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Musik und Theater in Salzburg

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Salzburgs einziges Orchester hat sich im Laufe dieser Saison mit großem Idealismus bemüht, ein der Festspielstadt würdiges Niveau zu erreichen. Es ist auch durch die Wahl eines ständ n Dirigenten, der präzise Erziehungsarbeit durchführte, gelungen, eine Steigerung an Exaktheit und Klangschönheit zu erreichen. Nun kämpft das Mozarteumorchester mit materiellen Schwierigkeiten, nicht nur weil eine allgemeine Konzertmüdigkeit eingesetzt hat und Geldmangel die Safe leert, sondern weil es selbst bei ausverkauften Häusern keinen Reinertrag erzielen kann. Dem Orchester werden aber fast gar keine Subventionen gewährt, und als neue Gefahr droht eine starke Erhöhung der städtischen Steuer, die eine Auflösung des Orchesters herbeiführen könnte. Jede Beschränkung des Orchesters oder Verminderung seiner Mitgliederzahl würde ein Absinken des erreichten künstlerischen Niveaus bedeuten und nicht nur die mühsame Aufbauarbeit von drei Jahren zunichte machen, sondern auch den Ruf der Mozart-Stadt gefährden, den sie ja schließlich über die Festspielmonate hinaus genießt.

Besonders die letzten Konzerte in dieser Saison brachten den Beweis, daß es gelungen ist, die Leistungen von Stufe zu Stufe zu heben, so daß das Mozarteumorchester schon heute für das österreichische Musikleben unentbehrlich geworden ist. „D a s Lebe n”, ein symphonisches Chorwerk von Professor J. Meßner, mutet heute, obwohl es bereits ein Vierteljahrhundert alt ist, vollkommen modern an und gehört zu jenen Werken, nach denen sich unsere Zeit sehnt. Durch die Eigenart der Besetzung werden Klangwirkungen von intimstem Reiz erzeugt. Es wäre an der Zeit, gerade dieses Werk des österreichischen Komponisten wieder in die Konzertsäfe zu bringen. Es müßte aber eine so vollkommene Aufführung sein, wie es die unter der Leitung des Komponisten in Salzburg war, wenn dem Werk gedient sein soll. Dem Mystischen in den Palestrina- Vorspielen von H. Pfitzner gab sich M. Zallinger mit Inbrunst hin und türmte das schwer zugängliche Patho9 und hohe Gedankengut des deutschen Romantikers fft voller Wucht auf. Aus der Johannespassion ragte aus der von R. Schmeidel geleiteten Aufführung der Mittelteil, die Gerichtsszene mit den dramatischen Chorrufen, besonders heraus, ein Verdienst des Chores und der Solisten. Von der ursprünglichen slawischen Leidenschaft und dem Glutatem intensiver Empfindung, welche die 5. Sy m phonie von P. I. T s c h a i k 6 vü-r s k y beherrschen, ließ sich J. Krips stärker hinreißen als von der Trauer und volkstümlichen Komponente, die dieses gewaltige symphonische Werk gleichfalls durchziehen. Das Mozarteumorchester folgte dem Dirigenten mit erstaunlicher Hingabe und erreichte damit die stärkste Leistung dieser Saison. Durch freudig beschwingtes Musizieren wird das letzte Abonnementkonzert noch lange in der Erinnerung nachklingen. Unter der Stabführung K. Böhms schimmerte die romantische Welt des Elfenreiches in der „Oberon”-Ouvertüre von C. M. Weber, während in der Tanzsuite „Der Feuervogel” von Strawinsky die mit nationalen Motiven durchwobenen Sätze in ihren harten Kontrasten und leuchtenden Farben in der Deutung des Dirigenten klar realisiert wurden. Seine Auslegung der VII, Symphonie von Beethoven ist mehr auf Dehnung dieses tänzerischen Werkes gestellt, während er im Finale das „con brio” bis hart an die Grenze des Erträglichen trieb.

Im Landestheater sah man der Erstaufführung der Oper „Casanova in der Schweiz” mit Erwartung entgegen, die aber nicht erfüllt wurde. Der Autor des Textbuches, R. Schweizer, hat aus den Memoiren Casanovas eine Episode gewählt, die jedoch keine echte Frohlaune verspüren läßt, wie wir sie in der elementaren Lustspielherrlichkeit der barocken commedia dell’arte erleben. Nur der Sinnentaumel eines Liebeshelden jener dekadenten Zeit schafft Verwirrung, die aber auch nicht mehr beinhaltet, als den Kummer um verlorene Genüsse. Der Komponist P. Burkhardt hat sich bei der musikalischen Bearbeitung des Stoffes von seiner Operettenvergangenheit nicht befreien können. Die Musik bleibt trotz einiger guter Einfälle nur Illustration. Einzelne Arien und besonders die gesungenen Zwischenspiele entbehren nicht der Originalität. M. Zallinger ist es gelungen, dem schwachen Werk durch Orchesterfarbigkeit Schwungkraft zu verleihen. Gegen Ende der Saison setzte man den „E v a n g e 1 i m a n n” von W. Kienzl auf den Spielplan, in der Hoffnung, durch diese Oper das immer leerer werdende Haus füllen zu können. P. Walter versuchte, durch schlichte Auslegung der pompösen „Wagnerschen” Gefühlsausbrüche die Musik zu vereinfachen und Rührseligkeiten zu vermeiden; auch die Sänger waren bemüht, der sentimentalen Handlung frisches Leben einzuhauchen. Ob sich die Mühe und das ehrliche Wollen gelohnt haben, wird der Kassenrapport zeigen.

Beim Schauspiel spürte man ein unsicheres Tasten in der Spielplangestaltung, der ständig etwas Improvisiertes anhaftete. Dadurch wurde die Linie der dramatischen Formung uneinheitlich, zerrissen und den Schauspielern die Möglichkeit genommen, in einen Darstellungssril hineinzuwachsen, der nun einmal das künstlerische Charakteristikum eines jeden Theaters sein soll. Eine der reifsten Nestroy-Komödien, die, vor hundert Jahren geschrieben, heute wieder aktuell, ist das Lustspiel „Der alte Mann und die junge Fra u”. Es ist voll menschlicher Weisheit, und die Unterdrückungswelle, die das Leben der Menschen überspült und politische Märtyrer schafft, wird mit glanzvoller Ironie, mit feinen Anspielungen, die auch heute wirken, wunderbar aufgezeigt, wie es kein Zeitstück besser könnte. Die Regie Emil Leisners hat mit fast unverständlicher Derbheit alle Liebe und Wärme aus dem Stück verbannt; wo der Glanz echten Humors leuchten sollte, sah man nichts als den Talmischimmer platter Possenreißerei. An der Unzulänglichkeit des Schauspieler- material scheiterte die Inszenierung Erwin Fabers, der das edle Feuer der Schilferschen Verse in „Maria Stnart” bei der Spiel- schar nicht zu entfachen vermochte. Mit seinem ersten Bühnenstück „Spaß muß sein” hat der junge Dichter H. F. Kühnelt in zarten Pastelltönen uns eine Welt der Romantik vorgezaubert. Das Wiener Barocktheater und die Hanswurstkomödien haben Kühnelt geholfen, den Rahmen seines Spiels zu schaffen, dem jedoch noch merkliche Schwächen im dramatischen Aufbau anhaften. Mit der europäischen Erstaufführung des Schauspiels „Mitten im Leben” von G. Brewer jun. und B. Bloch lernte man ein amerikanisches Stück kennen, das am Broadway einen Sensationserfolg erzielt hat. Während das amerikanische Theater diese Mischung von interessanter Krankengeschichte und Ibsenscher Seelenprobfematik als „Reißer” spielte, hat der Regisseur R. Wegeier die epischen Längen noch breiter als notwendig ausspielen lassen und jede psychologische Regung und Gharakterwandlung bis ins .kfeinste Detail geformt. Dadurdv wurden zwar die ethischen Werte deutlicher, aber die Schwäche der dramatischen Ausdruckskraft bewirkte manchen Leerlauf und beeinträchtigte die Anteilnahme des Publikums.

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