophokles in kristallener Klarheit sein düsteres wuchtiges Werk aufbaut, hat Anouilh mil gedanklicher Sdiärfe in einer Schicksalstragödie, in der es keinen ethischen Grunc “ür Antigones Sterben gibt, eine weltkrank< >eele seziert. Tony van Eyck enthüllte mii iberlegener Routine die Komplexe des früh 'eifen „struppigen, häßlichen Mädchens' \ntigone, und Richard Wegelers Regie för leite die beklemmende, hoffnungslose Stirn nung, die über der sinnlosen Tragik lastet

Daß weder Klassiker noch Zektheate: lern Geschmack des Salzburger Publikum :ntsprechen, zeigten die manchmal beschä nend leeren Häuser, während das Festspiel mus, in dem Johannes Heesters den Simoi m „B e 11 e 1 s t u d e n t“ singt, stets aus verkauft ist. Auch das musikalische Lust ipiel „Der König mit dem Regen s c h i r m“, das mit einer gewissen Grazi eine Satire des Bürgerkönigs Louis Philipp darstellt und durch eine gute Ensemble leistung unter Richard Wegerlers Regie ai Niveau gewann, übte starke Anziehungs kraft aus. Zu wörtlich nahm der Regisseu Rudolf Leisner den Realismus der Ope ., Girmen“, er verlor sich in kleine Spielereien des spanischen Lokalkolorits, wc durch schon darstellerisch der Schwung der Handlung gehemmt wurde. Auch der Dirigent des Abends4 Meinhard Zallinger, zelebrierte das musikalische Drama nur mit Exaktheit und Gründlichkeit und ließ es an mitreißendem Schwung fehlen, der diese Musik zu glaubhaft pulsierendem Leben wecken muß.

Beim ersten Abonnementkonzert des Mozarteums jedoch erkannte man deutlich, daß der gleiche Dirigent hier in kurzer Zeit an dem Orchester ernste Erziehungsarbeit geleistet hat. Beethovens I. Symphonie bot Meinhard Zallinger mit so lebendiger Plastik, daß man mit aufrichtiger Freude dem leider so selten gespielten Jugendwerk Beethovens folgte. Den Mittelteil des Konzerts füllten Josef Marx' „C a-stelli Roman i“ aus. Das Tongemälde, das in der Eigenständigkeit der Orchesterfarben deutlich die Wesensart des Komponisten kennzeichnet, läßt von einer altgriechischen Melodie und einem gregorianischen Thema bis zu modernen Rhythmen den Zauber der südlichen Landschaft in überschäumender Lebenslust aufrauschen. Paul Schilhavsky meisterte die technischen Schwierigkeiten am Klavier mit feinem Stilgefühl und farbigem Anschlag. „Till E u iVn Spiegel“ von Richard Strauß zeigte, daß die besten Leistungen des Mozarteumorchesters in der Wiedergabe neuerer Musik liegen, besonders wenn es von einem Dirigenten geführt wird, der neben exakter Einstudierung persönliche Freude am Werk ausstrahlt.

Die Hundertjahrfeier der Salzburger Liedertafel gab den Anlaß zur Aufführung von G. F. Händeis „M e s s i a s“. Bei diesem Werk handelt es sich um ein versenkendes Betrachten in die Geschichte des Heilands, ein Betrachten aus der Höhe von Jahrtausenden. Vor ihr schwinden die Namen von Menschen und Orten, alles Persönliche und Materielle wird unbedeutend und klein. Aber die Hauptszenen leben dramatisch auf, und die Spuren, die sie in Herz und Geist hinterlassen, leuchten in hellem Glanz. Hermann Schmeidel betonte stark die dramatischen Akzente. Während der Chor den klaren, präzisen Zeichen des Dirigenten folgte, hat das Mozarteumorchester manches an einer stilgerechten Wiedergabe vermissen lassen.

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